Trendsport Calisthenics
Pumpen im Freien: Calisthenics hat den urbanen Raum erobert und liegt in Großstädten wie Berlin im Trend. Worin liegt der Reiz? In welchen Bezirken ist der Sport besonders gefragt? Von Shea Westhoff
Für Calisthenics, also dem Training mit dem eigenen Körpergewicht, braucht es naturgemäß nicht viel. Vielleicht ist dieser Sport deswegen gerade so präsent im öffentlichen Raum, weil die Geräte robust und leicht bereitzustellen sind.
Eigentlich benötigt man nur Stangen und Haltegriffe, um Übungen zu absolvieren wie Klimmzüge oder Dip-Einheiten, bei denen man den Körper durchs Abstützen an der Stange hebt und senkt. Für viele andere Übungen – etwa Liegestütze, Kniebeugen, Ausfallschritte – braucht man aber nicht einmal das.
Für Denis Vitaliev geht der Kraft- und Beweglichtkeitssport weit über die infrastrukturellen Vorzüge hinaus. "Es sieht anders aus als normaler Fitness-Sport, weil turnerische Elemente enthalten sind. Und das zieht viele in den Bann", sagt der Berliner Calisthenics-Trainer.
Als Kind und Jugendlicher hat Vitaliev selbst geturnt. Das habe ihm ein Gefühl von Freiheit gegeben, "weil man gewisse Sachen umsetzen kann, die man in anderen Sportarten so nicht erlebt: das Gefühl von Anti-Gravity" - Schwerelosigkeit.
Dieses Merkmal entdeckt er auch beim Calisthenics-Sport: "Das ist für viele das Besondere, dass man sich wie ein Superheld fühlt, und sagen kann: 'Ich kann die Schwerkraft überwinden, wenn ich mit dem Körper diese oder jene Übung mache'". Zudem seien viele Übungen niederschwellig und könnten "von verschiedenen Altersgruppen und Menschen mit Handicap" umgesetzt werden.
Dem wachsenden Interesse an Calisthenics trug erstmals vor knapp zehn Jahren ein Berliner Bezirk Rechnung. Der Bezirk Berlin-Mitte habe laut Vitaliev im Jahr 2015 am Poststadion in Moabit die erste öffentliche Calistenics-Anlage errichtet. Seitdem sind einige hinzugekommen.
Dass diese Sportart gerade im Kommen ist, das geht auch aus der Antwort des Bezirks Tempelhof-Schöneberg auf eine Anfrage hervor. Dort wurden zwischen 2018 und 2021 an vier Standorten (Großgörschenstraße, Alarichplatz, Cheruskerpark, Annedore-Leber-Park) etwa mit Liegestütz-Stationen, Barren, Reckstangen und Hangelleitern Calisthenics-Möglichkeiten aufgebaut. Die Nutzung der Geräte sei "sehr stark", heißt es.
Auch im Bezirk Neukölln, wo neben den acht bestehenden Anlagen fünf weitere neu gebautwerden sollen oder als Erweiterung in Planung sind, beobachte man "ein starkes Interesse und eine konstante Auslastung" der bestehenden Anlagen. Und fünf neue Anlagen errichtete der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zwischen 2018 und 2024.
Die Kosten beziffern die Bezirke, je nach Umfang der Anlage, auf 15.000 Euro bis in den unteren sechsstelligen Bereich.
In Mitte ist der Sport offenbar besonders gefragt. Dort gibt es 17 Calisthenics-Anlagen, die zur öffentlichen Nutzung bereitstehen - etwa im Monbijou-Park, der zwischen den belebten Hotspots Friedrichstraße und Hackescher Markt liegt. Calisthenics spiele sich dort ab, wo was los ist: "Man will halt auch gesehen werden", sagt Vitaliev. "Wir sind soziale Wesen. Für viele ist es wichtig, nicht allein zu trainieren, sondern in der Gemeinschaft."
Für Vitaliev ist Calisthenics schon lange mehr als ein Trend oder Hype. Er träumt davon, dass die Sportart einmal olympisch wird. "Von vielen Leuten, die in der Szene eine gewisse Wirkung haben, ist es das Ziel, Calisthenics zu Olympia zu bringen."
Abwegig klingt es nicht: Mit Breakdance ("Breaking") hat es gerade erst eine urbane Sportart geschafft, Eingang in den olympischen Kanon zu finden.
Beitrag von Shea Westhoff
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