Fiél-Debüt gegen Bernau
Cristian Fiél hat sein erstes Spiel mit Hertha BSC gewonnen. Das 7:0 im Testspiel war aufgrund des Gegners zwar nicht sonderlich aussagekräftig - erste Erkenntnisse darüber, wie Fiél spielen lassen will, ließen sich dennoch sammeln. Von Marc Schwitzky
Dass das Wetter einen gehörigen Einfluss auf ein Fußballspiel haben kann, war zuletzt am Samstagabend in Dortmund zu beobachten, als das EM-Achtelfinale zwischen Deutschland und Dänemark zwischenzeitlich aufgrund von massivem Unwetter unterbrochen werden musste. Der qualitativ hochwertige Rasen in Dortmund verfügte trotzdem über eine so gute Drainage, dass danach ganz normal weitergespielt werden konnte.
Solch einen Luxus erlebte Hertha BSC am Sonntag bei dem ersten Testspiel der Saisonvorbereitung beim FSV Bernau nicht: Strömender Regen hatten dem Platz des Landesligisten so zugesetzt, dass er mit fortlaufender Zeit immer schwieriger zu bespielen war. Das Debüt von Hertha-Trainer Cristian Fiél fiel jedoch nicht ins Wasser - und endete in einem 7:0-Kantersieg.
Aber interessanter als das eigentliche Ergebnis sind erste Erkenntnisse darüber, wie Fiél Hertha künftig spielen lassen will – sowohl mannschaftstaktisch als auch auf individueller Spielerebene.
Auf seiner Antritts-Pressekonferenz bei Hertha nannte Cristian Fiél sein Traineridol: "Pep Guardiola beim Barcelona von 2006 bis 2012, das war der schönste Fußball, den ich bisher gesehen habe. Es wäre vermessen zu sagen, dass er mich geprägt hat. Damals habe ich gedacht: Wenn ich mal Trainer werde, dann würde ich gern auch diesen Fußball spielen lassen." Fiél geht es also um viel Spielkontrolle.
Dieser Ansatz beginnt im Spielaufbau. Hier zeigt sich, dass Fiél nicht blind einer Philosophie, die nun auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat, hinterherläuft, sondern auch modernere Ansätze annimmt. Gegen Bernau baute Hertha meist in einem 2-3-System auf, bedeutet: Die zwei Innenverteidiger im 4-3-3-System haben den Ball, die beiden Außenverteidiger rücken auf die Höhe des alleinigen defensiven Mittelfeldspielers. Dies ist die Methodik von Trainerkollege Roberto de Zerbi, der zuletzt Brighton & Hove Albion trainierte und den Guardiola zuletzt selbst als "einer der einflussreichsten Manager der letzten 20 Jahre" bezeichnete.
Der Aufbau im 2-3 funktioniert so, dass die Innenverteidiger den Ball halten, mit ihm allmählich ins Mittelfeld laufen und so den Gegner locken, ins Pressing zu gehen. Sobald der Gegner dadurch sein Positionsspiel aufgibt, ergeben sich Lücken für eigene Pässe – eben auf die Außenverteidiger oder das zentrale Mittelfeld. Ansätze hiervon waren gegen Bernau gut zu erkennen.
Auch die Dominanz, die Herthas neuer Trainer permanent ausüben will, wird nicht daran gemessen, möglichst nahe an die 100 Prozent Ballbesitz zu kommen, sondern in jeder Spielphase Kontrolle zu haben. Gegen Bernau hielt Hertha den Ball nicht sonderlich lange in unnützen Räumen, sondern spielte – sobald die erste gegnerische Pressinglinie überspielt war – äußerst schnell nach vorne ins letzte Drittel. Teilweise reichten zwei gezielte Pässe dafür. Dort warteten in der 2-3-5-Formation in Ballbesitz gleich fünf Abnehmer, ob auf den Flügeln oder im Zentrum.
Diese überlegte, aber sehr direkte Spielweise ist stark an de Zerbi und die Arbeit von Sebastian Hoeneß beim VfB Stuttgart angelehnt. So strahlte Hertha mit fünf erzielten Toren vor allem in Halbzeit eins große Gefahr aus. Der Gegner wurde überrollt und nicht von Ballbesitz eingeschläfert. "Die Art und Weise, wie die Tore gefallen sind, hat mir gefallen", so Fiél nach Abpfiff.
Zwei Spieler haben eine besondere Rolle unter Fiél. Dabei sticht vor allem Ibrahim Maza heraus. Das 18-jährige Eigengewächs der Berliner verfügt über herausragende technische und kreative Fähigkeiten – nicht umsonst stehen Interessenten an ihm Schlange. Fiél erkennt das besondere Talent Mazas und schenkt ihm große Freiheiten. Der offensive Mittelfeldspieler nimmt eine ähnliche Rolle ein wie Ausnahmetalent Can Uzun beim 1. FC Nürnberg unter Fiél. Der 44-jährige ließ Uzun in der vergangenen Saison ebenfalls große Freiheiten, vertraute auf dessen Fähigkeiten und wurde mit 18 direkten Torbeteiligungen belohnt.
Maza soll wie Uzun vor allem in den Halbräumen agieren, schwierig für den Gegner zu greifen sein und durch Dribblings wie Pässe enge Situationen auflösen. Gegen Bernau war der gebürtige Berliner einer der auffälligsten Spieler mit unzähligen wichtigen Momenten im Angriffsspiel.
Auch Außenverteidiger Michal Karbownik nimmt eine besondere Rolle in Fiéls Fußball ein. Der Pole zeichnet sich dadurch aus, immer wieder ins Mittelfeldzentrum zu dringen und dort durch kluge Dribblings für Unruhe zu sorgen. Mit dieser mutigen Spielweise hatte er die Hertha-Verantwortlichen vor einem Jahr von einer Verpflichtung überzeugt, doch unter Fiél-Vorgänger Pal Dardai musste der Linksverteidiger meist stoisch die Außenbahn bespielen und defensiv agieren – etwas, dass Karbownik zwar etwas weiterbrachte, seine besonderen Fähigkeiten aber kaum noch aufblitzen ließ.
Fiél schenkt dem 23-Jährigen mehr Vertrauen, sein Spielstil als inverser Außenverteidiger passt gut in die Spielidee des Trainers. Gegen Bernau agierte Karbownik immer wieder als zentraler Mittelfeldspieler, dem zwar noch nicht alles gelang, der aber immer wieder für Unruhe beim Gegner sorgte, da er die Manndeckung Bernaus regelmäßig aufbrach. Noch besser eingebunden, könnte Karbownik in der kommenden Saison sehr wichtig für Hertha werden.
Fiél hatte bei seinem Amtsantritt in Berlin betont, dass er zwar mutigen Offensivfußball spielen lassen will, dabei aber die Defensivarbeit nicht vernachlässigen wird. Dabei ginge es vor allem darum, als Mannschaft geschlossen zu stehen, "um bei Ballverlust sofort ins Gegenpressing zu gehen." Jenes aggressives Gegenpressing zeigte Hertha gegen Bernau bereits in Ansätzen. Die Berliner schenkten dem Landesligisten bei Ballverlust nichts, sie gingen sofort in die Zweikämpfe und waren sich für keinen Meter nach hinten zu schade.
Sicherlich ist ein Landesligist hier noch kein echter Gradmesser, jedoch ein erstes Indiz dafür, was Fiél von seinen Spielern fordert. In den kommenden Wochen wird es darum gehen, die ersten Ansätze weiter zu verfeinern und gegen stärkere Gegner ebenso zeigen zu können. Fiél selbst bezeichnete den ersten Test, vor allem aufgrund der äußeren Umstände, als "nullkommanull aussagekräftig". Und doch war zu erkennen, wohin die Reise gehen soll.
Sendung: rbb Inforadio, 22 Uhr, 30.06.2024
Beitrag von Marc Schwitzky
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