Aufstieg erneut verpasst
2022 übernahm ein Team von sechs Gründerinnen die ausgegliederte Frauen-Mannschaft von Viktoria Berlin. Das Ziel: Aufstieg in die Bundesliga innerhalb von fünf Jahren. Der Aufstieg in die 2. Liga wurde erneut verpasst. Wo steht das Projekt? Von Lars Becker
Mit einem 8:2-Kantersieg gegen Magdeburg, dem 19. Sieg im 22. Spiel, haben die Frauen von Viktoria Berlin eine starke Regionalliga-Saison abgeschlossen. Dass es erneut nicht zum Aufstieg reichen würde, stand da aber schon längst fest. Mehr als Platz zwei hinter dem übermächtigen Lokalrivalen 1. FC Union war nicht drin. Die "Eisernen Ladies" sind seit dem letzten Sommer Voll-Profis - und ohne jeden Punktverlust durch die Liga gerauscht. "Wir haben eine Riesenentwicklung genommen", sagt Viktoria-Coach Dennis Galleski, "Platz eins wäre das Maximum in der Tabelle gewesen, aber sportlich war für uns das Maximum, das was wir erreicht haben".
Unter Galleskis Vorgänger war Viktoria im Jahr zuvor in der Relegation am Hamburger SV gescheitert. Beim dritten Anlauf stehen Trainer und Team in der kommenden Saison noch stärker unter Druck, aufsteigen zu müssen. Schließlich bezeichnet sich Viktoria selbst als "Leuchtturmprojekt im Frauenfußball" mit ambitionierten Zielen. "Druck ist für mich immer ein Privileg", kontert Galleski. "Druck spürt man ja nur, wenn man Ziele hat. Und wir haben natürlich das Ziel, nächstes Jahr so gut wie's geht um Platz eins mitzuspielen, ihn am Ende auch zu erreichen. Und mit den Erfahrungswerten, die wir jetzt gesammelt haben, bin ich überzeugt, dass es uns auch gelingt".
Dem ambitionierten Galleski geht die sportliche Entwicklung nicht schnell genug. Er hadert mit den gegebenen Bedingungen, die zwingend verbessert werden müssten, um ein höheres Level zu erreichen: "Wir haben diese Saison viel zu oft noch Training ausfallen lassen müssen, weil wir keinen Platz zur Verfügung hatten", beklagt Galleski Hindernisse und Einschränkungen. "Wir haben auf einem halben Kunstrasenplatz trainiert, zu Uhrzeiten, wo andere sich schon auf das Schlafengehen vorbereiten", sagt er. "Dieses Jahr waren wir noch nicht da, wo ich hin möchte."
Prozess, Ausdauer, Geduld, langer Atem. Alles Begriffe, die Lisa Währer, eine der Gründerinnen von Viktoria, oft benutzt. Die größte Herausforderung für das Projekt, sagt die Brand- und Marketingexpertin, ist und bleibt die Infrastruktur in Berlin: "Als Verein, der nicht an einen größeren Verein gekoppelt ist, sind wir da einfach faktisch im Nachteil", beschreibt Währer die Problematik. "Damit müssen wir natürlich versuchen umzugehen, aber auch versuchen, Schritt für Schritt Dinge zu verbessern, was leider nicht von jetzt auf gleich geht, sondern Ausdauer benötigt".
Geduld haben gilt auch für die Gesamtentwicklung des in Deutschland einzigartigen "Projekts Viktoria", das sich am Vorbild des Angel City FC aus Los Angeles orientiert, einer Frauenfußball-Franchise der National Women's Soccer League in den USA. Der 2020 gegründete Klub hat viele prominente Besitzer, wie Schauspielerin Natalie Portmann und Sportstars wie Serena Williams.
"Wir sind natürlich nicht schon seit 20 Jahren im Fußball-Business, aber wir hatten von Anfang an eine sehr realistische Einschätzung und müssen jetzt immer wieder neu justieren und anpassen", beschreibt Währer den Prozess. "Es geht uns ja auch nicht nur darum, irgendwie in die Bundesliga zu kommen und dann sagen wir 'tschüß und viel Spaß noch'".
Mit Hilfe prominenter Unterstützerinnen wie Franziska van Almsick, Caroline Kebekus oder Ulrike Folkerts hat das Gründer-Team um Lisa Währer inzwischen eine Millionensumme eingeworben. Und Investorinnen und Investoren ziehen weiter mit. "Wir sind da auch gerade in der Ansprache von potentiellen Neu-Investorinnen und -Investoren. Da gibt es weiterhin viel Interesse und das macht großen Spaß", sagt Co-Gründerin Katharina Kurz.
Ein Großteil der aquirierten Gelder, betont Währer, fließt in den sportlichen Bereich, "gerade das Einführen von Gehältern, die Professionalisierung in dem ganzen Staff-Team drumherum, die Trainingslager, die wir jetzt im Winter ermöglichen können."
Akut sucht Viktoria eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für die zurückgetretene Sportdirektorin Ariane Hingst. Es habe keinerlei Verwerfungen gegeben, betonen Lisa Währer und Katharina Kurz nachdrücklich. Im Gegenteil. Hingst habe festgestellt, dass die Rolle für sie nicht die passende sei. Die frühere Nationalspielerin bleibt dem Projekt unverändert als Gründerin, Gesellschafterin und Beraterin erhalten. "Wir haben Kandidaten in der Pipeline, aber wir haben noch nichts Offizielles", sagt Wähler.
Die Kaderplanung für die kommende Saison verantwortet unterdessen Trainer Dennis Galleski. Neuverpflichtungen werden kommen und die Mannschaft qualitativ verstärken. Und dann unternimmt der FC Viktoria in der kommenden Saison den nächsten Anlauf Richtung 2. Liga. "Klar wär' das toll gewesen, wenn wir den Zweitliga-Aufstieg direkt gleich im ersten Jahr gepackt hätten. Aber wir haben einen langen Atem, werden einfach weiter machen und freuen uns auf die nächste Saison."
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.06.24, 11 Uhr
Beitrag von Lars Becker
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