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Quelle: IMAGO / USA TODAY Network

Refugee-Olympic-Team

Traum von Boxer Ahmadisafa aus Berlin platzt in der Vorrunde

Kickbox-Weltmeister, Sieger der Asian-Games, mehrfacher iranischer Meister: Als Omid Ahmadisafa 2021 nach Deutschland flüchtete, blieb sein Box-Talent nicht unbemerkt. Zuletzt trainierte er in Berlin und schaffte es ins Refugee-Olympic-Team. In Paris aber scheiterte er. Von Jette John

Für die Verlierer - für diejenigen, die keine Medaillen gewinnen - ist die Mixed Zone meist der letzte offizielle Ort, um sich, ihren Wettkampf und ihre Enttäuschung öffentlich zu erklären. So stand der iranische Boxer Omid Ahmadisafa am Sonntagvormittag dort, wo ein paar Journalisten hinter Zwischentüren und schwarzen Vorhängen der Arena Paris-Nord von ihm wissen wollten, was er denke: nach seinem frühen Aus bei den Olympischen Spielen in Paris.

Ahmadisafas Gedanken waren durcheinander. Seine Gefühle auch. "Ich bin stolz, dass ich es zu Olympia geschafft habe. Es war mein Traum, hier zu sein. Ich war 100 Prozent bereit", sagte er nach der einstimmigen Punktniederlage gegen den US-Amerikaner Roscoe Hill in der Vorrunde der Gewichtsklasse bis 52 Kilogramm. Er knetete seinen Mundschutz zwischen den noch immer bandagierten Händen. Seine Augen sahen traurig aus.

Sein Berliner Trainer Ralf Dickert stand wie ein Beschützer neben dem 1,67 Meter großen Fliegengewichtskämpfer, den er zuletzt mehr als ein Jahr lang intensiv betreut hatte. "Ich bin bestürzt, dass ich meinen Trainer enttäuscht habe und alle anderen, die erwartet haben, dass ich gewinne", fuhr Ahmadisafa fort. "Ich weiß nicht, warum ich verloren habe. Ich bin ratlos – und glücklich, weil die Menschen in der Halle Omid, Omid, Omid gerufen haben."

Quelle: imago-images/Norbert Schmidt

Trainer Dickert glaubte an Medaille

Das war tatsächlich so in der dunklen Arena Paris-Nord, in deren Mitte nur der Boxring durch Scheinwerfer angestrahlt wurde. Als der Hallensprecher den Mann in rotem Trikot und gelben Turnschuhen vorstellte, jubelten die Zuschauer. Ahmadisafa trat in Paris für das Olympische Flüchtlingsteam an.

Er tänzelte auf einem Bein in den Ring, gab Trainer Dickert die Hand. Der hatte im Vorfeld gesagt: "Omid ist schon ein älterer Athlet. Er hat die Weltklasse im Sparring gehabt und gut ausgesehen. Wir hoffen auf eine Medaille. Wenn er die Nerven behält, kann er das schaffen."

Medaillen-Chancen in Paris

Der Olympia-Zeitplan für Berlin und Brandenburg

Für insgesamt 428 deutsche Athletinnen und Athleten geht es bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris um Medaillen. Nicht wenige von ihnen kommen aus Berlin und Brandenburg und haben die Chance, in ihrer Sportart am Ende ganz oben zu stehen.

Ahmadisafa, 31, aus Karadsch im Iran verlor die erste Runde gegen den WM-Zweiten Hill klar. In der zweiten Runde war er der Aktivere, boxte besser, startete Angriffe, schlug Kombinationen, dachte daran, was Dickert ihm gesagt hatte: "Omid, sei ein Tiger. Schleich dich an. Pack zu. Spring nicht wie ein Känguru in den Kampf." Doch sein Gegner war schnell, leichtfüßig, konterte.

Ein Traum geht in Erfüllung

Während aus einer Ecke die Mitglieder des US-Teams ihren Boxer mit "USA"-Rufen anfeuerten, schlug sich das Gros der Halle auf Ahmadisafas Seite. "Omid, Omid", riefen die Zuschauer. Sie konnten schwerlich "ROT" rufen, "Refugee Olympic Team", wie es auf dem Schild stand, hinter dem Ahmadisafa in die Arena gekommen war. Und auch nicht EOR (Equipe Olympique des Refugies), wie es in französischer Sprache auf seinem Trikot-Rücken stand. Omid Ahmadisafa trat in Paris nicht für ein Land an, sondern für seinen Traum. Seinen Olympiatraum.

Im Iran war er zunächst als Kickboxer erfolgreich, wurde drei Mal Weltmeister, gewann die Asian Games, war mehrfacher iranischer Meister. Erst vor wenigen Jahren wechselte er zum olympischen Boxen.

Die Qualifikation für die Sommerspiele in Tokio verpasste er nach einer Niederlage gegen einen Australier. Ahmadisafa spricht von einem Skandalurteil. Wer das nicht glaube, der könne den Kampf gerne auf Youtube anschauen, empfiehlt er und sagt: "Boxen ist auch Politik." Mit Olympia hatte er seither noch eine Rechnung offen.

Beginn der Boxkarriere in Deutschland

Im kampfsportbegeisterten Iran war Ahmadisafa durchaus populär. Dennoch verließ er bei einem Turnier in Italien im November 2021 über Nacht das Teamhotel – und kehrte nicht zurück. Vorangegangen war ein Social-Media-Beitrag, auf dem der Boxer ein Gruppenfoto der Wettkämpfer gepostet hatte. Unter all den Turnierteilnehmern war auch ein israelischer Sportler auf dem Bild zu sehen, mit Flagge. Ahmadisafa wurde zur Rede gestellt, es gab Kontroversen. Der Athlet ahnte, dass er noch größere Probleme bekommen könnte.

Er flüchtete nach Deutschland. Einen Pass hatte er nicht dabei. Er landete schließlich in Nürnberg beim 1. ASC, wo seine boxerische Klasse sofort auffiel. Ahmadisafa entschied sich irgendwann, zu Ralf Dickert an den Bundesstützpunkt Berlin zu wechseln – auch weil er dort im Boxer Murat Yildirim einen Freund gefunden hatte. Er zog ins Haus der Athleten in Hohenschönhausen, trainierte im Gym an der Paul-Heyse-Straße und wurde Deutscher Meister im Bantamgewicht.

Die Zukunft ist unklar

Nachdem er im August 2023 ein Stipendium der "Olympic Refuge Foundation" bekommen hatte, machte er zwei Monate später beim Cologne Cup mit einem Sieg gegen den britischen EM-Zweiten Kiaran MacDonald von sich reden. Zuletzt war er mit dem Nationalteam bei den Trainingslagern des Deutschen Boxsport-Verbandes in Kienbaum, in Thailand und Saarbrücken unterwegs und von Dickert kaum zu bremsen.

Seine Frau Fatima, die erst Anfang dieses Jahres aus dem Iran nachkommen konnte, sah er kaum. Er hatte ja nur dieses Ziel: Olympia in Paris. Als er schließlich für das Olympische Flüchtlingsteam nominiert wurde, weinte er vor Freude. "Das IOC hat mir meinen Traum ermöglicht", jubelte Ahmadisafa.

Der Traum endete am Sonntag nach dem ersten Kampf gegen Roscoe Hill im Pariser Vorort Villepinte früher als erhofft.

Ob sich Ahmadisafa noch mal einen Olympiazyklus lang schindet? Ob er weiter in Berlin trainieren wird? Alles noch unklar.

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"Kein Problem zwischen uns normalen Menschen"

In der Mixed Zone hinter den schwarzen Vorhängen der Arena Paris-Nord fragte ein Reporter aus Los Angeles Ahmadisafa, was es für ihn bedeute, als ein Mann aus dem Iran ausgerechnet gegen einen Amerikaner verloren zu haben. Die Übersetzerin stockte und schien zu überlegen, ob sie solch eine politisch aufgeladene Frage überhaupt übersetzen dürfe. Sie tat es.

Ahmadisafa antwortete: "Das hier ist ein internationaler Wettkampf. Wir sind als Sportler für den Sport hier. Es gibt kein Problem zwischen uns normalen Menschen. Das Problem gibt es irgendwo auf höherer Ebene." Der Reporter aus Los Angeles nickte.

Dann trat Ahmadisafa ein paar Schritte zurück, um mit seinem Trainer für den Olympia-Fotografen ein letztes Mal vor dem schwarzen Vorhang zu posieren. Er zeigte tapfer seine bandagierten Fäuste. Er hatte sich einen Traum erfüllt. Natürlich. Und doch schossen ihm Tränen der Enttäuschung in die Augen, während er zusammen mit Ralf Dickert die Olympiabühne in Richtung Kabine verließ.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.07.2024, 9:20 Uhr

Beitrag von Jette John

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