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Quelle: IMAGO / Matthias Koch

Nachhaltiger Plan mit Investor

Viktoria Berlin setzt gegen das Image eines "Plastik-Klubs" auf Jugendarbeit

Fußball-Regionalligist Viktoria Berlin könnte ein Investorenklub wie jeder andere sein. Doch anstatt des schnellen Erfolgs wählt der Verein zusammen mit Geldgeber Zeljko Karajica einen nachhaltigen Weg: Jugendarbeit statt Millionentransfers. Von Marc Schwitzky

Erster Spieltag der Regionalliga-Nordost-Saison 2023/24, Viktoria Berlin hat den FC Energie Cottbus zu Gast. Es läuft die dritte Minute der Nachspielzeit im ersten Durchgang. Energie will den Ball zum Torhüter zurückspielen, das 0:0 in die Pause bringen. Doch dann hat Berlins Metehan Yildirim einen Einfall. Der offensive Mittelfeldspieler fängt einen Pass gedankenschnell ab, dringt in den Strafraum ein und schiebt neben Cottbus-Schlussmann Elias Bethke zum 1:0 ein.

Am Ende gewinnt Viktoria den Saisonauftakt überraschend mit 1:0, der gerade einmal 18-jährige Yildirim ist mit seinem Debüttreffer in der Regionalliga der Wegbereiter. "Ich glaube, der war fünf Jahre alt, als ihn seine Eltern bei Viktoria Berlin angemeldet haben. Der Junge hat im Prinzip seine gesamte Kindheit bei Viktoria Berlin durchlaufen, mit all dem, was dazugehört, auch mit sozialer Bindung und Betreuung", erzählt Zeljko Karajica, Gesellschafter bei Viktoria Berlin, im rbb|24-Interview. "Das zeigt mir, wie wichtig es ist, dass es für diese Kinder und Jugendlichen später eine Vision gibt. Und dass der Verein tatsächlich mehr ist als einfach nur, einmal oder zweimal die Woche zum Training zu gehen. Insofern ist das für uns alle extrem wichtig."

Yildirim kommt am Ende der vergangenen Spielzeit auf 24 Regionalligaeinsätze und sechs direkte Torbeteiligungen. Es sind Karrieren wie seine, die den Weg von Viktoria Berlin pflastern sollen.

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Nicht das typische Fußball-Investment

Jene Ausrichtung des Vereins aus Berlin-Lichterfelde mag überraschen. Viktoria ist zwar ein altehrwürdiger Verein aus der Hauptstadt, Deutscher Meister von 1907/08 und 1910/11 und mit knapp 2.000 Mitgliedern bestückt, doch in den vergangenen Jahrzehnten war der Klub von den größten Bühnen des Fußballs verschwunden. Erst ein Investment der Advantage Sports Union (ASU) aus Hongkong des chinesischen Investors Alex Zheng im Jahr 2018 sorgte wieder für größeres Aufsehen. Zusammen sollte Großes gelingen, doch nach kurzer Zeit und absolutem Chaos kam es schon zum Bruch. 2019 übernahm Zeljko Karajica die Anteile des damals in der Insolvenz befindlichen Vereins. In jener Zeit war Viktoria vielmehr als künstlich aufgepumpter "Plastik-Klub" verschrien, als dass auf seine reiche Historie geblickt wurde.

Karajica, der mit der SEH Sports & Entertainment Holding neben Viktoria den österreichischen Erstligisten Austria Klagenfurt führt, ließ damals deutlich jedoch andere Töne anklingen als zuvor noch der chinesische Partner. 2021 sagte er in einem Interview: "Wir suchen nicht den ganz schnellen Weg zum Erfolg, sondern einen nachhaltigen Weg. Wir kaufen keine fertigen Profis für Millionen, wir setzen auf den eigenen Nachwuchs, werden auch ein Nachwuchsleistungszentrum bauen." Worte, die anders als das übliche Investment im Fußball klingen.

Zeljko Karajica, Investor bei Viktoria Berlin. (Foto: IMAGO / Contrast) | Quelle: IMAGO / Contrast

Karajica hält Wort

Doch hat Karajica Wort gehalten? Wurde tatsächlich ein nachhaltiger Weg gewählt? "Wenn Sie diese Saison unsere Spiele und unseren Kader verfolgen und sich gerade das letzte Landespokalfinale gegen Makkabi angucken - da lag unser Altersschnitt auf dem Platz unter 21 Jahren - dann kann ich diesen Punkt als nahezu zu 100 Prozent erfüllt ansehen", bekräftigt Karajica selbst. Das Vorhaben, nach dem Drittliga-Abstieg im Jahr 2022 konsequent auf Talente und Eigengewächse zu setzen, wurde in die Tat umgesetzt.

Das ist auch das Urteil von Rocco Teichmann, dem langjährigen Geschäftsführer der Viktoria. "Das hatten wir in der Vergangenheit nicht, diese Qualität an Jugendspielern in der ersten Mannschaft. Da sieht man jetzt schon, dass man sich an diesen Worten orientieren kann. Unser Ziel ist es, dass wir den guten Nachwuchsfußballern die Perspektive in der ersten Mannschaft geben. Das Nachwuchsleistungszentrum gebe es zwar noch nicht, das läge aber unter anderem am elitären Zertifizierungsprozess. "Da sind wir einfach Lichtjahre entfernt, auch aufgrund der wenigen Unterstützung der Stadt Berlin und des Bezirks", sagt Teichmann kritisch. Und er ergänzt: "Umso bemerkenswerter ist, dass es uns gelungen ist, solch eine hohe Anzahl an Jugendspieler zu integrieren."

Vergangene Saison als Leitbild – aber ohne Trainer Keskin

Viktoria Berlin hat die vergangene Spielzeit überraschend auf Rang drei beendet, nur acht Zähler hinter Aufsteiger Energie Cottbus – und das mit dem jüngsten Kader hinter den zweiten Mannschaften von Hertha BSC und Hansa Rostock: durchschnittlich 22,4 Jahre. Hinzu kommt der Sieg des Berliner Landespokals. Geschäftsführer Sport Teichmann blickt mit viel Stolz und Freude auf die vergangene Saison, wie er sagt.

Das liegt wohl zum einen am besonderen Teamgeist und des Engagements der Spieler auch außerhalb des Platzes, indem sie beispielsweise Patenschaften für eigene Jugendteams übernahmen. Zum anderen dürfte Teichmann aber vor allem der sportliche Erfolg glücklich machen, der eng mit der Arbeit von Trainer Semih Keskin verbunden ist. Der 35-Jährige war seit 2022 Trainer der Profis, zuvor viele Jahre im Jugendbereich Viktorias aktiv. Unter Keskin hat sich Viktoria in nur zwei Jahren zu einem Aufstiegsaspiranten entwickelt. Doch der gebürtige Berliner verlässt Viktoria zur neuen Saison, er geht zu Ligakonkurrent VSG Altglienicke.

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Das Sprungbrett in den Profifußball

Mit dem Keskin-Nachfolger soll der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden. Junge Spieler, aber vor allem Eigengewächse sollen Viktoria als Sprungbrett in den Profi-Fußball nutzen. "Es ist unser Ziel, pro Jahrgang mindestens drei Spieler zu haben, die den Weg in den Profifußball gehen", so Karajica. Im letzten Sommer wechselten Viktoria-Spieler in die 3. Liga Deutschlands, die zweite niederländische Liga oder auch ins Oberhaus der Türkei. Zur neuen Saison geht der 22-jährige Linksverteidiger Jonas Kühn zu Partnerklub Klagenfurt in die 1. Liga Österreichs. "Daran sieht man: Wir hinterlassen mittlerweile sogar ein bisschen Spuren im Profifußball", so Karajica.

Viktorias Plan ist es, in die Ausbildung zu investieren und so nach und nach ein Polster an Qualitätsspielern anzulegen. "Man sieht jetzt mit Platz drei und dem Pokalsieg in diesem Jahr, dass Ausbildungsverein nicht notgedrungen heißt, dass man gar keine Chance hat, in Richtung Profifußball zu gehen", so Karajica. "Dieser Weg mit den Spielern und der Entwicklung kann uns vermutlich nicht sofort, aber mittelfristig auch wieder Richtung 3. Liga führen, bringt uns aber gleichzeitig in eine Situation, Jahr für Jahr Spieler auf Toplevel zu entwickeln, die dann auch in den Profifußball gehen können."

Durch jene Transfergewinne und Ausbildungsentschädigungen würde Viktoria neue wirtschaftliche Erlösquellen erschließen, die zum Budget beitragen – und den Verein unabhängiger von Zuschüssen des Investors machen, der schließlich kein Mäzenatentum betreiben, sondern irgendwann Gewinn machen will.

Was will Viktoria sein?

Dafür besitzen Investor und Vereinsverantwortliche einen langen Atem. Karajica formuliert das ambitionierte Ziel, die "beste und nachhaltigste Nachwuchsarbeit im Berliner Raum", betreiben zu wollen. "Das ist ein Wort bei Hertha und ja auch Union, die da aktuell viel investieren", gibt er offen zu. Karajica bestärkt hierfür die wichtige Funktion von Identifikation. "Ich habe zum ersten Mal - nennen wir es nicht Ultras - aber Ultris, aus den anderen Jugendmannschaften am Rand gesehen, die der A-Mannschaft zugejubelt haben. Das gab es vor drei, vier Jahren nicht. Da entwickelt sich ein bisschen was. Das braucht Zeit. Vielleicht dauert das auch sehr lange. Aber es entsteht. Und diese soziale Bindung und Identifikation erreicht man natürlich, wenn man sich Vorbilder anguckt, die es geschafft haben. Die vielleicht im eigenen Verein noch vor fünf Jahren dort gespielt haben, wo man selbst ist. Als wenn man jetzt jemanden Fertigen, aus München oder aus Aue holt und dann da hineinsetzt. Daran glaube ich fest."

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