Personalwechsel bei Viktoria Berlin
Vergangene Woche gab Viktoria Berlin den Abschied des sportlichen Führungsduos Rocco Teichmann und Bernd Nehrig bekannt. Nach eigener Aussage entschieden sich beide selbst für den Abgang - auch, weil der Klub finanziell angeschlagen sei. Von Jonas Bürgener
Viktoria Berlin ist in der Regionalliga Nordost mit acht Punkten aus den ersten sechs Spielen in die neue Saison gestartet. Ein durchwachsener Start für den ambitionierten Klub, der seit 2019 von Geldern des Investoren Zeljko Karajica und seiner SEH Sports & Entertainment Holding gestützt wird.
Der plötzliche Abschied des langjährigen sportlichen Führungsduos Rocco Teichmann und Bernd Nehrig kam dennoch überraschend. Geschäftsführer Teichmann hatte seinen Vertrag bei den Lichterfeldern erst im Juni bis 2026 verlängert, auch bei Sportdirektor Nehrig war ein Abgang eigentlich nicht absehbar. Was ist also passiert bei Viktoria Berlin?
In einer ersten Pressemitteilung von Viktoria Berlin nach der Trennung fand der Klub versöhnliche Worte. "Unser Dank gilt Rocco Teichmann und Bernd Nehrig für ihren großen Einsatz und ihre Arbeit für Viktoria Berlin in den zurückliegenden Jahren, auf die wir nun in der neuen Konstellation aufbauen und gemeinsam voller Leidenschaft anpacken werden", hieß es von Hauptgesellschafter Karajica. Genaue Gründe für die Trennung nannte der Verein nicht.
Der ehemalige Sportdirektor Nehrig wird im Gespräch mit rbb|24 deutlicher: "Seit längerem bestand eine gewisse Unzufriedenheit bei mir über verschiedene Themen wie die finanzielle Situation, Optimierung der Infrastruktur und Professionalisierung des Vereins. Da leider über Monate hinweg keine Besserung eingetreten ist, habe ich beschlossen, mein Arbeitsverhältnis zu kündigen, da mein Anspruch nicht mehr zur Realität gepasst hat. Das habe ich auch so mitgeteilt. Ich habe als sportlicher Leiter von den Jungs immer volles Engagement und Professionalität verlangt. Wir haben es als Klub aber nicht geschafft, professionell zu arbeiten", sagt Nehrig.
Nach eigenen Angaben hat er das Arbeitsverhältnis bereits zum 6. Juli mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist aufgelöst. Demnach hätte Nehrig eigentlich noch bis zum 6. Oktober weiterarbeiten sollen. "Die Gesellschafter haben dann aber gesagt, dass sie schon zum 31. August einen Schnitt machen wollen."
Einen Vorwurf macht Nehrig Investor Karajica nicht. "Am Ende des Tages hat er schon viele Millionen in den Verein gesteckt, seitdem er ihn übernommen hat", sagt Nehrig. "Da spielen viele andere Themen mit rein - sei es die Corona-Phase, die Inflationsthematik oder die politischen Themen, die bei vielen Firmen dazu führen, dass sie vorsichtiger werden und ihre Sponsorings zurückschrauben oder einstellen."
Auch die Drittliga-Saison und die Unsicherheit rund um den Jahnsportpark habe den Klub und seinen Investor viel Geld gekostet. "Wir mussten zum Beispiel Flutlicht für über eine Million installieren, den Rasen wieder aufbereiten oder die Wasserleitungen wiederherstellen. Das haben wir natürlich nicht wieder zurückbekommen", sagt Nehrig. Auch bei der Stadionmiete und beim Kader seien die Kosten in die Höhe geschossen. "Im Gegenzug hatten wir nicht genügend Zuschauer, um die Kosten wieder reinzuholen."
Ex-Geschäftsführer Rocco Teichmann sieht das ähnlich. Er hätte sich vor allem mehr Unterstützung aus dem Berliner Umfeld und insbesondere der Politik gewünscht. "Der Support des Landes und der Bezirke ist zu wenig für einen Verein, der im Breiten- und Leistungssport und auch im sozialen Bereich so abliefert, wie Viktoria es tut", sagt Teichmann.
Mit Kritik an Investor Karajica hält er sich ebenfalls zurück, auch wenn es zuletzt verschiedene Auffassungen bei der Zukunftsausrichtung gegeben habe. Was ihm jedoch grundsätzlich gefehlt habe, sei "die Anerkennung von den Gesellschaftern für das Geleistete". Das gilt auch für den Moment des Abschieds: "Ich hatte in den letzten neun Jahren eine sehr intensive Zeit und habe mir eine größere Würdigung erhofft. Es war sicher nicht so, dass wir gehen mussten", so Teichmann.
Karajica selbst sieht die Situation bei Viktoria nach der Trennung von Teichmann und Nehrig deutlich gelassener. "Wir haben und werden bei Viktoria Berlin unsere Gehälter und Außenstände bezahlen. Das einzige, was ich sage, ist, dass wir uns strategisch neu aufgestellt haben. Dabei werden wir keine finanziellen Abenteuer machen und so ein gesunder und nachhaltiger Viertligist sein", sagt Karajica. "Wir sind jetzt seit fünf Jahren bei Viktoria Berlin unterwegs, waren in der dritten Liga, haben ein Stadion in Berlin aufgerüstet und sind bisher jedem Euro Zahlungsverpflichtung nachgekommen."
Dass Nehrig und Teichmann aus eigenen Stücken bei Viktoria aufgehört hätten, bezeichnet der Gesellschafter als "Gerüchte", an denen er sich nicht beteiligen wolle. Die neue Führung, die zunächst von Karajica selbst als Geschäftsführer angeleitet wird, solle nun mit einer Fokussierung auf die Jugendarbeit in die Zukunft blicken. Der Plan des Unternehmens: Möglichst viele Spieler sollen den Weg in den Profifußball finden - vor allem in Kooperation mit dem österreichischen Erstligisten Austria Klagenfurt und dem kroatischen Profiklub HNK Sibenik, die ebenfalls zum Netzwerk der SEH Sports & Entertainment Holding gehören.
Beitrag von Jonas Bürgener
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