So feiern die türkischen und niederländischen Fans in Berlin
Die Niederlande stehen im EM-Halbfinale. Für die Oranje-Fans heißt es nun: Feiern! Dass sie das gut können, bewiesen sie schon vor dem Spiel. So wie auch die Tausenden Türkei-Fans in Berlin. Es war ein Tag in Orange und Rot-Weiß. Von Yasser Speck
In den Straßen Berlins dominierten am Samstagnachmittag drei Farben. Nein, nicht Schwarz-Rot-Gold. Rot-Weiß und Orange waren die Farben des Tages. Im Berliner Olympiastadion stieg das EM-Viertelfinale zwischen der Türkei und den Niederlanden.
Anpfiff war 21 Uhr. Klar also, dass sich die Fans der beiden Teams schon am Nachmittag trafen und kräftig vorfeierten.
Die Unterstützung von Präsident Erdogan auf der Tribüne hilft der Türkei im EM-Viertelfinale nicht. Trotzdem lobt der Staatschef die Mannschaft. Während der Nationalhymne vor dem Spiel zeigten viele Fans den sogenannten "Wolfsgruß".
Mit Optimismus und Magenproblemen
An Optimismus mangelt es den türkischen Fans definitiv nicht. Auch wenn die Niederlande als Favorit in dieses Viertelfinale gingen, träumten die Fans der rot-weißen am Samstagnachmittag noch vom EM-Titel. Einer von ihnen war Sinan. Auf dem Fanmarsch vor dem Spiel war sich der junge Mann schon siegessicher.
"Wenn wir es heute gegen die Niederlande schaffen, dann schaffen wir es auch im Finale." Dass nach einem Viertelfinale zwar erstmal noch das Halbfinale kommt, schien Sinan egal zu sein. Aber diese Rechnung ist einige Stunden später eh hinfällig: Die Türkei verliert gegen die Niederlande und ist raus. Nix mit Finale. Nicht alle sind so mutig wie Sinan und sprechen schon vom EM-Titel. Andere waren dann doch etwas aufgeregter als er.
Viertelfinale im Olympiastadion: Tausende niederländische und türkische Fußball-Fans waren am Samstag in Berlin unterwegs. Unser Liveblog können Sie hier nachlesen.
Kadir hat Glück gehabt und ein Ticket für das Spiel im Olympiastadion ergattert. Dass seine Mannschaft zum ersten Mal seit 2008 in einem EM-Viertelfinale steht, schlägt dem Berliner aber offenbar auf den Magen. "Ich habe keine Sekunde geschlafen und nix gegessen. Ich hoffe, es geht schnell vorbei, sodass ich wieder was essen kann", sagt Kadir.
Neben Kadir steht auch Betir am Eingang des Stadions. Er trägt ein weißes Türkei-Trikot. Um die Schultern hat er sich außerdem noch eine Türkeifahne gebunden. Er strahlt vom linken bis zum rechten Ohr, als er sagt: "Es ist etwas ganz Schönes. Es ist so, als ob einer von der Familie heiraten würde. So ein feeling ist das." Den türkischen Fans bedeutet dieses Viertelfinale unheimlich viel.
Kostümparade vor der Berliner Messe
Während der türkische Fan-Marsch durch Berlin zieht, feiern die in Orange gekleideten niederländischen Fans an der Messe Berlin. In der extra eingerichteten Fanzone zünden sie orangefarbene Bengalos, hüpfen von links nach rechts und erscheinen in ausgefallenen Kostümen.
Die Unterstützung von Präsident Erdogan auf der Tribüne hilft der Türkei im EM-Viertelfinale nicht. Trotzdem lobt der Staatschef die Mannschaft. Während der Nationalhymne vor dem Spiel zeigten viele Fans den sogenannten "Wolfsgruß".
Siegessicher sind sich die niederländischen Fans vor dem Spiel auch. Da nehmen sie sich nicht viel von den Fans der Türkei. "Das wird ein einfaches Spiel. 3:1", ist sich Max vor dem Spiel sicher. Einfach war der Abend sicherlich nicht für die Spieler in Orange. Sie laufen lange einem 1:0-Rückstand nach. Mit seinem Tipp liegt Max daneben. Aber nur knapp. Sein Freund Chris, der auch ein Oranje-Shirt trägt, hat den noch besseren Riecher. Er tippt 2:1 - und trifft damit exakt den späteren Endstand. In einer anderen Sache sind sich die beiden aber einig: "Wir genießen die Stadt. Es ist tolles Wetter und es gibt gutes Bier. Wir haben also Spaß."
Der Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan ist nicht von Erfolg gekrönt. Die Türkei verliert in Berlin das EM-Viertelfinale gegen die Niederlande, die sich für eine starke zweite Hälfte belohnen. "Der Wolfsgruß"-Eklat überlagert das Spiel.
Das Bier auf dem Fanfest scheint bei den niederländischen Fans Eindruck zu hinterlassen. Auch Tom ist schwer beeindruckt davon. "Es ist ein großes Fest hier. Alles ist Orange und es gibt viel Bier." Davon scheint er schon einiges gekostet zu haben. Tom trägt ein Retro-Trikot der Niederlande und eine Sport-Sonnenbrille. "Das ist grandios hier mit den Deutschen und den Holländern zusammen zu sein", fasst er zusammen.
Eine Geste löst Diskussionen aus
Die Feierlichkeiten der niederländischen Fans laufen reibungslos ab. Beim Fanmarsch hüpfen und laufen die in Orange gekleideten Fans problemlos zum Olympiastadion. Anders war das beim türkischen Fanmarsch. Der musste von der Polizei abgebrochen und aufgelöst werden. Der Grund: Immer wieder zeigten türkische Fans den sogenannten "Wolfsgruß".
Zum Ende des EM-Viertelfinales kommt es auf der Berliner Fanmeile zu Auseinandersetzungen zwischen türkischen und niederländischen Fans. Die Nacht nach dem Spiel im Berliner Olympiastadion ist jedoch friedlich verlaufen.
Der Gruß steht unter anderem für die ultranationalistische und rechtsradikale türkische Bewegung "Graue Wölfe". Der Wolfsgruß sei per se nicht verboten, aber dennoch eine politische Meinungskundgabe und die habe auf einem solchen Fanmarsch nichts zu suchen, sagte Polizeisprecherin Beate Ostertag dem rbb.
Die Diskussion rund um den Wolfsgruß nahm Mitte dieser Woche Fahrt auf, nachdem der türkische Spieler Merih Demiral den Gruß beim Achtelfinalspiel der Türkei zeigte. Demiral ist mittlerweile für zwei Spiele gesperrt worden. Beim Fanmarsch hatten viele der Türkei-Anhänger wenig Verständnis dafür. Immer wieder betonten sie, diese Geste sei nicht politisch gemeint.
So oder so: Der Fanmarsch wurde abgeblasen. Ein kleiner Dämpfer an diesem sonst so bunten und fröhlichen EM-Spieltag in Berlin.