Olympische Spiele
Seit 2012 standen die deutschen Volleyballer nicht mehr auf olympischen Boden. Für die Spiele in Paris hat es wieder geklappt – auch dank voller Berliner Durchschlagskraft. Ruben Schott und Johannes Tille über Vorfreude und frühe Wecker. Von Lynn Kraemer
Mit nichts als dem olympischen Maskottchen bedeckt, brüllten die deutschen Volleyballer im Oktober in die Kamera. Das breite Dauergrinsen von Phryge, dem roten Plüschkuscheltier, das gute Laune bei den Olympischen Spielen in Paris verbreiten soll, wirkte fast schon zu klein, um mit den Jubelschreien von Johannes Tille und seinen Mitspielern mitzuhalten. Sechs Siege aus sechs Spielen. Die Feier nach dem ersten Platz beim Qualifikationsturnier in Rio de Janeiro hatten sie zu diesem Zeitpunkt schon in die Umkleidekabine und Dusche verlegt.
1972, 2008, 2012 und 2024. Erst zum vierten Mal sind die deutschen Volleyballer bei den Olympischen Spielen dabei. Entsprechend groß ist die Freude bei BR Volleys-Kapitän Ruben Schott und Zuspieler Johannes Tille, dass sie Ende Juni final in den Olympiakader berufen wurden und in Paris dabei sind. "Durch die Nominierung hat man so ein bisschen Gewissheit. Der Fokus war zwar vorher auch schon da, aber jetzt merkt man so richtig, dass es jetzt einfach losgeht", sagt Ruben Schott im Gespräch mit dem rbb beim Sommerfest des Olympischen Trainingszentrums Kienbaum.
Aus dem Rio-Team haben es alle Spieler außer Außenangreifer Erik Röhrs, der sich im Juni wegen des Thoracic-Outlet-Syndroms einer Operation unterziehen musste, in den Kader geschafft. Viele von ihnen haben Hauptstadt-Bezug: Neben Ruben Schott ist auch Christian Fromm gebürtiger Berliner. Dazu spielte der halbe Kader im Laufe der Karriere für das Ausbildungsteam des VC Olympia Berlin oder für die BR Volleys. Für die kommende Saison stehen neben Schott und Tille auch Mittelblocker Tobias Krick und Außenangreifer Moritz Reichert beim Rekordmeister unter Vertrag.
Die Volleyballer kommen direkt von der offiziellen Einkleidung in Düsseldorf. Mit einer Packliste ausgestattet, füllten sie dort beide jeweils zwei Taschen voll mit Trainingsjacken, Shirts und Hosen in Schwarz-Rot-Gold. "Ich finde die Kleidung super. Es ist schon fast traurig, dass wir die jetzt erst in Paris bekommen und jetzt zu Gesicht bekommen haben", sagt Johannes Tille.
Das Gepäck wird vom Organisationsteam gesammelt nach Frankreich geschickt. Die Sportlerinnen und Sportler sollen sich auf die finale Vorbereitung konzentrieren. Für die deutschen Volleyballer bedeutet das eine Woche Trainingslager in Kienbaum, ein kurzes Turnier in Polen und abschließend ein Lehrgang im französischen Metz mit zwei Testspielen gegen Brasilien. Nach wechselnden Aufstellungen in der Nations League muss sich Bundestrainer Michal Winiarski final für seine Starter entscheiden.
Zuletzt zogen Schott und Tille öfter den Kürzeren. Im letzten Spiel der Nations League begann der Trainer mit Lukas Kampa, Georg Grozer, Moritz Reichert, Tobias Brand, Tobias Krick, Lukas Maase und Julian Zengler.
Das bislang beste Olympia-Ergebnis gelang den Volleyballern 2012 in London. Damals wurden sie Fünfter. Diagonalangreifer Georg Grozer und Zuspieler Lukas Kampa stehen zwölf Jahre später wieder im Kader. Der 37-jährige Kampa übernimmt die Aufgabe des Kapitäns. Ihre Teamkollegen sind allesamt Olympia-Neulinge. "Aufgeregt bin ich jetzt noch nicht, aber das wird sicher noch kommen", sagt Schott. Er sei einfach stolz und dankbar, "weil es schon ein großes Privileg ist. Viele Sportler werden das wahrscheinlich niemals schaffen. Die hauen da alles rein und am Ende schaffen es halt nur ganz Wenige."
Besonders bitter: Die schillernde Eröffnungsfeier wird das Team voraussichtlich verpassen. Wenn die Spiele am 26. Juli offiziell mit einer großen Zeremonie auf und an der Seine eröffnet werden, liegen die Volleyballer schon im Bett. Das erste Spiel gegen Japan wurde ausgerechnet auf 9 Uhr am nächsten Morgen gelegt. "Ich habe mich sehr darauf gefreut. Für mich macht das Olympia besonders. Aber ich glaube, wir als Spieler haben da nicht wirklich eine Wahl. Der Trainer hat bisher gemeint, dass es wahrscheinlich eher nichts wird", sagt Johannes Tille.
In der Gruppenphase trifft Deutschland neben Japan auf die USA und Argentinien. Ruben Schott ist mit der Gruppenkonstellation zufrieden. Denn: "Bei Olympia gibt es keine leichten Lose." Statt Argentinien hätte auch Brasilien in Gruppe C gelost werden können. "Ich habe mir die Auslosung live von der Couch angeschaut. Und ich habe wirklich bei jedem Gegner vorher gesagt: 'bitte dieses Team jetzt'. Und das Team ist dann auch geworden", verrät der 30-Jährige.
Alle drei Teams stehen vor Deutschland in der Weltrangliste und konnten sich bei den letzten Aufeinandertreffen in der Nations League durchsetzen. Für Schott ist das kein Grund zur Beunruhigung: "Es wird nicht leicht. Aber sowohl wir als auch die anderen Teams waren in der Nations League natürlich nicht bei 100 Prozent." Die wolle man erst in Paris erreichen: "Ich weiß und bin mir sicher, dass wir auf jeden Fall noch sehr viel Potenzial haben."
Sollte die Nationalmannschaft das gleiche Level wie in Rio abrufen können, wäre ein Einzug in die die K.o.-Runde durchaus realistisch. Nicht nur die Gruppenersten und -zweiten, sondern auch die beiden besten Dritten schaffen es in die zweite Turnierphase.
Doch dabei soll es nicht bleiben: "Das Ziel für uns wäre eine Medaille. Es ist auch der Traum von uns allen. Deswegen werden wir unsere Ziele nicht niedriger stecken", so Johannes Tille. Sein Mitspieler stimmt ihm zu: "Eine Medaille wäre natürlich toll. Und ich hoffe trotzdem, dass wir das Ganze drumherum ein bisschen genießen können. Wer weiß, ob wir es vielleicht überhaupt nochmal schaffen werden. Von daher hoffe ich einfach, dass wir alles aufsaugen können."
Eine Medaille würde auch über die verpasste Eröffnungszeremonie hinwegtrösten. Denn das Finalspiel ist zeitlich so gelegt, dass die Volleyballer am nächsten Tag mit ihren Medaillen um den Hals an der Abschlusszeremonie teilnehmen könnten.
Sendung: rbb24 Inforadio
Beitrag von Lynn Kraemer
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