Interview | Hype um Fußball-Trikots
In den letzten Jahren ist ein echter Hype um Fußball-Trikots entstanden. Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Michael Bernecker erklärt im Interview den Wandel des Trikots zum Mode-Accessoire und was ein Verein mit dem Verkauf verdient.
rbb|24: Herr Bernecker, Fußballtrikots werden als Mode-Accessoire immer beliebter. Besitzen Sie denn auch welche?
Michael Bernecker: Mehrere sogar. Ich bin überzeugter BVB-Fan, aber da ich in Köln wohne, habe ich auch diverse Trikots vom Effzeh. Bei jeder EM und WM wird natürlich auch ein Deutschland-Trikot gekauft. Mein Schrank ist also voll mit Trikots. Mein Sohn sammelt zudem ausgefallene Trikots von beispielsweise Champions-League-Finals. In unserem Haushalt, schätze ich, befinden sich locker 100 Fußballtrikots.
Was haben Fußballtrikots denn an sich, dass sie so beliebt sind?
Aus meiner Perspektive ist ein wichtiger Punkt, dass Fußball mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Es ist keine Randsportart, wie beispielsweise Hallenhockey. Dementsprechend gibt es aus psychologischer Perspektive ein Zugehörigkeitsgefühl für die Menschen, das sie ausdrücken wollen. Dadurch, dass ich ein Trikot trage, zeige ich, von welchem Verein ich Fan bin. Und durch die gesellschaftliche Etablierung des Fußballs passiert es eben, dass Trikots auch im Alltag getragen werden.
Glauben Sie, dass dadurch, dass alles so schnelllebig geworden ist, Identität durch beispielsweise Tragen eines Trikots eine noch größere Rolle spielt als noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen ist?
Ich habe vor 20 Jahren in Dortmund gelebt. Damals habe ich in der Innenstadt niemanden gesehen, der ein BVB-Trikot getragen hat. Letztens war ich an einem Sonntag in Dortmund – es war kein Spieltag – und da sah ich viele Menschen, die mit einem Trikot herumliefen. Ich glaube, es ist gesellschaftlich zu einem anderen Thema geworden.
Energie Cottbus hat zuletzt erst berichtet, dass sie in den letzten drei bis vier Jahren ihre Absätze im Trikotverkauf verdreifacht haben. Wie wichtig sind Trikotverkäufe für die Finanzen eines Vereins?
Für Fußballklubs gibt es ja verschiedene Einnahmesäulen – TV-Geld, Eintrittskarten und dergleichen. Aber eben auch Merchandise, in welchem das Trikot eine wichtige Rolle einnimmt. Und zwar vor allem für Vereine, denen es gelingt, ihre Mannschaft zu emotionalisieren. Sprechen wir über die Topklubs, was die Reichweite angeht – der FC Bayern, Borussia Dortmund oder auch der 1. FC Köln – hat es für sie einen hohen Stellenwert erreicht.
Nochmal spannender wird es bei Toptransfers von Spielern. Wenn ein Lionel Messi nach Miami wechselt und für 100 Millionen Euro Trikots verkauft werden, sieht man, welch großen Wirtschaftsfaktor das Thema angenommen hat.
Mittlerweile kosten Trikots schätzungsweise 100 Euro – ohne Beflockung. Wie viel verdient ein Verein eigentlich am Verkauf eines Trikots?
Das ist ganz interessant. Wir sprechen von fünf bis 10 Euro an Produktionskosten – das schwankt ein wenig. Die großen Mengen werden in Asien gefertigt. Früher war es vor allem Portugal, heutzutage die Türkei und Asien. Ein Faktor bei Trikots ist die Machart: Ist es ein reines T-Shirt oder hat es beispielsweise einen besonderen Kragen – dann kann es auch 20 Cent mehr kosten. Die Logistikkosten halten sich ebenfalls in Grenzen, da in diesen Prozess kaum noch Menschen involviert sind. Hier werden 500 Lagen Stoff in eine voll-automatisierte Presse geschoben und unten kommen 250 Trikots raus. Zwar ist auch hier noch Handarbeit involviert, es funktioniert aber ähnlich wie bei der "Fast Fashion" von Primark und Konsorten.
Die Kosten sind also sehr niedrig. Das ist auch der Grund, weshalb Online-Shops wie "Alibaba" oder "Temu" es schaffen, Ihnen Trikots für zwölf bis 20 Euro nach Hause zu schicken und noch etwas daran zu verdienen. In Europa kostet die Logistik allerdings mehr. Hinzu kommen Marketingkosten – Marken wie Adidas oder Nike müssen schließlich etwas für ihren Anteil tun. Ist das Trikot im Einzelhandel erhältlich, kommt eine Händlermarge hinzu. Diese ist nicht unerheblich, vom Verkaufspreis landen 30 bis 40 Euro beim Händler. Nicht zu vergessen: Es kommen natürlich noch 19 Prozent Mehrwertsteuer obendrauf. Die Produktionskosten sind also der kleinste Teil.
Wie viel verdient der Verein dann konkret?
Es landet also – bei Direktvertrieb – ein Rohertrag von 50 Euro beim Verein. Um zum Gewinn zu kommen, müssen noch Personalkosten und dergleichen abgezogen werden.
Nachhaltigkeit ist ein gesellschaftlich großes Thema. Wieso tun die Vereine hier wenig? Weil es vom Endkonsument doch nicht entscheidend beachtet wird?
Der durchschnittliche Fußball-Fan ist nicht sonderlich nachhaltigkeitsgetrieben. Wir reden zwar viel über Themen der Nachhaltigkeit, aber so eine CO2-Bilanz eines Fußballstadions habe ich in den Medien noch nicht so richtig diskutiert gesehen. Wenn 49.000 Fans zum Kölner Stadion reisen, wird zwar immer gesagt, dass so viele mit Bahn kämen – es ist aber dennoch ein riesiger logistischer Aufwand und da steht ein riesiger Betonbau in der Stadt, der sehr viel Energie zieht. Ich glaube, die Verantwortlichen im Fußball sind ganz froh darum, dass dieser Themenkomplex nicht sonderlich problematisiert wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Patrick Richter, rbb|24 Sport.
Sendung: rbb|24, 13.08.2024, 21.45 Uhr
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