Olympiasieg in Paris
Bei den Olympischen Spielen in Paris standen die deutschen Frauen im 3x3-Basketball ganz oben auf dem Treppchen. Doch zuhause in Deutschland ist die Sportart für viele noch Neuland. Das soll sich in Berlin und Brandenburg ändern. Von Lukas Witte
Mit leuchtenden Augen streckte Basketball-Legende Dirk Nowitzki die Hände in den Himmel von Paris. An diesem Abend des 5. August war er auf dem Place de la Concorde Zeuge eines Stücks deutscher Sportgeschichte geworden. Mit 17:16 schlug das Team aus Sonja Greinacher, Elisa Mevius, Marie Reichert und Svenja Brunckhorst die Spanierinnen im Finale des 3x3-Turniers, holte Gold und damit die erste deutsche olympische Medaille im Basketball überhaupt.
Es war ein Erfolg, mit dem wohl kaum einer gerechnet hätte. Auch Svenja Brunckhorst noch nicht, als sie 2019 erstmals vom Deutschen Basketball-Bund (DBB) gefragt wurde, ob sie Teil des 3x3-Nationalteams werden möchte. "Wir hatten alle gar keine Ahnung von 3x3 und haben es immer als Start-up bezeichnet. Es gab gar keine Strukturen", berichtet sie. "Der Olympiasieg kam gefühlt fünf Schritte zu früh, denn wir befinden uns in Deutschland immer noch am Anfang des Startups."
Durch den – wie sie sagt – größten Moment ihrer Karriere erhofft sie sich, das nun zu ändern und für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen, denn so wie Brunckhorst geht es wohl vielen Menschen. Während sich die altbekannte Form des Basketballs – das Fünf-gegen-Fünf auf dem Großfeld in einer Halle – spätestens seit dem WM-Titel der Deutschen Männer im vergangenen Jahr hierzulande großer Popularität erfreut, haben viele Menschen 3x3 bei den Olympischen Spielen wohl zum ersten Mal gesehen.
Die Sportart unterscheidet sich in zahlreichen Punkten vom klassischen Basketball. Gespielt wird auf einem deutlich kleineren Feld und nur auf einen Korb. Die Teams bestehen aus jeweils drei Spielern (daher 3x3) plus einem Wechselspieler, es gibt weniger Unterbrechungen und eine kürzere Angriffs- und Spielzeit. "Es braucht definitiv unterschiedliche Fähigkeiten. Nicht jede gute Fünf-gegen-fünf-Spielerin ist auch gut im 3x3. Man sollte sehr gute Eins-gegen-eins-Skills mitbringen. Und das Spiel ist viel schneller. Man muss also blitzschnell Entscheidungen treffen und reagieren können", erklärt Brunckhorst.
In Paris war die junge Disziplin erst das zweite Mal Teil des olympischen Programms. Zwar gibt es daneben auch professionelle Wettkämpfe wie Welt- und Europameisterschaften, doch anders als bei Olympia wird die breite Masse damit bislang noch nicht erreicht. Dabei sei das Potential eigentlich riesig, wie Daniel Endres berichtet. Er ist Präsidiumsmitglied beim Berliner Basketball-Verband und will das 3x3 in der Hauptstadt weiter nach vorne bringen. "Es eröffnet sich durch das Format die Möglichkeit, eine andere Zielgruppe anzusprechen - nämlich die Leute, die im Streetball beheimatet sind. Mit dem 3x3 hat man das im Grunde genommen einfach formalisiert und einen Wettkampf definiert", so Endres.
Tatsächlich ist die Spielform in kleinen Teams auf einen Korb zu spielen auf Freiplätzen überall auf der Welt seit Jahrzehnten etabliert. Viele der großen Stars des Basketballs – vor allem in den USA – machten so ihre ersten Schritte. Das 3x3 ist nichts anderes als eine Formalisierung des Streetballs mit einheitlichen Regeln. Auch in der Hauptstadt gäbe es unzählige potenzielle Spieler, sagt Endres. "Berlin ist ein totaler Hotspot für die Freiplatz- und Streetballkultur."
Deshalb wird 3x3 beim Berliner Basketball-Verband auch explizit gefördert. Seit einigen Jahren gibt es eine eigene Landestrainerstelle und das klare Ziel, das Format und die Wettkämpfe bekannter zu machen. Gemeinsam mit Alba Berlin wurden Turniere organisiert, der Verband veranstaltet Trainingscamps und geht Kooperationen mit großen 3x3-Serien ein, um Turniere nach Berlin zu holen. "Wir merken schon, das Interesse da ist. Aber das Potential ist noch längst nicht vollständig abgerufen. Die Goldmedaille gibt jetzt die Möglichkeit, nochmal genau in diese Kerbe reinzuschlagen und nachhaltige Strukturen zu etablieren."
Wie genau diese Strukturen aussehen könnten, das ist noch unklar. Das Thema soll in der Hauptstadt weiterentwickelt werden, auch mit den ansässigen Basketballvereinen. Derzeit gäbe es nach dem Wissen des Präsidiumsmitglied noch keinen einzigen Verein mit einer eigenen 3x3-Sparte in der Hauptstadt. "Das findet mehr oder weniger alles individuell und im Freizeitbereich statt", erklärt Endres.
Das liegt unter anderem auch an den klaren Vorschriften des Basketball-Weltverbandes (FIBA) für offizielle 3x3-Turniere. Jeder Wettkampf und jeder Spieler muss auf einer Online-Plattform der FIBA registriert sein, um offiziell gewertet zu werden. Eigene Ligen der nationalen und regionalen Verbände gibt es nicht – und wenn, dann nur im Freizeitbereich.
Möglicherweise ist das aber gar kein so großes Problem. "Wir haben jetzt eine Art Testphase. Wer weiß, ob 3x3-Spieler überhaupt Lust haben, jedes Wochenende ein Spiel zu haben. Vielleicht wollen sie lieber ungebundener sein und die ausgewählten Highlight-Turniere über das Jahr hinweg sind genau das richtige", sagt Endres.
Es sei deshalb weniger die Idee eine eigene Liga für das 3x3 zu schaffen, sondern vor allem das Turniernetzwerk in Deutschland weiter auszubauen, erklärt auch Matthias Weber. Er ist Disziplinchef des 3x3 beim Deutschen Basketball-Bund und war maßgeblich an der Entwicklung der Sportart hierzulande in den vergangenen Jahren beteiligt.
"Es gibt keinen klassischen organisierten Spielbetrieb. Und das ist ja gerade das Schöne am 3x3. In diesem Netzwerk kann man als Spielerin und Spieler frei teilnehmen, es gibt Turniere auf unterschiedlichen Niveaus und alle sind miteinander verbunden. Man ist nicht regional begrenzt, sondern kann theoretisch auch als deutsche Spielerin mit einer Kanadierin zusammen ein Team gründen und dann in Japan spielen", erklärt er.
Auch, wenn dieses Szenario für die meisten Spielerinnen und Spieler in Deutschland wohl eher hypothetisch bleiben wird, beschreibt es doch gut, was die Sportart ausmacht: ungebunden und flexibel sein, sowohl was Zeiten, aber auch Mitspieler und Orte angeht.
Das gilt auch für die Veranstalter. Jeder der Lust und die nötigen Ressourcen hat, kann ein offizielles Turnier ausrichten. Das können Vereine, Verbände, oder auch Privatpersonen sein. Courts aufbauen kann man nahezu überall. "Man ist mit diesen Events oft mitten in der Innenstadt und zieht Laufpublikum an", berichtet Weber. So fanden die 3x3-Turniere bei den Finals in Berlin 2022 und auch bei den Special Olympics im vergangen Jahr zum Beispiel direkt am Neptunbrunnen um die Ecke vom Alexanderplatz statt und zogen dort viele Schaulustige an.
Auch bei den Nachbarn in Brandenburg wird 3x3 gespielt, noch allerdings eher unter dem Radar. "Die Spielform ist grundsätzlich allseits bekannt, aber das Interesse an einem organisierten Spielbetrieb ist eher mittelmäßig", berichtet Arik Bennert, Geschäftsführer des Brandenburgischen Basketball-Verbands. Zwar würden auch in Brandenburg im Sommer immer wieder Turniere ausgerichtet werden, eine wirklich neue Zielgruppe würde damit bisher aber nicht erschlossen. "Bei uns spielen meistens dieselben Spieler 3x3, die sonst Fünf-gegen-Fünf spielen", sagt er.
Trotzdem setzt man auch in Brandenburg darauf, die Sportart weiter zu fördern. Seit zwei Jahren gibt es einen Referenten für 3x3 im Verband, der die Entwicklung vorantreiben soll. Das liegt auch daran, dass das die Sportart in einem Flächenland wie Brandenburg eine große Chance mit sich bringt. "Vor allem im ländlichen Raum gibt es da Potential. Man braucht eben nur sechs anstatt zehn Spieler. So fällt es auch kleinen Vereinen und Teams mit nur wenig Menschen leichter, auch mal an Wettkämpfen teilzunehmen", so der Geschäftsführer.
Ähnlich sehe es im weiblichen Spielbetrieb aus. "Oft ist es in den Vereinen so, dass in den Jugend-Trainingsgruppen die Mädchen in Jungs-Teams mitspielen müssen, weil sie zu wenige sind. Die Erfahrung zeigt aber, dass wenn sie einen eigenen Spielbetrieb haben, sie dann öfter auch Freundinnen mitbringen und die Sportart attraktiver für andere Mädchen wird. Deshalb bieten wir ihnen bei unseren klassischen Turnieren mittlerweile auch oft an, 3x3 zu spielen", erklärt Bennert.
So richtig hat sich die junge Sportart noch nicht unter den Basketballern des Landes etabliert. 38.466 Spielerinnen und Spieler aus Deutschland nahmen im vergangenen Jahr an irgendeinem der offiziellen 3x3-Turniere teil, 8.057 von ihnen sind bei der FIBA gerankt und damit der harte Kern. Zum Vergleich: Klassischen Basketball spielen hierzulande mehr als 200.000 Menschen.
Die Tendenz im 3x3 ist laut Weber aber steigend. "Wir haben bereits in den letzten fünf Jahren gemerkt, dass es immer größer wird. Ich denke schon, dass es mit der sensationellen Goldmedaille noch weiterwachsen wird." Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich jedoch noch nicht sagen, wie groß der Stein ist, den Svenja Brunckhorst und Co. mit ihrem Olympiasieg vor wenigen Wochen ins Rollen gebracht haben. "Wir müssen erstmal die Sommerpause abwarten. Wenn es wieder losgeht, wird sich zeigen, wie hoch das Interesse ist", erklärt Bennert für Brandenburg. Gleiches gilt für Berlin.
Olympiasiegerin Brunckhorst spürt in ihrem Umfeld hingegen schon Veränderungen. "Ich bekomme gerade mit, dass viele Vereine Anfragen nach einem 3x3-Angebot bekommen", sagt sie. Vielleicht ist unter den Interessenten auch ihre Nachfolgerin. Ihre aktive Karriere hat die 32-Jährige mit dem Finale in Paris beendet und arbeitet nun als Managerin des Frauenteams von Alba Berlin. Auch dort will sie das Thema 3x3 aber nicht aus den Augen verlieren. "Es ist wichtig, dass wir ganz allgemein die Optionen Basketball zu spielen für Mädchen und Jungs in Berlin und Umgebung ausbauen. Da bietet sich natürlich total an, auch im Bereich 3x3 etwas auf die Beine zu stellen", sagt sie.
Sendung: rbb24 Inforadio, 30.08.2024, 14:15 Uhr
Beitrag von Lukas Witte
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