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Quelle: IMAGO / Beautiful Sports

Interview | Kleinfeld-Liga "Baller League"

"Leute haben gemerkt: Geil, Fußball gehört niemandem - wir können eine Liga gründen"

Kleinfeld-Ligen wie die "Baller League" erreichen auf Twitch ein junges Publikum - und stoßen bei Fußball-Romantikern auf Kritik. Ein Gespräch mit Hendrik Ruhe von Eintracht Spandau über das Potenzial neuer Formate und Liebe für neunzig Minuten.

rbb|24: Herr Ruhe, im Juli ist die Kleinfeld-Fußball-Liga "Baller League" in die zweite Saison gestartet. Die teilnehmenden Teams setzen sich größtenteils aus talentierten Amateur-Kickern zusammen, während prominente Gesichter wie Kevin-Prince Boateng, Felix Lobrecht oder Kontra K als "Team-Manager" dabei sind. Was macht den Reiz dieses Formats aus?

Hendrik Ruhe: Ich habe das Gefühl, dass der klassische Fußball innerhalb von DFB und DFL strukturell an seine Grenzen kommt: im Spannungsfeld zwischen Kommerzialisierung und Gemeinnützigkeit der eingetragenen Vereine. Man merkt auch an den Reaktionen der Fanszenen, dass diese Spannung immer größer wird.

Gleichzeitig ist es so, dass sich die Medienlandschaft weiterentwickelt. Es geht immer mehr um kurze Formate, kürzere Aufmerksamkeitsspannen. Der Fußball hat sich nicht weiterentwickelt. Ich glaube, dass es eine Art des Fußballs brauchte, die auf die Überholspur geht, um neue Sachen auszuprobieren und zu wagen. Ohne, dass wir das Alte verdrängen wollen - ich bin großer Fußball-Fan und möchte das nicht missen. Die Art und Weise, wie die "Baller League" das gelöst hat, hat uns gut gefallen. Von daher ist das für mich eine coole, andere und neue Form des Fußballs, die den "alten" Fußball aber nicht verdrängen soll, sondern ein ergänzendes Angebot ist.

Zur Person

In der ersten Saison hat Eintracht Spandau das Halbfinale erreicht. In den sozialen Netzwerken, etwa auf Instagram, hat das Team ein beträchtliches Wachstum verbucht und zigtausende Follower dazugewonnen. Was davon war Ihnen in der Premieren-Saison wichtiger?

Eintracht Spandau ist in der "Baller League" etwas Spezielles. Wir waren das einzige Team, das es vorher schon gegeben hat. Wir wurden nicht extra für diese Liga zusammengewürfelt, sondern haben vorher schon im E-Sport existiert. Im Kern sind wir als Sportlerinnen und Sportler in den Wettbewerb gegangen, um zu gewinnen. Wir nehmen das ernst, wollen den bestmöglichen Trainer, die bestmöglichen Spieler und Trainingsbedingungen haben. Und drumherum machen wir Klamauk und Show. Diese Kombination macht uns aus. Von daher sind beide Parameter für uns relevant.

Wir waren frustriert, nur ins Halbfinale gekommen zu sein – mit etwas Abstand sind wir stolz darauf, dass wir diese Bühne betreten durften. Was Content angeht, haben wir alle Karten ausgespielt: Unser Einstieg mit einem Blasorchester am ersten Spieltag war ideal. Ein paar andere Aktionen haben uns in die Boulevard- und Mainstream-Medien gebracht. Das war genau das, was wir wollten: Aufsehen erregen und in den Mainstream brechen.

Die Organisatoren der "Baller League" wollen für eine Rückkehr der "Bolzplatz-Mentalität" sorgen. Gegenstimmen wittern "Gift für den Amateurfußball". Die Spiele finden in Köln statt, werden auf Twitch gestreamt und erreichen ein Millionenpublikum. Für Unternehmen ist diese Liga eine dankbare Werbefläche, um neue, junge Zielgruppen zu erreichen. Was erwidern Sie Kritikern, die in Formaten wie der "Baller League" nichts als einen weiteren Auswuchs der zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballs sehen?

Mir ist die Kommerzialisierung in so einem Alternativkonstrukt wie der "Baller League" lieber als die Kommerzialisierung im Rahmen der klassischen Vereinsstrukturen, wo du von der Regionalliga bis in die Bundesliga regelrecht Investoren-Rennen hast, die alle defizitär laufen. Die Vereine nehmen Schulden auf und pumpen sich Geld, um bestenfalls aufzusteigen. Das ist in meinen Augen toxischer für den Fußball als Nebenkonstrukte wie die "Baller League".

Hallenfußball-Liga von Hummels und Podolski

So funktioniert die neue "Baller League"

Deutschland hat eine neue Hallenfußball-Liga. Die von Mats Hummels und Lukas Podolski gegründete "Baller League" startet am Montag. Sie ist gespickt mit Stars aus Fußball und Unterhaltung. Auch bekannte Berliner Gesichter sind dabei.

Zumal diese Kritik größtenteils von Leuten kommt, die in den Strukturen des klassischen Fußballs stecken und ein Problem mit etwas Neuem haben. Das ist das Schicksal des First Movers, der ersten Liga, die an den Start gegangen ist. Natürlich gefällt das einigen Leuten nicht. Man muss mit ihnen in den Dialog treten. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass man als Verein keinen Besitzanspruch auf die Zeit seiner Mitglieder hat. Wenn Spieler mehr Bock haben, in der "Baller League" zu kicken, können sie das genauso machen wie sie auch im Tischtennis-Verein sein könnten.

Wer profitiert vom Spielbetrieb der "Baller League"?

Das ist schwer zu sagen. Stand jetzt profitieren hoffentlich die Zuschauenden, die eine unterhaltsame Liga zu sehen bekommen. Ich glaube aber auch, dass der Fußball in Gänze profitiert, weil junge Menschen, die sich vielleicht kein Spiel über neunzig Minuten geben würden, in das Ökosystem geholt werden. Für sie kann es eine Art Einstiegsmedium sein. Wenn es ihnen gefällt, werden sie sich potenziell auch den großen Fußball angucken.

Ich muss aber auch sagen, dass die Kritiker an dieser Stelle Recht haben: Die "Baller League" ist nicht der Fußball, der einen Anspruch auf soziale Verantwortung hat, nicht der Fußball, der in den Strukturen der Gesellschaft gewachsen ist. Das ist der klar als solcher deklarierte, hyperkommerzialisierte Fußball: In der "Baller League" hast du Investoren, Besitzstrukturen, hier gibt es kein "50+1". Hier kann all das passieren, was im sonstigen DFB-Zirkus nicht stattfindet. Ob einem das gefällt oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Ich bin übrigens Fan von "50+1". Einen durchkommerzialisierten Fußball als Angebot zu erzeugen, finde ich aber genauso valide.

Wie eng verfolgen Sie den altehrwürdigen deutschen Vereinsfußball?

Sehr eng. Seit ich denken kann, bin ich Fan von Borussia Dortmund. Ich schaue so viel Bundesliga wie es geht. Ich bin arm geworden an all den Abos, die ich für Fußball- und Sport-Streamingdienste abgeschlossen habe. (lacht) Ich liebe den neunzigminütigen Fußball. Mein sechsjähriger Sohn pennt wiederum gerne mal bei einem Spiel über neunzig Minuten ein – liebt es aber zuzuschauen, wenn Eintracht Spandau in der "Baller League" spielt.

Zwei der vielen prominenten Gesichter in der "Baller League": Comedian Felix Lobrecht (li.) und Rapper Kontra K - "Team-Manager" von "Beton Berlin". | Quelle: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Im September startet eine weitere Kleinfeld-Fußball-Liga, die sogenannte "Icon League" – gegründet vom erfolgreichsten deutschen Fußballer aller Zeiten Toni Kroos und dem Berliner Streamer Elias Nerlich. Werden wir dann eine Zuschauerwanderung erleben – oder belebt Konkurrenz auch in diesem Fall das Geschäft?

Das Konstrukt eines jungen und frischen Kleinfeld-Fußballs wurde von der "Kings League" (die vom ehemaligen spanischen Nationalspieler Gerard Piqué gegründet wurde; Anm. d. Red.) in Spanien als Trend gestartet. Die Leute haben gemerkt: Geil, Fußball gehört niemandem - wir können einfach eine Liga gründen und kommerzialisieren. Das hat unter den Unternehmern im Sport schon eine Goldgräberstimmung erzeugt.

Hallenfußball zwischen Firmen-Event und Heuchelei

Die Ballerballer-Liga

Seit nunmehr fünf Wochen schickt sich ein neues Format an, den Fußball zu retten. Schaut man sich die "Baller League" genauer an, muss man allerdings konstatieren: Sie hat den Hilferuf missverstanden, kommentiert Ilja Behnisch

Und wohin kann und soll das führen?

Das ist eine spannende Bewegung – und das sage ich als Geschäftsführer einer Sportorganisation. Eintracht Spandau ist glücklich und stolz, in der "Baller League" zu sein. Wir werden da noch viele großartige Abende und Nächte erleben. Zusätzlich machen wir E-Sport und werden noch weitere Sporttitel betreiben. Die "Baller League" war im deutschen Markt die erste Liga. Ob es inhaltlich die beste Liga ist, wird sich herausstellen. Es werden sicherlich noch weitere Ligen dazukommen.

Grundsätzlich ist das eine interessante Phase, die ich so als Fußball-Fan noch nie erlebt habe. Das Fußball-Angebot ist so groß und vielfältig wie nie. Am Ende wird ziemlich sicher eine Kleinfeld-Liga ihren Platz im deutschen Ökosystem behalten dürfen, als zusätzliches Sportangebot – und die anderen werden es wahrscheinlich auf lange Sicht nicht schaffen. Für den Konsumenten ist jetzt die geilste Zeit, für die Liga-Betreiber ist es spannend und druckvoll.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anton Fahl, rbb Sport.

Beitrag von Anton Fahl

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