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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 18.07.2024 | Christina Rubarth | Quelle: rbb

Queer im Sportverein

Schwimmen gegen den Strom

Sport ist gesund und gut für die Psyche - eigentlich. Viele queere Menschen aber erleben Anfeindungen beim Sport. Was können Vereine tun, um sie besser zu miteinzubeziehen? Von Yasser Speck  

Es sind über 30 Grad in Potsdam-Babelsberg, und Dirk Lamm freut sich auf eine Abkühlung. Der 45-Jährige ist leidenschaftlicher Schwimmer. Er lebt in Potsdam und könnte dort in einen Schwimmverein eintreten. Aber das tut er nicht. In seiner Heimatstadt gibt es für ihn als schwulen Mann keinen Verein, der für ihn in Frage kommt, sagt er. Also pendelt er zum Schwimmtraining nach Berlin-Kreuzberg. Eine Stunde Fahrt - pro Weg.

"Bedauere schon, dass es solche Angebote in Brandenburg nicht gibt": Der Potsdamer Dirk Lamm. | Quelle: rbb

Keine queeren Sportvereine in Potsdam

Lamm setzt sich in der Brandenburger SPD für queere Themen ein. "Ich bedauere schon, dass es solche Angebote in Brandenburg nicht gibt", sagt er. Menschen verschiedener sexueller Identitäten hätten keinen geschützten Raum, um gemeinsam Sport zu treiben. "Gerade beim Schwimmen ist man sehr schutzlos. Man ist quasi nackt. Das macht einen sehr verletzlich und wenn dann blöde Sprüche kommen, ist das umso verletzender."

Damit ihm das nicht passiert, trainiert er seit über zehn Jahren beim Berliner Sportverein Vorspiel. Der richtet sich explizit an queere Menschen und bietet neben dem Schwimmen noch rund 35 weitere Sportarten an. "Ich fahre nach Berlin, weil ich dort unter Gleichgesinnten bin", sagt Dirk Lamm. Bei Vorspiel dürften alle so sein, wie sie sind. Niemand müsse seine Sexualität verstecken. "Keiner stellt böse Fragen, außer halt: Wie geht's dir und was hast du am Wochenende gemacht? Vorspiel ist für mich ein Stück Familie."

Hintergrund

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Viele Hürden bei der Vereinssuche für queere Menschen

Für viele Menschen ist es nicht leicht, den perfekten Sportverein zu finden – oft suchen sie eine Weile, bis sich das Gefühl einstellt: Hier passt es für mich. Für manche queere Menschen kommen noch Hindernisse hinzu. In vielen Turnhallen oder Sportplätzen fehlen Umkleidekabinen für die, die sich weder als Frau noch als Mann identifizieren. Genauso sieht es bei der Toiletten-Situation aus. Oft gibt es in Umkleidekabinen nicht mal abgetrennte, nicht-einsehbare Umkleidekabinen.

Es können aber auch Mitspielerinnen und Mitspieler zum Problem werden. Überall, wo Menschen zusammenkommen, passieren auch Diskriminierungen. Der Faktor Mensch spielt eine große Rolle bei der Vereinswahl. Wie ist die Stimmung in der Kabine? Wie offen sind die Mitspieler*innen?

Körperliche Angriffe auf queere Menschen beim Sport

Weshalb solche geschützten Räume für queere Menschen wichtig sind, zeigt eine Studie der Sporthochschule Köln von 2023 [fairplay.or.at (englisch)]. Knapp die Hälfte der Befragten gab darin an, sexistische Sprüche beim Sporttreiben mitbekommen zu haben - und fast ein Drittel homofeindliche Sprüche. Jede zehnte befragte Person erlebte außerdem persönliche Diskriminierungen. Das reichte von Beschimpfungen aufgrund der sexuellen Orientierung, über unfaire Behandlung bis hin zu körperlichen Angriffen.

Nicht-binäre Personen sind dabei die am meisten gefährdete Gruppe, wenn es um negative Erfahrungen im organisierten Sport geht, gefolgt von Personen mit queerer Identität und Trans*frauen. In den allermeisten Fällen (über 90 Prozent) werden Vorfälle gegen queere Menschen nicht gemeldet, wie eine andere Studie der Kölner Sporthochschule aus 2019 zeigt [cdn.dosb.de]. Oft fehle es an Anlaufstellen für solche Beschwerden, sagt Alice Drouin vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), die dort den Bereich Sport leitet.

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Oft können schon kleine Maßnahmen helfen, um das Klima zu ändern

Drouin kritisiert das, sie fordert eine zentrale Anlaufstelle für diese Fälle. "Diese Mittel könnten beispielsweise vom Senat bereitgestellt werden", so Drouin. Auf Nachfrage, ob die Senatssportverwaltung eine solche Stelle plane, hieß es schriftlich: "Die Forderung des LSVD Berlin-Brandenburg ist neu und uns bislang nicht bekannt. Wir kennen die darin beschriebenen Inhalte nicht. Daher können wir uns derzeit dazu nicht äußern." Um die Situation für queere Menschen in Sportvereinen zu verbessern, nimmt Alice Drouin vom LSVD aber auch die Verbände in die Pflicht.

"Die Verbände sollten als Teil ihres Lehrplans für die Qualifizierung von Trainer*innen, Übungsleiter*innen und Schiedsrichter*innen Module zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Sport aufnehmen", fordert sie. Es gehe darum, Trainer*innen und Betreuer*innen besser zu sensibilisieren und aufzuklären. Außerdem fordert sie die Vereine auf, sich selbst kritisch zu prüfen: "Sind sie wirklich so offen und queer-freundlich, wie sie selbst denken?". Oft könnten kleine Maßnahmen und Aktionen schon helfen, dass sich queere Menschen willkommener fühlen. Ein Beispiel dafür findet man beim Basketball der TU Berlin.

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Basketball und Pronomen

Lisa Schubert arbeitet im Gleichstellungsbüro der Technischen Universität und sie ist Basketballtrainerin für eine Flinta-Sportgruppe. Flinta ist ein Akronym und steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche Menschen, non-binär, transgender und agender. "Ich starte jedes Training mit einer Namens- und Pronomen-Runde. Und das möglichst jede Woche, weil sich Geschlechtsidentitäten auch von Tag zu Tag ändern können", sagt sie. Die Namen und Pronomen können die Teilnehmenden dann auf ein Kreppband schreiben und es sich auf das Trikot kleben. "So kann man es vermeiden, dass sich Leute innerhalb des Trainings gegenseitig falsch ansprechen", erklärt sie.

Außerdem schickt sie den Teilnehmenden vorab eine Mail, in der sie erklärt, wie die Toiletten- und Umkleidesituation ist. Oft gibt es nur Männer- oder Frauenumkleiden. Daran kann sie nichts ändern, aber sie kann die Teilnehmenden mit der Mail darauf vorbereiten. Ähnlich inklusiv geht es bei Dirk Lamms Schwimmverein Vorspiel zu.

Dirk Lamm unterwegs zum Training - er hofft noch auf viele weitere Fahrten nach Kreuzberg. | Quelle: rbb

Eine Gemeinschaft, die stärkt

Neben der willkommenen Abkühlung im Becken, schätzt er auch die Atmosphäre beim Training. "Es gibt mir Kraft, nicht allein zu sein. Hier bin ich ich-selbst. Hier kann ich für meine sexuelle Identität nicht diskriminiert werden", sagt er. Das Thema Sexualität würde beim Training keine Rolle spielen. Deshalb sei die Atmosphäre so entspannt.

Diese Offenheit wünscht sich der Schwimmer auch von anderen Vereinen. Sie sollten es zum Thema machen, dass es zehn Prozent der Menschen gebe, "die vielleicht nicht nur heterosexuell sind." Die Vereine sollten diese Menschen gezielt ansprechen, sagt Dirk Lamm. Er hat seinen Verein gefunden. Trotz des weiten Weges wird er weiterhin zum Schwimmen von Potsdam nach Berlin pendeln.

 

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.07.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Yasser Speck

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