rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport
Video: Brandenburg Aktuell | 9.7.2024 | Quelle: imago images/Werner Schulze

Ausstellung in Potsdam

"Man wollte keine westliche Fan-Kultur in den Fußballstadien der DDR"

In Potsdam startet in dieser Woche eine Foto-Ausstellung rund um die Fußball-Kultur in der DDR. Im Interview erklärt Kurator René Wiese, warum sowohl Fans als auch Spieler unter besonderer Beobachtung des Regimes standen.

rbb|24: Herr Wiese, am Dienstag startet auf dem Alten Markt in Potsdam die Fotoausstellung "Im Objektiv der Staatsmacht". Was gibt es dort für Besucherinnen und Besucher zu sehen?

René Wiese: Wir haben 2015 im Rahmen eines DFB-Projekts zur Fußball-Geschichte der DDR bei der Recherche sehr viele Fotos entdeckt. Das waren größtenteils Aufnahmen, die von der Volkspolizei und vom Ministerium für Staatssicherheit gemacht wurden, welche für die Kontrolle und Überwachung der Fans zuständig waren. Für uns war es ein historischer Schatz, dass man diese Geschichte auch mal aus der Linse der Staatsmacht betrachten kann. Das haben wir nun in eine kommentierte Foto-Ausstellung gegossen und versuchen dort klarzumachen, wen die Stasi und Volkspolizei im Auge hatten. Das waren Fanklubs, einzelne Fans, aber auch einige Spieler.

Info

Warum haben die DDR-Behörden Fußballfans so genau überwacht?

Es ging zum einen darum, das zu unterbinden, was in den 70er Jahren überall in Europa im Fußball grassierte – nämlich Gewalt und Zerstörung. Man erinnert sich ja noch an die großen Katastrophen von Heysel und Hillsborough. Das war auch in Ostdeutschland präsent und man wollte so etwas in den DDR-Stadien unbedingt verhindern.

In der Diktatur gab es aber auch noch eine andere Perspektive: Man wollte auch keine westliche Fan-Kultur in den Stadien haben. Deshalb ist das Ministerium für Staatssicherheit aktiv geworden und hat diese Subkultur - genauso wie kirchliche Gruppen, Skinheads oder Punks - unter die Lupe genommen. Das hat man im Stadion, aber auch im Umfeld und der Innenstadt gemacht.

Wie berechtigt waren denn diese "Sorgen"? Unterschied sich die DDR-Fankultur von der westlichen?

Grundsätzlich gab es da schon große Ähnlichkeiten. Das ist auch klar, weil die DDR-Fans natürlich auch West-Fernsehen gucken konnten. Bei bestimmten Europapokal-Begegnungen der DDR-Spitzenteams hatte man auch Kontakt mit Fans aus dem Ausland. Und man hat Welt- und Europameisterschaften verfolgt und gesehen, wie dort Fan-Kultur ablief, wie man sich kleidete, welche Fahnen und Transparente eine Rolle spielten und welche Gesänge es gab. Dementsprechend war das in der DDR sehr ähnlich. Genau das war aber auch der Grund, warum die Stasi aktiv wurde. Denn diese Fan-Kultur galt als starke Verherrlichung von westlicher Kultur. Und das wurde rigoros bekämpft.

Ein zweiter Punkt war, dass nach westlichem Vorbild auch Fanklubs entstanden, in denen sich Fans zusammentaten und sich eigene Namen gaben – und allein das war der SED ein Dorn im Auge. Die hießen dann Preußen, Borussia oder Fortuna. Wir haben Fotos, bei denen die Stasi auf genau diese Zaunfahnen raufzoomte. Sport und Vereinskultur konnte in der DDR nur in sehr bestimmten Rahmen stattfinden. Es ging also eigentlich gar nicht, dass sich diese Klubs selbst gründeten. Die Fanklubs wurden also anhand dieser Fotos erst einmal identifiziert und dann hat man versucht, die Leute namentlich zu erkennen und dementsprechend auch zu verfolgen.

Schlager

Wie zwei Berliner aus West und Ost den Sound der Fußball-WM vor 50 Jahren prägten

Als bei der Fußball-WM 1974 die BRD und die DDR aufeinandertrafen, war das nicht nur sportlich ein Prestigeduell. Es gab auch eine Art Schlager-Wettbewerb. Jack White und Frank Schöbel mischten dabei an vorderster Stelle mit. Von Gunnar Leue

Teil der Ausstellung ist aber auch, dass es durchaus gewaltbereite und rechtsradikale Fans gab. Die DDR setzte sich viel mit rechten Hooligans auseinander, die nicht in das propagierte Bild vom Antifaschismus passten.

Waren sich die Fans bewusst, dass sie unter genauer Beobachtung standen?

Anfänglich nicht. Aber wir haben auch Fotos gefunden, wo zu sehen ist, dass Fans ihre Hände schützend vors Gesicht oder die Augen legten. Offensichtlich ist also irgendwann durchgesickert, dass einige Fotografen im Stadion für die Stasi tätig waren und haben sich geschützt. Viele Fotos sind aber auch verdeckt gemacht worden. Insbesondere in der Innenstadt. Das betraf vor allem DDR-Fans, die sich mit westdeutschen Fangruppen treffen wollten, zum Beispiel bei den deutsch-deutschen Europapokalspielen. Da haben wir eine ganze Reihe Fotos gefunden, die aussehen wie bei James Bond und mit einer Knopflochkamera gemacht wurden.

Wie ging es nach den Fotos weiter?

Die Fotos waren der erste Schritt und dienten der Dokumentation. Im nächsten Schritt hat man dann versucht, inoffizielle Mitarbeiter in die Szenen einzuschleusen. Wie wir den Akten entnehmen konnten, geschah das manchmal auch auf repressive Art und Weise, weil eben einige Fans auch sehr stark gewaltbereit waren.

Sie sagten zu Beginn, dass nicht nur Fans, sondern auch einige Spieler ins Visier der Staatssicherheit geraten sind. Was hat es damit auf sich?

Wir haben zwei Sektionen innerhalb der Ausstellung, die sich mit geflüchteten Fußballern beschäftigten. Für viele ist das Thema relativ unbekannt und es ist spannend zu sehen, dass die Stasi auch einen langen Arm bis in die Bundesrepublik hinein hatte und populäre Bundesliga-Fußballer wie Norbert Nachtweih, Dirk Schlegel oder Falko Götz beobachtet hat. Da hat die Stasi ganz minutiös dokumentiert und fast schon eine Art Stadtplan angelegt, damit man genau wusste, wo die Spieler wohnen und welche Wege sie zur Arbeit benutzen. Auch das gibt es in der Ausstellung zu sehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport

Sendung: Brandenburg Aktuell, 9.7.2024, 19:30 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen