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Quelle: IMAGO / Fotostand

Interview | Jonas Hildebrandt vom FC Energie Cottbus

"Die Lust auf den Neubeginn war wesentlich größer als die Angst, etwas zu bereuen"

Erst Drittliga-Aufstieg und Landespokalsieger mit dem FC Energie Cottbus, dann Karriereende im Alter von 27 Jahren. Im Interview spricht Jonas Hildebrandt über seinen Weg, Thomas Tuchel und eine neue Rolle neben Vereinslegende "Pele" Wollitz.

rbb|24: Jonas Hildebrandt, in der Saison 2024/25 komplettieren Sie als Assistent das Trainerteam um Chefcoach Claus-Dieter Wollitz beim FC Energie Cottbus. Wie groß ist der Spaß, ab sofort gemeinsam mit "Pele" Wollitz die ehemaligen Kollegen über den Rasen zu scheuchen?

Jonas Hildebrandt: Ich hatte sehr, sehr geile erste Tage auf dem Platz. Die Arbeit ging schon weit vor dem Trainingsauftakt los. Die Aufgaben, die ich in der Sommerpause zu Hause und jetzt auch im Training übernehmen durfte und darf, sind genau so, wie ich es mir gewünscht und vorgestellt habe. Dementsprechend macht es extrem viel Spaß. Ich habe mich bewusst für diesen Weg entschieden, bereue nichts und bin sehr zufrieden.

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Im Mai hat der Verein mitgeteilt, dass Sie Ihre aktive Laufbahn beenden und Ihre Trainerkarriere in der Lausitz starten werden. Der Pressemitteilung zufolge haben Sie schon 2021, vor Ihrer Rückkehr nach Cottbus, darüber nachgedacht, mit dem Fußballspielen aufzuhören. Was waren die Gründe dafür?

Komplett raus aus dem Fußball wollte ich nie. Ich wollte schon immer früh damit anfangen, Trainer zu werden. Es war – völlig unabhängig von irgendwelchen Stationen – immer meine Vorstellung, nicht zu spielen, bis ich 35 bin und mir dann notgedrungen etwas Neues zu suchen. Ich habe auf den richtigen Moment gewartet, um den Switch zu machen und den nächsten Schritt zu gehen. Ich liebe den Fußball so wie ich ihn schon immer geliebt habe. Die Aufgabe ist jetzt eine andere, ich liebe sie aber genauso. Für mich persönlich war es ein Abpassen des richtigen Moments, um zu sagen: "Das, was ich mein Leben lang mache, verschiebt sich jetzt in eine andere Richtung." Dem Fußball wollte ich nie den Rücken kehren.

Nach fünf Spielzeiten in der viertklassigen Regionalliga Nordost ist der FC Energie zurück im Profi-Fußball. Besonders nach dem bitteren Scheitern in den Aufstiegsspielen gegen Unterhaching im Vorjahr war die Freude in der Lausitz grenzenlos. Der Reiz dürfte groß gewesen sein, doch noch nicht mit dem Fußballspielen aufzuhören und nochmal in Liga Drei anzugreifen. Zumal Sie das Team – nach Axel Borgmanns schwerer Verletzung – als Kapitän und Stammkraft in der Innenverteidigung zum Aufstieg und Landespokalsieg geführt haben.

Es kommt mir immer etwas zu negativ rüber, zu sagen, dass ich aufhöre. Für mich ist es eher ein Anfang. Die Lust auf den Neubeginn war wesentlich größer als die Angst davor, irgendetwas zu bereuen. Einen schöneren Moment gab es nicht – und man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich war bei Rot-Weiss Essen, ich war bei Hansa Rostock, dann bei Cottbus. Gefühlt hat es sieben Anläufe gebraucht, um aufzusteigen. Dass es dann so eine Geschichte wird, beim Aufstieg und Pokalsieg der Kapitän dieses Vereins zu sein, in dem ich Balljunge war, wo ich angefangen habe, professionell Fußball zu spielen – schöner geht's nicht! Das ist die eine Sache. Die zweite ist, dass ich eine Riesen-Chance darin gesehen habe, noch ein Jahr unter Cheftrainer "Pele" arbeiten, Erfahrungen sammeln zu dürfen und von ihm profitieren zu können - und zu wissen, dass er mir zu hundert Prozent vertraut.

Jonas Hildebrandt (re.) mit seinem langjährigen Trainer und Mentor "Pele" Wollitz. | Quelle: IMAGO / Matthias Koch

"Pele" Wollitz geht in seine letzte Saison als Cottbuser Cheftrainer. Wie würden Sie sein Vermächtnis in diesem Verein in Worte fassen?

Ich weiß nicht, ob der FC Energie Cottbus so groß wäre, deutschlandweit so einen Bekanntheitsgrad und so einen hohen Stellenwert in der Region hätte, wenn "Pele" nicht da wäre. Ich glaube, dass ohne ihn vieles anders wäre – definitiv nicht besser. Er hat sehr viel für den Verein geleistet und hat hier einen sehr hohen Stellenwert. Und dadurch, dass ich ihn persönlich mittlerweile sehr gut kenne, weiß ich, dass das Bild, das von ihm gemalt wird und das er, wenn ein Spiel angepfiffen wird, auch selber malt, nicht dem Menschen Claus-Dieter Wollitz entspricht.

Liebäugeln Sie mit dem Gedanken, nach dieser Spielzeit in Wollitz' Fußstapfen zu treten – oder ist das völlig utopisch?

So sehr ich es mir wünschen würde, dass ich das kann, wage ich es sehr stark zu bezweifeln, dass ich nach einem Jahr als Co-Trainer in der Lage bin, Cheftrainer bei so einem Verein zu sein. (lacht) Es gibt, glaube ich, sowieso Regularien, die das verhindern würden. Für mich geht es darum, Erfahrungen zu sammeln und mich weiterzuentwickeln. Langfristig ist es mein Ziel, Cheftrainer in einer möglichst hohen Spielklasse zu sein. Kurzfristig ist das aber maximal unrealistisch.

"Aufhören, wenn es am schönsten ist" - Jonas Hildebrandt mit Trophäe und Teamkollegen vom FC Energie Cottbus nach dem Landespokalsieg 2024. | Quelle: IMAGO / Matthias Koch

Es ist nicht der Regelfall, seine aktive Karriere schon im Alter von 27 Jahren zu beenden, wie Sie das nun getan haben. Gleichzeitig fällt auf, dass es junge Trainer immer häufiger bis ganz nach oben schaffen. Das wohl prominenteste deutsche Beispiel ist Julian Nagelsmann, der im Alter von gerade einmal 36 Jahren Bundestrainer wurde und bei der Heim-EM um seinen ersten Titel mit der Nationalelf spielt. Haben Sie Trainer-Vorbilder?

Nicht direkt. Ich schaue mir an, wie Leute Fußball spielen lassen wollen. Weil ich von den meisten aber nicht weiß, wie sie das im Training umsetzen, interessiere ich mich mehr für den Fußball, der gespielt wird. Ich mag Charaktere, die Autorität ausstrahlen, sich in Interviews vernünftig ausdrücken können und gerne mal einen ironischen Ton bringen, wenn es sein muss – so wie Thomas Tuchel zum Beispiel. Trainer wie Tuchel, Julian Nagelsmann oder Jürgen Klopp, der es geschafft hat, so lange auf maximalem Niveau Trainer bei einem Verein zu bleiben, finde ich sehr beeindruckend.

Das erste sportliche Highlight Ihrer Trainerkarriere wartet im DFB-Pokal auf Sie. Der FC Energie Cottbus empfängt den SV Werder Bremen im Stadion der Freundschaft (19. August, 18 Uhr). Schon im Jahr 2022 kam es in der ersten Runde zu diesem Duell: Damals haben Sie denkbar knapp mit 1:2 verloren. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass in dieser Saison die Revanche gelingt?

Das Spiel bleibt das gleiche. Man hat immer Chancen – egal gegen wen. Es wird aber definitiv nicht leichter. Vielleicht ist die Chance minimal größer geworden, weil wir uns besser entwickelt haben. Und dennoch entscheidet Werder Bremen, wie das Spiel ausgeht. Ich habe aber mit Rot-Weiss Essen selbst schon mal erlebt, wie schnell es gehen kann und plötzlich steht man im Viertelfinale (in der Saison 2020/21, damals verlor Essen mit 0:3 gegen Holstein Kiel; Anm. d. Red.). Das lag aber weniger daran, dass wir es so extrem gut gemacht haben. Man braucht Glück, dass der Favorit nicht den besten Tag hat oder einen nicht so ernst nimmt – und dann muss man da sein. Im Normalfall sollte unser Hauptaugenmerk aber nicht auf dieser Hoffnung liegen.

Stattdessen dürfte der Fokus primär auf das Abenteuer 3. Liga gerichtet sein, das am ersten August-Wochenende für Cottbus beginnen wird. Mit welchen Erwartungen und Zielen gehen Sie diese Herausforderung an?

Allen sollte erstmal klar sein, die Klasse halten zu wollen. Wir sollten gar nicht in die Vergangenheit gucken, das ging mir nach dem Aufstieg ein bisschen zu schnell. Ich glaube nicht, dass es zur Normalität wird, dass Aufsteiger durchmarschieren. Das waren zuletzt drei Extrembeispiele (der SV Elversberg stieg nach der Saison 2022/23 als Drittliga-Aufsteiger in die 2. Bundesliga auf, das gleiche Kunststück gelang dem SSV Ulm und Preußen Münster in der vergangenen Spielzeit; Anm. d. Red.). Meine Prognose ist, dass das nicht mehr ganz so häufig passieren wird. Es kann aber – wie in den vergangenen Jahren – wieder eine ausgeglichene, intensive und unberechenbare Liga werden. Wenn wir das annehmen, können wir eine gute Rolle spielen. Genauso hat die Vergangenheit aber auch gezeigt, dass es für Aufsteiger nie leicht ist. Ich glaube, jedes Jahr ist ein Aufsteiger direkt wieder abgestiegen. Wir sollten bescheiden bleiben, unsere Aufgaben machen, uns stetig weiterentwickeln, immer Vollgas geben – und dann ist es ein sehr realistisches Ziel, die Klasse zu halten.

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Das Teilnehmerfeld der 3. Liga liest sich in der anstehenden Spielzeit besonders klangvoll: Traditionsvereine wie FC Hansa Rostock, VfL Osnabrück, SG Dynamo Dresden, TSV 1860 München oder DSC Arminia Bielefeld mischen genauso mit wie Drittliga-Rückkehrer TSV Alemannia Aachen. Auf welche Gegner und Auswärtsfahrten freuen Sie sich besonders?

Für mich ist es natürlich schön, ins Ostseestadion und an die Hafenstraße zurückzukehren. Ansonsten freue ich mich auf die klassischen Traditionsvereine und die Derbys, auf die unsere Fans Bock haben und zu denen viele mitreisen. Das wird schon geil für uns als Mannschaft und als Verein. Für mich persönlich ist jedes Spiel, bei dem ich in dieser Saison auf der Bank sitze, das erste Spiel als Trainer im jeweiligen Stadion und von daher etwas Besonderes.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anton Fahl, rbb Sport.

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