Kindernothilfe veröffentlicht Leitfaden
Gedränge in den Gängen, Zigarettenqualm, unübersichtliche Wege: Die Begleiterscheinungen eines Stadionbesuchs können für Kinder eine Zumutung bedeuten. Jetzt gibt es einen Ratgeber für kindergerechte Stadien.
Das Fußballstadion gilt als einer der wenigen Orte, an dem alle zusammenkommen können, quer durch die Gesellschaft. Hier begegnen sich alle Fußballbegeisterten.
Doch die Belange einer ganz bestimmten Gruppe von Fans wurden bislang weitgehend übergangen: die der Kinder. Zu hohe Verkaufsstände, kryptische Zahlen- und Buchstaben bei der Beschilderung der Zugänge, außerdem Toiletten, die nicht kindgerecht sind. Auf Bedürfnisse der Kleinsten sind die Arenen hierzulande in den wenigsten Fällen ausgelegt.
Darum hat die Kindernothilfe gemeinsam mit den Organisationen "KickIn!" und "In safe hands" einen 18-seitigen Leitfaden für kinderfreundliche Stadien veröffentlicht [kindernothilfe.de]. Grundlage war eine zwei Jahre dauernde Untersuchung, bei der es um die Erarbeitung von Kriterien für ein kinderfreundlicheres Stadion ging. Beteiligt waren fußballbegeisterte Kinder und Jugendliche, die sich die Stadien der Projekt-Kooperationspartner Hertha BSC, VfL Bochum sowie Werder Bremen angeschaut haben.
Zur Nachwuchs-Forschungsgruppe gehörte auch Elina Erdmann, die als Fan von Hertha BSC regelmäßig das Olympiastadion besucht. Die 13-Jährige benennt ein paar Probleme, die ihr aufgefallen sind: So seien die Sitze zu niedrig. "Wenn man kleiner ist, kann man nicht so gut sehen." Beim Einlass gebe es außerdem oft "Gedränge und Geschubse" und es sei aufgrund mangelhafter Beschilderung schwierig, den richtigen Zugang zu finden. Und dann der Zigarettenqualm: "Wenn man das Spiel schauen will, stört das, wenn man den Rauch ins Gesicht bekommt."
Wie wichtig das Thema ist, das hat Julia Kikker vom Kids-Club des SV Werder Bremen während eines Heimspiels gegen Schalke 04 erlebt, als sie für die Untersuchung zusammen mit Kindern unterwegs war. Diesen sei im rappelvollen Weserstadion die Orientierung schwergefallen, "weil sie natürlich auch aus einem anderen Blickwinkel gucken." Durch die vielen Menschen wirkten die Gänge "enger, als sie es normalerweise sind. Man muss sich auch bei den Sitzreihen so ein bisschen durchmogeln.”
Obwohl Kikker die meisten erwachsenen Fans als rücksichtsvoll und "superachtsam" erlebt habe, findet sie: "Da müssen wir uns etwas einfallen lassen, dass es auch für Kinder einfacher wird, sich zu orientieren. Sei es durch Bodenzeichnung oder ähnliches." An die "Bedürfnisse der Kleinen wird beim Stadionbesuch noch zu wenig gedacht".
Zwei Hauptziele habe die Untersuchung verfolgt, sagt Niklas Alof von der Kindernothilfe: "Wir möchten auf der einen Seite, dass die Stadien deutschlandweit tatsächlich kinderfreundlicher, aber auch barrierefreier werden", sagt er. Die Zugangsmöglichkeiten sollen wirklich "für alle Menschen in unserer Gesellschaft" vorhanden sein.
Gleichzeitig solle die Ergebnisse der Studie ein neues Bewusstsein dafür schaffen, "dass Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen ein extrem wichtiger Aspekt ist" und dass ihnen auch Raum gegeben wird, sich zu äußern.
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat das Projekt durch den Fördertopf PFiFF (“Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur”) ermöglicht. Der nun entstandene Leitfaden soll den Klubs als Empfehlung vorgelegt werden. “Verbindlichkeiten zu schaffen, erst mal schwierig bei so vielen Vereinen und Stadionbetreibern”, sagt Ronja Seitz, Referentin für Fanangelegenheiten bei der DFL.
Immerhin der Anfang scheint gemacht, damit Fußballstadien künftig dem Ideal näherkommen, tatsächlich ein Ort für alle zu sein.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.06.2024
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