Fußball-Europameisterschaft
Spätestens seit Krake Paul zur WM 2010 alle Spiele mit deutscher Beteiligung sowie das Finale richtig voraussagte, brauchen große Turniere einen tierischen Hellseher. Für die EM 2024 ist dieser Platz noch offen. Kandidaten gäbe es genug. Von Ilja Behnisch
Eine der hartnäckigsten Eigenarten, die dem Berliner an sich nachgesagt werden, ist bekanntlich seine Schnauze. Dabei spricht die Berliner Schnauze meist in liebevoller Absicht, ist manchmal grob, auf jeden Fall aber groß.
Vielleicht zählte das Flusspferd auch deshalb immer schon zu den tierischen Lieblingen der Berliner. So wie einst das legendäre Hippo Knautschke, welches so populär war wie später vielleicht nur noch Eisbär Knut.
Knautschke überlebte den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs und zeugte anschließend sagenhafte 35 Kälber. Nebenbei zählen die Schnauzen von Flusspferden zu den größten der Tierwelt: Sie können ihre Mäuler dabei auf 150 imposante Grad aufsperren. Das macht - alte Berliner Schule - das daraus Gesagte nicht richtiger. Widersprechen will man allerdings auch nicht unbedingt. Erst recht nicht, wenn das Tier wie eine Berliner Zoo-Bewohnerin Nala heißt, was soviel wie Königin bedeutet. Ideale Voraussetzungen für jeden Fußball-Tipp.
Rund 30 Stunden über wurde im Sommer 2023 vor den Toren Berlins nach einer Löwin gesucht. Nur damit sich die Experten und Behörden am Ende sicher waren, dass das eher zufällig gefilmte Tier dann doch eine Wildsau gewesen sei. Ist aber auch ein schmaler Grat. So wie beim Tippen des richtigen Fußball-Resultats. Löwin oder Wildsau? 2:1 oder doch 0:8? Es sind nur Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen.
Aber auch sonst gibt die Wildsau ein gutes Orakel ab. Schließlich vermögen wenige Tiere, sich derart erfolgreich auch außerhalb der heimischen Gefilde zu behaupten. Man denke nur an den Coup aus dem Sommer 2020, als es einem Wildschwein am Berliner Teufelssee gelang, einem nackerten Badegast dessen Laptop zu entwenden. Und Tiere, die es auf digitale Endprodukte absehen, sind zu allem fähig. Auch zur korrekten Vorhersage des Endergebnisses beim Spiel Slowakei-Rumänien (26. Juni, 18 Uhr).
Das wunderschöne Land Brandenburg hat vieles zu bieten, selbstverständlich auch famose Ortsnamen. Knoblauch, Kotzen, Pitschen-Pickel, Ranzig oder Sargleben zum Beispiel. Um nur einige zu nennen und den Teppich auszurollen für die Heimat eines Problemstorchs: Dissen. Dissen, das sei für die älteren Leser erklärt, ist dabei nicht nur ein Ort im Landkreis Spree-Neiße, sondern auch ein Verb und mithin ein Anglizismus.
Dissen bedeutet so viel wie runtermachen oder schmähen. Und geschmäht wurde auch der sogenannte Problemstorch von Dissen, der immer wieder für Aufsehen sorgte, da er sich von seinem Nistplatz in der Nähe der alten Schmiede hinabstürzte und dabei ahnungslose, ortsdurchfahrende Autofahrer erschreckte. Nun, so wird berichtet, sei es zuletzt ruhiger geworden um den todesmutigen Storch. Und doch hat er einiges wieder gutzumachen. Wie besser, als mit korrekten Tipps zu Deutschlands liebstem Kind, König Fußball? Frei nach der alten Storchen-Weisheit: Lösungen braucht man nur, wenn man Probleme hat!
Die pragmatische Lösung. Der im Berliner Tierpark geborener Rote Panda wurde im Herbst 2021 nach Urs Fischer benannt, damals Trainer des 1. FC Union Berlin. Das passte auch deshalb, weil der Rote Panda mitunter als Katzenbär bezeichnet wird und der Name Urs auf das lateinische "Ursus" zurückzuführen ist, was wiederum Bär bedeutet.
Und ehe man zu lange am Gedanken verweilt, was für ein komischer Name doch Bär Fischer eigentlich ist, sei darauf verwiesen, dass der gebürtige Schweizer bei Union Berlin heldenhafte Arbeit geleistet hat, indem er den Klub von der zweiten Liga bis in die Champions League führte. Wenn qua Namenspatronat auch nur ein Hauch von Sachverstand auf Panda-Urs übergegangen ist, ist dieser zwangsläufig die erste Wahl für alle Freunde rational tippender Tier-Orakel. Andererseits: Wer Freund rational tippender Tier-Orakel ist, spielt vermutlich auch Schach mit Würfeln.
Eisbären sind Einzelgänger. Sie vertrauen in ihrem Urteil also am besten auf sich selbst und lassen sich nicht von Hype- oder Mehrheitsmeinungen blenden. Eisbären schlafen viel (etwa 66 Prozent ihrer Zeit). Sie sind also ausgeruht, wenn es um die wirklich wichtigen Dinge geht. Einen korrekten Fußball-Tipp zum Beispiel. Und: Eisbären sind absolute Spezialisten, wenn es darum geht, sich auf dünnem Eis zu bewegen. Und was anderes als dünnes Eis ist das Tippen von Fußballspielen? Eben. Mit Eisbär Hertha aus dem Berliner Tierpark gibt es zudem einen Vertreter, der sich aufgrund seiner Zwangsbegeisterung für den aktuellen Zweitligisten und Namenspatronen Hertha BSC bestens mit Rückschlägen auskennt. Denn für tierische Orakel wie für Menschen gilt bekanntlich: nach dem Tipp ist vor dem Tipp.
Sendung: rbb24, 11.06.2024, 22 Uhr
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