Konflikt zwischen Verband und Klubs
Der Fußball-Landesverband Brandenburg hat für die anstehende Saison eine neue Sicherheitsrichtlinie erlassen, die von den Amateurvereinen stark kritisiert wird. Die Umsetzung dürfte am Geld scheitern – oder an der Kommunikation. Von Marc Schwitzky
"Ja, ich weiß, wir als Verband haben die Kommunikation zuletzt etwas vernachlässigt. Das wissen wir. Aber Vereine können auch auf uns zukommen – es muss nicht immer andersherum sein. Wenn es Fragen gibt, sind wir auskunftsbereit", führt Patrick Paulick, Vorsitzender des Ausschusses für Sicherheit beim Fußball-Landesverband Brandenburg aus.
Es folgt der Einschub von Mariko-Carolina Thermann, Spielerin und Vorstandsmitglied beim FSV Babelsberg 74, Frauen-Landesligist: "Also, meine Mail vom 29. Mai wurde noch immer nicht beantwortet." Paulick hakt nach, wohin Thermann die Mail denn gesendet habe und bekommt die unangenehme Antwort: "An Sie persönlich."
Womöglich reicht bereits dieser Dialog aus der Podiumsdiskussion vom 11. Juli beim Stammtisch von Antenne Brandenburg, um ein grundsätzliches Problem zwischen dem brandenburgischen Verband und seinen Vereinen aufzuzeigen: Es hakt in der Kommunikation. Anlass jener Diskussionsveranstaltung war die neue Sicherheitsrichtlinie des Verbandes, die ab kommender Saison greift und für viel Kritik seitens der Amateurvereine sorgt.
14 Seiten umfasst das Dokument, das ab der anstehenden Spielzeit die Sicherheit bei Partien in Brandenburg neu regeln soll. Der Ansatz war es, so Verbandsmitglied Paulick, die bislang fünf inhaltlich unterschiedlichen Sicherheitsrichtlinien zu einem einheitlichen Werk zusammenzulegen. Doch es kommt auch zu deutlichen Verschärfungen der Bestimmungen.
Grund dafür sind vermehrten Sicherheitsprobleme von Amateurspielen auf brandenburgischem Boden. In der Saison 2021/22 kam es trotz Corona-bedingtem Abbruch zu 80 Sicherheitsvorfällen und neun Spielabbrüchen. 2022/23 waren es sogar 150 Vorfälle und 15 Spielabbrüche. Durch Ordnerschulungen und konsequentere Blocktrennung konnten jene Zahlen in der abgelaufenen Saison abgeschwächt werden – die Grundproblematik bleibt aber.
Und so greift der Verband nun ein. Ab der kommenden Saison müssen Heim- und Gästezuschauer vollumfänglich getrennt werden. Sowohl diese Trennung als auch die Abschirmung des Spielfeldes zu den Zuschauenden soll durch nicht übersteigbare Zäune gelingen, die fest anzubringen sind. Der Blockzugang für die Fans der Gastmannschaft ist über einen separaten Zu- und Abgang zu gewährleisten. Zudem soll es in beiden Blöcken jeweils Toiletten und Kioske geben. Auch eine erhöhte Anzahl von Ordnern ist nun gefordert. Schiedsrichter und Spieler sollen fortan getrennt von den Zuschauern aufs Feld gelangen können.
"Mir fallen zwei bis drei Vereine in Brandenburg ein, die ein richtiges Stadion haben und sowas leisten können", merkt Babelsberg-Funktionärin und Spielerin Thermann an. Stellvertretend für viele weitere brandenburgische Amateurklubs ist sie der klaren Meinung, dass die neuen Sicherheitsbestimmungen die Grenzen des Machbaren sprengen. Es würden Geld und genug Ehrenamtler fehlen, um solch einen Sicherheitsapparat bei jedem Spiel zu gewährleisten.
"Wir sind uns alle einig, dass Richtlinien sowie Schutz für Fans, Spieler und Schiedsrichter geschaffen werden müssen", willigt Wilhelm Garn, Vorstandsmitglied von Achtligist Grün-Weiß Brieselang, ein. Aber: "Sie müssen die Anzahl in Relation zu möglichen Eskalationsebenen sehen. Ich glaube nicht, dass in unserem Rahmen solche Maßnahmen Sinn ergeben." Zumal die neuen Richtlinien besagen, "dass wir sie in der Landesebene selbst in unserer D-Jugend, die in die Landesklasse aufgestiegen ist, anwenden müssen. Einlasskontrollen, sechs bis acht Ordner – für ein Spiel von Elf- bis Dreizehnjährigen mit 20 Zuschauern."
Die Brandenburger Schiedsrichterin Katharina Kruse, die zudem Leiterin des Frauenfußballs beim Ludwigsfelder FC ist, erlebt und hört zwar von vielen schwierigen Sicherheitssituationen rund um lokale Amateurspiele, fügt jedoch an: "So ein Zaun hält kein Elternteil davon ab, eine Spielerin wüst zu beleidigen. Ich verstehe, dass man sich an bauliche Bestimmungen halten muss, aber das löst das Grundproblem nicht." Sie fordere viel eher mehr Präventionsarbeit als bauliche Absperrungen.
"Wir wissen, was die baulichen Ansprüche angeht, unsere Sicherheitsrichtlinie von 90 Prozent unserer Vereine nicht gewährleistet werden können", gesteht FLB-Mitglied Paulick ein. "Wir wissen aber auch, dass viele Vereine mit ihren kommunalen Trägern im Gespräch sind, um das gemeinsam zu erreichen." Die neuen Richtlinien würden sich vor allem an Neubauten richten. "Ich sage es klar: Wir werden keine Plätze sperren! Bei den neuen Plätzen, die gebaut werden, gilt kein Bestandsschutz mehr – da muss das Konzept umgesetzt werden."
Mit dem neuen Sicherheitskonzept würde, so Paulick, der Verband vordergründig erreichen wollen, das Versammlungsstättengesetz des Landes Brandenburg einzuhalten. Zudem habe der DFB bereits festgesetzt, dass ein Fußballplatz vom Zuschauerbereich sichtbar getrennt sein muss – hier würde der Landesverband nur Folge leisten. Bei Ordner-Thematik müsse eingegriffen werden, weil Ordner bei einigen Spielen gleichzeitig noch den Grill bedienen würden und Stadionsprecher wären, so Paulick. So könnten sie ihrer eigentlichen Aufgabe als Sicherheitskräfte – das zeigen auch die vielen Vorfälle – nicht nachkommen.
Sehr viele der neuen Bestimmungen wären ohnehin nur Empfehlungen – um eben die Amateurklubs nicht zu sehr belasten. "Ich kann ja nun nicht schreiben: 'Es wäre schön, wenn …' So haben wir uns für das Wort 'sollen' entschieden, um nicht schwammig zu sein. Wir brauchen einheitliche Rahmen für die Sicherheit", erklärt Paulick.
Das sorgt für Entrüstung und Verwirrung unter den Amateurklubs. "Wir als Verein haben die E-Mail mit den neuen Bestimmungen erhalten und erst einmal Panik geschoben, weil wir nicht wussten, was wir tun sollen. Gefühlt war es kein Sollen, sondern ein Müssen. Das ergibt für mich keinen Sinn", so Babelsbergerin Thermann. Da manche Regeln tatsächlich ein Muss sind, erscheint die Kommunikation des Verbandes alles andere als klar.
Das zeigt auch ein Beispiel von Brieselanger Garn: "Es steht erstmalig in der Verordnung drin, dass die Plätze vom Verband abgenommen werden. Des Weiteren steht drin, dass die Vereine am Ende einer Saison zusammen mit dem Besitzer des Platzes und den Ordnungskräften analysieren sollen, wo es Verbesserungen geben kann. Einen Satz weiter steht jedoch geschrieben, dass man jenes Protokoll zum Verband schicken muss. Soll man oder muss man?", fragt das Vorstandsmitglied seines Vereins. "Denken wir das weiter, kommt ein Verbandsvertreter mit einer Checkliste und überprüft, inwiefern der Platz den Richtlinien entspricht. Paragraf 24 sagt ganz klar aus, dass, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, die Spiellizenz entzogen werden kann."
Da aber nicht klar ist, was Vereine sollen und müssen, ist ihnen auch nicht klar, welche Bestimmungen unbedingt zu erfüllen sind, um den Spielbetrieb nicht zu gefährden.
"Wir kritisieren, dass es keine Ausnahmetatbestände gibt, man den großen und kleinen Verein über einen Kamm schert und die Vereine nicht miteinbezogen hat", so Garn deutlich. Tatsächlich gab es vor Erlassung der neuen Richtlinien kein persönliches Treffen von Verband und Vereinen. Paulick verweist hierzu nur auf eine generelle digitale Umfrage von 2020.
Hier scheint das Kernproblem zu liegen: Weniger die Sicherheitsbestimmungen an sich als vielmehr die Art und Weise, wie der Verband sie für Vereine unklar formuliert hat, sorgt für Kritik und Unverständnis. "Sie wissen, dass 90 Prozent der Vereine das nicht leisten können und schreiben es dennoch ohne weiteren Kommentar hinein", zeigt sich Thermann irritiert. Die anscheinend lückenhafte Kommunikation des Verbandes, die Paulick für die Vergangenheit selbst einräumte, hat bezüglich der neuen Sicherheitsbestimmungen mehr Panik und Missmut unter den Amateurklubs entstehen lassen als eigentlich notwendig.
Dass Vereinsvertretende auf solch einer Diskussionsveranstaltung erstmalig offene Fragen zu dieser Thematik von einem Verbandsmitglied beantwortet bekommen, ist jedenfalls kein gutes Zeichen für die Beziehung zwischen dem FLB und seinen Klubs.
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.07.2024, 15:30 Uhr
Beitrag von Marc Schwitzky
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