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Quelle: IMAGO / Xinhua

Nach Olympia-Auftritt

Eklat um deutsche 4x400-Meter-Staffel

Rund um die deutsche Mixed-Staffel über 4x400 Meter dominiert aktuell ein nicht sportliches Thema die Gespräche. Startläufer Jean Paul Bredau wirft dem Verband vor, nicht die vier besten Läufer und Läuferinnen nominiert zu haben. Von Jette John

Vor den Olympischen Spielen waren alle begeistert von der Energie, vom Zusammenhalt in der Berliner Läufergruppe von Bundesstützpunkttrainer Sven Buggel. Der hatte bei der Verabschiedungszeremonie der Berliner Olympia-Athleten gesagt: "Wir haben schon sehr, sehr viel Spaß in unserer Trainingsgruppe." Und: "Darstellen tun wir uns über die Staffeln." Bei Buggel trainieren unter anderem die 400-Meter-Läufer Alica Schmidt, Skadi Schier, Luna Bulmahn und Jean Paul Bredau.

Doch kaum haben die Leichtathletik-Wettkämpfe im Pariser Stade de France begonnen, scheint es vorbei zu sein mit der guten Stimmung: "Krach in der Schmidt-Staffel", titelte die "Bild"-Zeitung und nahm Bezug auf die missglückte Final-Qualifikation der 4x400-Meter-Mixed-Staffel in der Besetzung Bredau, Schmidt, Manuel Sanders und Eileen Demes. Von Leichtathletik-Zoff war zu lesen, vom angeblichen Potsdamer "Stänkerpärchen" Bredau, 25, und Bulmahn, 24. Am Sonntag entschied der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) schließlich, Bulmahn in der 4x400-Meter-Frauenstaffel in Paris nicht mehr einzusetzen.

Seit kurzer Zeit offiziell ein Paar

Was war passiert? Schon am Freitagabend verpasste die Mixed-Staffel deutlich das Finale. Bredau war als Startläufer 1,7 Sekunden über seiner bisherigen Jahresbestzeit geblieben. Nach dem Rennen hatte er geklagt: "Im Vorfeld lief nicht alles wunderbar. Daher waren die Kräfte nicht da. Es sind einige Entscheidungen gefallen, die nicht alle bewilligt haben. Vom DLV wird ganz klar gesagt: Die schnellsten Vier sollen laufen. Es wurde anders entschieden."

Was er damit meinte? Wird wohl erst im Zusammenhang mit den Äußerungen seiner Freundin Luna Bulmahn verständlich, die vor dem Rennen auf Instagram postete: "Ja, ich bin die zweitschnellste 400-Meter-Athletin auf dem Papier. Nein, ich wurde nicht für die Mixed-Staffel nominiert." Dass Bredau und Bulmahn ein Liebespaar sind, zeigten sie erst vor eineinhalb Monaten bei den Europameisterschaften in Rom öffentlich, als sich der Potsdamer nach der Bronzemedaille der 4x400-Meter-Männer-Staffel an der Stadionbande einen Kuss von Bulmahn abholte. Dass sie vorhatten, zusammen bei Olympia zu starten, machte Bulmahn klar, indem sie auf Instagram zum Kussfoto mit Bredau schrieb: "Diese Reise mit dir zu teilen ist die absolute Erfüllung eines Traums. Ich kann es nicht erwarten, Erinnerungen fürs Leben zu schaffen."

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Schmidt meldet sich zu Wort

Alica Schmidt, die Berlinerin, der auf Instagram mittlerweile 5,2 Millionen Menschen folgen und die von "Bild" zu "Miss Olympia" gekürt wurde, reagierte nach dem Rennen auf Bredaus Worte: "Es gab im Vorfeld Unstimmigkeiten. Ich muss sagen, wir sind ein Team. Wir sollten zusammenhalten. Wir sollten darauf vertrauen, was die Trainer entscheiden und dementsprechend auch hier mental ready sein. Jeder bereitet sich hier drei Jahre darauf vor. Und wer dann hier steht und nicht voll hinter der Staffel steht – finde ich schwierig." In einer Zeit von 3:15:63 Minuten war die deutsche Mixed-Staffel als Siebte im Vorlauf ausgeschieden.

Vor den Spielen hatte Buggel über Schmidt gesagt, sie sei ein Leadertyp. "Sie pusht. Sie kann so eine Gruppe ganz gut führen in ihrer Art und ihrer Professionalität. Die profitiert von der Trainingsgruppe und umgekehrt. Sie hat schon oft gepostet, war für eine coole Trainingsgruppe sie hat." Ganz offenbar lief intern, zumindest aus Sicht von Bulmahn, die im Oktober vorigen Jahres nach Potsdam zu ihrem Freund Bredau gezogen war und gleichzeitig Teil der Berliner Trainingsgruppe wurde, nicht alles so cool.

Social-Media-Popularität ein Faktor?

In der Jahresbestenliste des Deutschen Leichtathletik-Verbandes wird die Langsprinterin des SCC Berlin tatsächlich mit einer Zeit von 52,18 Sekunden derzeit erst auf Rang vier geführt. Hinter der Neu-Isenburgerin Demes (51,63 Sekunden), hinter Bulmahn (51,72 Sekunden), die für den VfL Wolfsburg startet und hinter Annina Fahr (52,08 Sekunden) vom TUS Gottmadingen.

Doch Mutmaßungen, der DLV habe sich aufgrund der Social-Media-Popularität für Vorzeige-Läuferin Schmidt entschieden, sind ebenso unangebracht wie Bredau zu unterstellen, er sei absichtlich langsamer gerannt. "Alica ist völlig berechtigterweise an den Start gegangen. Es gab noch kein Staffelrennen, das sie nicht gut gemacht hat. Was den fliegenden Start angeht, ist sie absolut die Stärkste, da geht kein Weg an ihr vorbei", sagte der Berliner Bundesstützpunkt-Trainer Buggel am Montag.

Schmidt mit schnellster Zeit bei fliegendem Wechsel

Tatsächlich lief Schmidt auch in der Mixed-Staffel mit, die im Mai bei der Staffel-WM auf den Bahamas überhaupt erst für die Olympia-Qualifikation sorgte. Bei den Europameisterschaften in Rom einen Monat später rannte Schmidt in der deutschen Frauenstaffel, die mit Schier, Bulmahn und Demes Achte wurde, bei fliegendem Wechsel in 50,81 Sekunden die schnellste Zeit, wie einem Interview der Berliner Leichtathletik-Verbandes zu entnehmen ist.

Und Buggel sagt: Der Leistungsnachweis Ende Juli, bei dem Bulmahn ihre Top-Zeit lief, auf die sie und Jean Paul Bredau jetzt verweisen, sei ohnehin nie als Qualifikation für die Mixed-Staffel gedacht gewesen, sondern nur für die 4x400-Meter-Staffel der Frauen. "Das haben wir auch so kommuniziert, vielleicht hat Luna das falsch verstanden", so Buggel.

Sanktion für Bulmahn

Am Sonntagmorgen schon hatte der DLV auf die Unstimmigkeiten rund um die Mixed-Staffel reagiert und klargestellt: "Die Aufstellung wurde mit Blick auf ein erfolgreiches Mixed-Staffelteam getroffen." Die Entscheidung sei einstimmig durch das DLV-Trainerteam mit dem leitenden Bundestrainer Julian Reus sowie Volker Beck, Jörg Möckel und Sven Buggel getroffen und gegenüber den Athletinnen und Athleten begründet worden. Und: "Jean Paul Bredau hat sich entschuldigt."

Deshalb war Bredau am Sonntagabend im Einzelrennen am Start und schaffte es mit einem mutigen Rennen mit seiner drittschnellsten Zeit überhaupt in 45,07 Sekunden als Vorlaufvierter in den Hoffnungslauf am Montagmorgen. Zum Olympia-Aus seiner Freundin Luna Bulmahn wollte er nichts mehr sagen. Er bestätigte aber, dass er sich nach einer Nacht des Nachdenkens bei der Mannschaft für seine Vorwürfe entschuldigt habe.

Bulmahn, für die ohnehin eine spätere Anreise nach Paris vorgesehen war, wird laut DLV bei der Frauenstaffel in Paris nicht eingesetzt. Die Sanktion ist als Reaktion auf ihren Instagram-Post zu sehen, in dem sie ihre Unzufriedenheit über die Nichtnominierung ausdrückte. Am Sonntag stellte DLV-Leistungssport-Vorstand Jörg Bügner klar: "Staffeln sind Mannschaftssport. Die Athleten und Trainer bilden diese Mannschaft. Der Erfolg hängt vom guten Teamwork und gegenseitigem Vertrauen aller ab."

Quelle: IMAGO / Sven Simon

Die Vorfreude war groß

Anfang Juli hatte Luna Bulmahn noch mit einer Deutschland-Fahne in den Händen gepostet: "Ich kann es nicht in Worte fassen, wie stolz und glücklich und überwältigt ich bin, Deutschland bei den Olympischen Spielen in Paris zu repräsentieren." Ein Croissant-Emoji zierte die Sätze. An die Adresse von Bredau schrieb sie dazu: "Ich hätte das nicht geschafft, ohne dass du jeden einzelnen Tag an meiner Seite gewesen bist. Du bist mein Held. Ich liebe dich."

Ob Bulmahn nach dem Staffel-Rauswurf nun überhaupt nach Paris reist, ist unklar. Sie war am Sonntag nicht zu erreichen. Buggel sagte, es habe ihn "wie einen Schlag getroffen", dass diese Geschichte aus seiner Trainingsgruppe heraus gekommen sei. Das sei nicht abzusehen gewesen für ihn. "Die Laune war bis dato sensationell", so Buggel. Er sei enttäuscht und sehr traurig.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.08.24, 21:15 Uhr

Beitrag von Jette John

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