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Interview | Wirtschaftsexperte Henning Zülch

"Die 3. Liga ist höchst risikobehaftet"

Mit dem Aufstieg ist für Energie Cottbus ein großer Traum in Erfüllung gegangen. Doch die 3. Liga birgt auch ein hohes finanzielles Risiko. Wirtschaftsexperte Henning Zülch erklärt, wo die Kostenfallen liegen und mit welcher Strategie man bestehen kann.

rbb: Herr Zülch, Energie Cottbus hat den Sprung zurück in den Profifußball geschafft. Sportlich ist das ein großer Erfolg. Aber ist es auch finanziell gesehen ein Grund zur Freude?

Henning Zülch: Grundsätzlich eigentlich nicht. Das kann ich ganz einfach anhand einer Zahl verdeutlichen. Wenn Sie in einer der fünf Regionalligen einen wettbewerbsfähigen Kader haben möchten, brauchen Sie einen Etat von circa drei Millionen Euro. Wenn man in die 3. Liga aufsteigt, braucht man, um wettbewerbsfähig zu sein, einen Etat zwischen fünf und neun Millionen Euro. Für Energie Cottbus bedeutet das, dass sie ihren Etat verdoppeln müssen. Und die Frage ist, wo dieses Geld herkommen soll.

3:1 gegen Babelsberg 03

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Was sind denn die größten Kostenfaktoren in der 3. Liga?

Vor allem das Personal. Der DFB hat für die Saison 2023/24 eine Art Kassensturz gemacht und dargestellt, was die größten Aufwandsposten für die Vereine in der 3. Liga sind. Dort stehen ganz oben die Personalkosten für die Mannschaft, die durchschnittlich 40 Prozent aller Aufwendungen ausmachen. Dazu kommt das Personal rund um das Team, also so etwas wie Facility Manager, Greenkeeper und Fanshop-Mitarbeiter. Das macht ca. acht Prozent aus. Auch die Kosten für den Spielbetrieb sind hoch. Das ist alles, was rund um den Spieltag anfällt. Auf diese entfallen im Schnitt 23 Prozent der Aufwendungen. Und diese Ausgabenstruktur eines Drittligaklubs ist durchaus vergleichbar zu der von Erst- und Zweitligateams.

Steigen mit dem Aufstieg aber nicht auch die Einnahmen?

Wenn man auf die Einnahmen schaut, dann sieht man, dass in der 3. Liga 19 Prozent aus dem Ticketing kommen, 40 Prozent von Sponsoren und aus den TV-Geldern nur neun Prozent – in der 1. und 2. Bundesliga liegen die Fernseheinnahmen stattdessen bei 35 Prozent. Sie sind in der 3. Liga also extrem auf Sponsoring und Werbung angewiesen. Energie Cottbus muss also in der Lage sein, durch die Lande zu ziehen und die Unternehmen von einem Sponsoring zu überzeugen.

Die wachsenden Zuschauerzahlen im Stadion und die steigenden Gewinne im Ticketing werden sicherlich zur Stabilisierung beitragen können, aber damit wird man keine großen Sprünge machen können. Der Zuspruch der Zuschauer wird zwar da sein, aber wenn man sich die Entwicklung des Zuschauerschnitts in Cottbus in den letzten Jahren anschaut, wird jetzt nicht plötzlich das Stadion immer voll sein.

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Halten Sie das Gewinnen von Sponsoren für eine schwieriges Unterfangen? Wie attraktiv sind die Werbeflächen in der 3. Liga?

Naja, die 3. Liga findet in der Sportschau statt, Top-Spiele laufen teilweise in den dritten Programmen und die Telekom zeigt alle Partien auf Magenta-TV. Also da gibt es schon einen Sprung im Vergleich zur Regionalliga. Und wenn jetzt Cottbus gegen Dynamo Dresden spielt, dann hat so eine Partie auf jeden Fall überregionale Sichtbarkeit. Der große Punkt ist dabei allerdings immer, welches Image man als Klub hat.

Energie Cottbus setzte zuletzt immer auf ein großes, breit aufgestelltes und regionales Sponsorenfeld, in dem sich auch viele klein- und mittelständische Unternehmen befinden. Ist dieses Konzept auch für die 3. Liga geeignet?

Also man muss schon ein oder zwei große Sponsoren von sich überzeugen. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind schön für die Regionalliga, werden aber in der 3. Liga nicht helfen können. Und wenn ich das richtig verstanden habe, endet der Plan von Energie Cottbus ja nicht in der 3. Liga, sondern man will ja an alte Erfolge anknüpfen – also mindestens in die 2. Bundesliga. Und dafür braucht es eine Strategie mit finanzstarken Sponsoren.

Die 3. Liga wird immer wieder auch als "Insolvenzliga" bezeichnet, weil dort so oft Vereine in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. Wäre das der Worst Case?

Eine Insolvenz muss nicht zum Niedergang eines Klubs führen. Das haben wir bei Chemnitz oder Rot-Weiß Erfurt gesehen. Rein technisch ist eine Insolvenz also nicht das Ende. Wichtig ist aber, dass die Verantwortlichen in der Lage sind, die Einnahmen- und Ausgaben-Situation nicht völlig außer Kontrolle geraten lassen, so wie es zum Beispiel bei Türkgücü München der Fall war. Man muss wirklich realistisch planen und dabei zeigt sich das kaufmännische Geschick und der Realitätssinn der Vereinsführung.

Schön ist diese Häufung an Insolvenzen in der Liga aber trotzdem nicht und das Risiko dafür scheint hoch. Sollte der DFB Ihrer Meinung nach mehr tun, um Pleiten zu verhindern und die Klubs zu unterstützen?

Ja. Meiner Meinung nach bräuchte es klarere Lizenzierungsvoraussetzungen. Nicht nur in der 3. Liga, sondern auch schon in der Regionalliga. Dort wird eigentlich nicht wirklich geprüft, ob man das finanziell alles realisieren kann, was fast schon skandalös ist. Man muss aber auch fair bleiben. Die 3. Liga ist in den letzten Jahren finanziell gewachsen und solider geworden. Man schaut sich mittlerweile Finanzdaten, wie zum Beispiel das Eigenkapital und dessen Entwicklung sehr genau an.

Man muss den Klubs, die den Sprung aus der Regionalliga wagen wollen, aber auch mal frühzeitig signalisieren, dass die finanziellen Voraussetzungen einfach nicht passen und ein realistischer und mehr als weitreichender finanzieller Plan vorgelegt werden muss. Die 3. Liga ist höchst risikobehaftet, weil es ein großer Spagat für die Klubs ist, den benötigten Etat sicherzustellen. Da muss der DFB gemeinsam mit den Vereinen eine realistische Einschätzung abgeben, ob die Lizenzvergabe sinnvoll ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb UM6, 2.6.2024, 18 Uhr

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