Paris 2024
Team Deutschland beendet die Olympischen Spiele von Paris auf Medaillenrang zehn. Doch große Momente sind längst nicht immer an Medaillen gekoppelt, wie dieser Rückblick zwischen Tränen und Jubel zeigt. Von Ilja Behnisch
Eine der größten, deutschen Überraschungen überhaupt bei diesen Olympischen Spielen lieferten die 3x3-Basketballerinnen um die Berlinerin Svenja Brunckhorst ab. Das Team startete stark und ließ einfach nicht nach. Mit Dirk Nowitzki, Deutschlands bestem Basketballer aller Zeiten, als eine Art Glücksbringer am Seitenrand, begeisterte das vier Frauen starke Team mit einer besonders ansteckenden Mischung aus Nervenstärke und Spielfreude. Dass es am Ende tatsächlich zu Gold reichte, war die sehr, sehr süße Kirsche auf einer sehr, sehr fetten Torte.
Auch die Herren-Nationalmannschaft im "regulären" Basketball (fünf gegen fünf) schaute bei den 3x3-Damen vorbei und feuerte an, so es die Zeitpläne zuließen. Aber die amtierenden Weltmeister um die Alba-Spieler Lois Olinde und Johannes Thiemann sowie die gebürtige Berliner und NBA-Stars Moritz und Franz Wagner sorgten auch selbst für Jubelstürme. Zumindest in den Gruppenspielen. Besonders die Galavorstellung gegen Frankreich (85:71) ließ Hoffnungen aufkommen, dass zumindest das Finale drin sein könnte für das Team. Doch als im Halbfinale erneut Frankreich der Gegner war ging, ging plötzlich nichts mehr. Es sei die schlechteste Leistung der Mannschaft seit zwei Jahren gewesen, sagten die Spieler hinterher selbstkritisch. Die dann gegen allerdings sehr starke Serben auch noch das Spiel um Bronze verloren. Dennoch: Deutscher Basketball macht Spaß. Und allein das ist ein Satz, der noch immer nicht selbstverständlich klingt.
Deutlich näher dran an Gold waren die Hockey-Herren mit den (Exil-)Berlinern Martin Zwicker, Thies Prinz und Johannes Große. Doch so dramatisch sich die Mannschaft noch im umkämpften und spät entschiedenen Viertelfinale gegen Argentinien durchsetzen konnte, so dramatisch scheiterte sie im Finale an den Niederlanden. 1:3 nach Penaltyschießen hieß es schließlich. Dennoch: Acht Jahre nach Bronze in Rio nun also Silber für den Weltmeister - das darf durchaus unter Erfolg verbucht werden.
Die Bilanz der deutschen Schwimmer konnte sich sehen lassen. Zwar gab es "nur" zwei Medaillen, so wie in Tokio 2021. Doch Team Deutschland war gleich in 17 Finalläufen vertreten, in neun mehr also als noch in Tokio. Besonders gut lief es für die gebürtige Berlinerin Isabel Gose. Schon im Finale über 400 Meter Freistil überzeugte die 22-Jährige, holte einen starken fünften Platz und schwamm dabei einen neuen Deutschen Rekord. Über die 1.500 Meter Freistil schließlich der große Coup: Bronze! Und auch das mit neuer deutscher Rekordzeit. Dass es einen "International Happy Gose Day" gibt (jeden 17. November) hat zwar nichts mit Isabel Gose zu tun, sondern mit einer gleichnamigen, obergärigen Biersorte; aber auch Feiertage und ihre Bedeutung befinden sich bekanntlich im steten Wandel.
Sehr knapp, also wirklich sehr, sehr knapp an einer Medaille vorbei geschwommen ist hingegen Angelina Köhler. Wobei das immer so klingt, als hätte sie räumlich falsch gelegen, beim Anschlag zum Beispiel. Dabei fehlten der 23-Jährigen von der SG Neukölln über die 100 Meter Schmetterling lediglich 21 Hundertstelsekunden zur Bronze-Medaille. Was nur knapp über der Dauer eines Wimpernschlags liegt (0,15 Sekunden). Und das ist noch mehr zu beklagen, wenn man bedenkt, dass die Drittplatzierte Zhang Yufei aus China von durchaus schwerwiegenden Doping-Vorwürfen begleitet wird. Oder wie Angelina Köhler selbst sagt: "Es hat natürlich immer einen miesen Beigeschmack, solche Geschichten. Aber erstmal gehört die Medaille ihr und da gibt es nichts auszusetzen." So reden Sieger. Selbst wenn sie Vierte geworden sind.
Noch einmal richtig angreifen wollte die gebürtige Berlinerin Laura Ludwig bei ihren fünften Olympischen Spielen. Einmal hatte sie Gold geholt im Beachvolleyball, 2016 in Rio de Janeiro, zusammen mit Kira Walkenhorst. Mit Louis Lippmann, ihrer Partnerin in Paris, reichte es am Ende nicht einmal für einen Satzgewinn bei Olympia 2024. Aus nach drei Niederlagen in der Vorrunde. Die Folge? Das vorher nicht wirklich geplante Karriere-Ende. "Es sind viele Tränen geflossen", sagte die 38-Jährige hinterher. Dass man ihr noch einmal ein Ausrufezeichen anstatt einer kleinen Bruchlandung gewünscht hätte, sagt aber vielleicht auch genug aus darüber, was für eine besondere Karriere Laura Ludwig gelungen ist.
Den größten Erfolg ihrer Karriere hingegen feierte das Beachvolleyball-Duo um den gebürtigen Berliner Nils Ehlers und Clemens Wickler. Und auch wenn die beiden im Finale gegen die Weltranglisten-Ersten aus Schweden in beiden Sätzen chancenlos waren (10:21, 13:21), nach kurzem Frust überwog die Freude. Zumal das Duo bei der Siegerehrung mit Sprechchören gefeiert wurde, was nicht mal den Siegern zuteil wurde. Zudem hallte zu Ehren der Deutschen ein Ballermann-Hit ("Johnny Däpp") über den Place de la Concorde in Paris. Muss man auch erstmal schaffen.
Was man nach einem olympischen Wettkampf unter keinen Umständen zu Protokoll geben will: "Ich hatte das Gefühl, dass, wenn nichts passiert wäre, ich das Spiel relativ klar gewinne." Was die Berliner Tischtennisspielerin Nina Mittelham nach ihrem Match gegen die Nordkoreanerin Pyon Song zu Protokoll geben musste? Eben. Es gehe ihr "beschissen", sagte die 27-Jährige, die als letzte Deutsche im Einzelturnier der Frauen verblieben war, über die leidvolle Niederlage unter schwersten Rückenschmerzen.
Dass die deutschen Kanuten für ein paar Medaillen gut sein würden, stand durchaus auf dem Planungszettel. Dem Erwartungsdruck so standzuhalten, wie es unter anderem Max Lemke und Jacob Schopf vom KC Potsdam in Paris gelang, ist dann doch immer wieder beeindruckend. Gold im Kajak-Vierer. Gold im Kajak-Zweier. Nimmt man übrigens die Geburtsorte der beiden (Schopf - Berlin, Lemke - Heppenheim) zugrunde und sucht auf dem Weg zwischen diesen beiden Orten nach der goldenen Mitte, also dem perfekten Kanuten, müsste man theoretisch im thüringischen Gangloffsömmern fündig werden. Aber Wasser ist nass und die besten Kanuten kommen aus Brandenburg.
Olympia-Bronze für die 4x100-Meter-Staffel der Frauen um die Berlinerin Gina Lückenkemper. Die erste Medaille dieser Art seit der deutschen Wiedervereinigung. "Wir sind alle um unser Leben gerannt. Wir haben unser Herz auf der Bahn gelassen", sagte Lückenkemper anschließend. Die gute Nachricht: Es wurde wiedergefunden. Bei jedem einzelnen Zuschauer.
Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio hieß sie noch Annika Schleu. In Paris nun startete die gebürtige Berlinerin nach Heirat unter dem Namen Zillekens. Und auch sonst änderte sich manches. Und anderes blieb gleich. Der Ärger mit dem Pferd zum Beispiel. In Japan, vor drei Jahren, verzweifelte Zillekens dabei so sehr, dass sie unter Tränen mit der Gerte auf das Pferd schlug. Es folgte eine Welle der Empörung. In Paris nun ist Reiten zum letzten Mal Teil des Fünfkampfs gewesen. Und wieder verweigerte das (zugeloste) Pferd nach Beinahe-Sturz. Und wieder flossen die Tränen. Finale verpasst, alles Mist. Bis die Britin Kate French für das Finale wegen Krankheit zurückziehen musste, Zillekens an ihrer Stelle antreten durfte, einen souveränen Ritt durch den Parcours hinlegte - und im letzten Wettkampf ihrer Karriere Platz 16 holte. Sie gehe mit einem großen Lachen nach Hause, sagte die 34-Jährige anschließend. Und auch so geht ein olympisches Happy End.
Die Berlinerin Laura Lindemann holte nicht nur sensationell Gold mit der Mixed-Staffel im Triathlon. Sie wurde auch noch zur deutschen Fahnenträgerin bei der Abschlussfeier bestimmt. Wie viel man aus Olympischen Spielen mit nach Hause bringen will? Laura Lindemann.
Sendung: rbb24 Abendschau, 11.08.2024, 19:30 Uhr
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