Faszination Fußball-Manager-Spiele
Virtuelle Fußball-Manager-Spiele erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Woher die Faszination kommt, welche Altersgruppen exzessiv zocken und welche Portale den Bundesliga-Markt beherrschen. Von Fabian Friedmann
Aktuell herrscht wieder heftige Betriebsamkeit. In knapp zwei Wochen startet die Fußball-Bundesliga in ihre 62. Spielzeit und die Planungen laufen auf Hochtouren in einem Genre, das sich penibel mit den Spieldaten der deutschen Elite-Liga auseinandersetzt – teilweise bis zum Exzess. Wie nutze ich bestmöglich mein Budget? Wer wird der Königstransfer? Und wer ist ein Schnäppchen, liefert aber trotzdem verlässlich Punkte? Willkommen in der Welt der virtuellen Fußball-Manager!
Die Portale oder Apps heißen Anstoss, Comunio oder Kickbase. Neben dem traditionellen kicker-Manager-Spiel haben sich am deutschen Markt mittlerweile zahlreiche Versionen etabliert, die den Boom in den letzten Jahren weiter forciert haben. Aber woher kommt die Faszination, sich sein eigenes Team zusammenzustellen und gegen Freunde oder eine Community in einer virtuellen Liga anzutreten? Und wie groß ist der Markt überhaupt?
"Kickbase ist ein Spiel, das den echten Fußball spannender macht", sagt der Gründer der App, Anatol Korel. Sein Spiel hat zwei Modi, ein saisonales Manager-Strategiespiel, bei dem man sich eine Mannschaft aus verschiedenen Bundesliga-Spielern zusammenstellt und in einer Gruppe gegen andere Manager antritt. Und daneben gibt es die Challenges. Hierbei handelt es sich um Spieltag-bezogenes Tippspiel, den Gewinnern winken hochwertige Preise. Finanziert wird das Unternehmen durch das Anbieten von Premiuminhalten, die durch ein Account-Upgrade per Abonnement erworben werden können.
Die nackten Zahlen unterstreichen, dass das Geschäftsmodell funktioniert: Circa zwei Millionen registrierte Nutzer hat Kickbase, die App wird circa eine Million Mal im Jahr heruntergeladen. Mittlerweile beschäftigt Anatol Korel 60 Mitarbeiter in seinem Unternehmen, die über ganz Europa verstreut sind. Das Portal ist hoch professionalisiert. Anatol Korel schickt sogar Mitarbeiter in die Trainingslager der Bundesligisten, um die Spieler über ihre Punkteperformance zu befragen.
Aber woher rührt die Faszination für Manager-Spiele? "Man kreiert eine zweite Dimension des Spiels", erklärt Korel. Indem man in die Rolle des Managers schlüpft und mit einem virtuellen Budget ein erfolgreiches Team aus Bundesliga-Spielern entwirft, zeige man nicht nur, dass man Ahnung vom Fußball hat. Das echte Spiel selbst wird auch spannender, "weil jeder Kicker durch seine Aktionen im Spiel Punkte für dich sammelt", sagt Korel. Das führe dazu, dass es das Fußball-Erlebnis verbessert und man jedes Wochenende aufs Neue ein Team zusammenstellen möchte.
Ein weiterer Grund: "Fußball-Fans glauben häufig, etwas besser zu wissen. Der Manager erlaubt es ihnen, das in die Realität umzusetzen", erklärt der Kickbase-Chef. Und wenn er das virtuelle Team zum Sieg führt, hat der Spieler den Beweis erbracht, die meiste Ahnung zu haben – auch wenn das Glück natürlich eine gewisse Rolle spielt. Letztlich fungiert das Manager-Spiel als Realitäts-Check per App.
Das Besondere bei Kickbase ist die Echtzeit-Bepunktung: "Wenn Joshua Kimmich einen Pass spielt, dann kommt wenige Sekunden später der Pass auch im Spiel an", so Korel. Diese detaillierten Daten liefert das Portal "Stats Perform" (ehemals "Opta"), das auch eng mit der Bundesliga zusammenarbeitet. Im Gegensatz zu manch anderem Manager-Spiel liegen bei der Benotung der Spieler keine redaktionellen Entscheidungen zugrunde, sondern Millionen von Datensätzen und Algorithmen. Das sorgt für mehr Fairness und weniger Subjektivität im Wettbewerb, findet Korel. Und es sorgt für ein umfassenderes Interesse am Sport.
Manager-Spieler würden sich nun auch für andere Spieler und andere Vereine außerhalb der sympathisierten Klubs interessieren, wobei die Analyse der Spieldaten und die daraus folgenden Veränderungen für die eigene Aufstellung einzig und allein den Managern obliegt. Will man also Erfolg haben als virtueller Fußball-Manager, kann die Recherche enorm zeitaufwendig werden. Das kann sich negativ aufs Privatleben niederschlagen.
Damit Fußball-Manager schneller ihre wichtigsten Daten und Infos präsentiert bekommen, hat sich das deutsche Portal "Ligainsider" gegründet. Es versorgt die User mit Informationen darüber, welcher Spieler gut performt, wer verletzt ist und wie sich Marktwerte entwickeln. "Wir sparen den Spielern einfach Zeit", sagt Sven Kral, Geschäftsführer von Ligainsider. Seine Firma kooperiert mit den größten Manager-Portalen und bereitet sie grafisch auf. Für die Bundesliga ist Ligainsider das einzige Portal seiner Art.
Für Kral liegt die Faszination an Manager-Spielen an drei Faktoren. Erstens wird die Fußballpartie selbst interessanter durch das Manager-Spiel, weil es eine Erweiterung zum realen Spiel darstellt. Als Nächstes ist da die soziale Komponente, weil man allein über den Austausch über das Spiel seine Sozialkontakte pflegen kann. Der dritte Faktor ist der Spielerfokus. "Früher lag das Augenmerk auf den Vereinen, die heutige, junge Generation nimmt das Spiel über die Spieler wahr", sagt Kral. Man sei Fan von einem Spieler und begleitete diesen – egal, wo er gerade unter Vertrag stünde. Die Manager-Spiele würden diesen Effekt unterstreichen.
Natürlich spiele der Wettbewerb innerhalb der Community und der Gruppe eine Rolle. Aber den dürfe man als Spieler nicht überbewerten. Für Kral ist ein Manager-Spiel auch eine Art "Lebensschule". Manchmal könne man einen Bundesliga-Spieler in der App nicht bekommen. Damit müsse man dann umgehen und einen anderen Plan entwickeln. Denn, und das betont auch Kral, in manchen Gruppen gäbe es fast Kriege um die besten Spieler: "Da zerbrechen wirklich Freundschaften, wenn man sich zu sehr reinsteigert."
Den Zeitfaktor sieht der Ligainsider-Geschäftsführer ebenfalls als negativen Randaspekt der Manager-Spiele. Einige Spieler driften in die Sucht ab. Zudem sind die Portale extrem männerdominiert. Pro Saison hat Ligainsider 500.000 aktive Nutzer, die in verschiedenen Manager-Spielen aktiv sind und sich dort mit Informationen eindecken. Davon sind über 85 Prozent männlich. Doch der Boom hält an und die großen Firmen am Markt expandieren immer weiter.
Anatol Korel von Kickbase erklärt, dass man bereits in Spanien und der dortigen Liga aktiv sei. Die Expansion auf den amerikanischen Markt, wo 2026 die nächste Fußball-WM stattfindet, ist bereits in Planung. Die USA ist schließlich das Mutterland der dort so genannten "Fantasy-Player". Wobei die Apps zumeist so konzipiert sind, dass sie ein jüngeres Zielpublikum zwischen 18 und 34 Jahren ansprechen. Bei Ligainsider liegen knapp 70 Prozent der User in dieser Altersgruppe.
"Sorare" ist aktuell der größte Player am Manager-Markt. "Das sind die absoluten Herrscher, weil die so viel Geld haben", sagt Sven Kral. Hierbei handelt es sich um eine internationale Firma, die aber ihr Manager-Spiel auch für die Bundesliga anbieten. Das Konzept: Der Spieler kauft ein Team mit digitalen, lizenzierten Spielerkarten, die er verkaufen, handeln und verwalten kann – wie eine Kombination aus Tauschbörse und Manager-Spiel – mit horrenden Gewinnspannen für das Unternehmen.
Die "Vehaftung", also die Treue zu einem Anbieter sei riesig, so Kral weiter. Wenn man sich für ein Portal entschieden habe, sei es schwer, seine ganzen Freunde, die mit einem das Spiel spielen, zu einem Wechsel zu bewegen.
Darum sei auch das relativ alt gediente Portal "Comunio" nach wie vor so erfolgreich. Die Größe spielt häufig gar keine so große Rolle, denn jedes Spiel hat seine eigene Dynamik. Und das macht am Ende den Reiz aus in dieser Welt der virtuellen Fußball-Manager.
Sendung: rbbUM6, 12.08.2024, 18 Uhr
Beitrag von Fabian Friedmann
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