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Quelle: IMAGO / Matthias Koch

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Hertha nach dem Transfersommer: Der Berliner Weg ist weiter geebnet

Die Transferphase war für Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber ein Balanceakt. Finanzielle Nöte und sportliche Ambitionen vertragen sich nicht besonders. Doch nach Transferschluss lässt sich sagen: Weber hat das Gleichgewicht gehalten. Von Antonia Hennigs

25 Tore in 36 Pflichtspielen: Die Quote, die Haris Tabakovic in der vergangenen Saison für Hertha erzielte, spricht für sich selbst. Dementsprechend schmerzte der Abgang des 30 Jahre alten Torjägers. Tabakovic zog es nach Hoffenheim und brachte Hertha wohl rund fünf Millionen Euro ein.

Der Transfer war ein Sinnbild für den schmalen Grat, mit dem Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber es in diesem Sommer zu tun hatte. "Wir haben auch unter Berücksichtigung unserer Gesamtsituation dem Wechsel zugestimmt", ließ Weber nach Abschluss des Transfers durchblicken, dass nun mal Kompromisse gemacht werden müssen.

Dramatischer Sieg beim FCK

Hertha spürt den Fiél-Effekt

Es war ein dramatisches Spektakel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Hertha BSC. Dass die Berliner letztendlich als Sieger vom Platz gingen, lag an unbändigem Willen, individueller Klasse – aber vor allem an Trainer Cristian Fiél, dessen Arbeit erste Früchte trägt. Von Marc Schwitzky

Zur Wahrheit gehört auch, dass Luca Schuler Wochen zuvor als Tabakovic-Backup verpflichtet wurde. Nun lastet ein ganz anderer Druck auf ihm. Beim spektakulären 4:3-Sieg in Kaiserslautern am Samstagabend stellte er mit seinem Doppelpack eindrücklich unter Beweis, dass er damit umgehen kann.

Nach guten Joker-Einsätzen in den ersten Saisonspielen stand der 25-Jährige auf dem Betzenberg erneut in der Startelf. Wenn es nach ihm ginge, dürfe das auch so bleiben. Ob er an die Quote von Tabakovic rankommt, ist jedoch zu bezweifeln. Die Euphorie nach Kaiserslautern ist groß, aber sucht man nach Schwachstellen im Hertha-Kader, landet man am ehesten im Sturm.

Vom "Problem-Profi" zum Vorzeigespieler

Es scheint bislang, als hätte Weber vor allem im Mittelfeld ein goldenes Händchen bewiesen. Neben Kevin Sessa, der ablösefrei aus Heidenheim kam und die Mannschaft nach seiner Knie-Verletzung verstärken soll, wurde auch Michael Cuisance verpflichtet. Ein Name, bei dem im Hertha-Umfeld sicher die ein oder andere Alarmglocke geklingelt hat. "Problem-Profi", "schwieriger Typ", "Provokateur". So fiel er vor allem während seiner Zeit bei Bayern München auf. Doch der 25 Jahre alte Franzose scheint in den letzten Jahren einen Sinneswandel durchlebt zu haben und gereift zu sein. Cuisance ist fit wie nie, zielstrebig und vor allem ein echter Gewinn für die Mannschaft - etwa mit seinem Siegtreffer in Kaiserslautern. Ein Balanceakt in Person, wenn man so will. Weber hatte das richtige Gefühl.

Kommentar

Der Kempf-Abgang gefährdet Herthas Aufstiegstraum

Mit Marc Oliver Kempf verlässt der nächste Leistungsträger Hertha BSC. Der Abgang des Innenverteidigers reißt eine riesige Lücke in den Plan von Trainer Fiél und ist daher eine Gefahr für Herthas Aufstiegsambitionen. Ein Kommentar von Marc Schwitzky

Im defensiven Mittelfeld hat Hertha mit Diego Demme einen Wunschspieler verpflichtet. Der 32-Jährige kam ablösefrei aus Neapel und übernahm sofort eine Führungsposition in der Mannschaft. Das wird nicht nur durch die Kapitänsbinde deutlich, die er trägt, wenn Toni Leistner nicht auf dem Platz steht. In einer perfekten Welt würde sich neben Pascal Klemens aber noch ein Sechser-Ersatz im Hertha-Kader wiederfinden.

Kempf geht, Brooks kommt

Die Reaktionen auf den Abgang von Marc Oliver Kempf waren nicht gerade von Freude dominiert. Der Innenverteidiger, der 75-mal für Hertha auflief, war für diese Saison als wichtiger Faktor in der Defensive und im gesamten Team eingeplant. Immerhin: Hertha soll von seinem neuen Verein Como 1907 rund 2,5 Millionen Euro für Kempf erhalten haben. Und nur einen Tag später präsentierten die Berliner einen alten Bekannten. John Anthony Brooks kehrt zu seinem Ausbildungsverein zurück. Er kennt Hertha, ist ein erfahrener Innenverteidiger und kommt ablösefrei. Ein "Vorzeigetausch" von Seiltänzer Weber.

Transfer-Überblick Hertha BSC

Was für die Bestnote fehlt

Irgendwas zu meckern lässt sich bekanntlich ja immer finden. Deyovaisio Zeefuik spielt als gelernter Rechtsverteidiger aktuell auf der linken Seite, da Jeremy Dudziak zu Saisonbeginn nicht überzeugen konnte. Michal Karbownik ist der Dritte im Bunde, der auf der Position spielen kann, aktuell aber im Mittelfeld eingesetzt wird. Drei unterschiedliche Spieler, mit denen man so in die Saison gehen kann, über eine Alternative für die linke Defensive hätte man sich aber auch nicht beschwert.

Was dem finanziellen Gebilde außerdem gut getan hätte, wären ein oder zwei Verkäufe mehr von Spielern, die höchstwahrscheinlich ohne tragende Rolle bleiben. Wilfried Kanga, Agustin Rogel und Kelian Nsona konnten "nur" verliehen werden. Myziane Maolida wiederum verdient nun in Saudi-Arabien sein Geld. Immerhin Suat Serdar hat Hertha weitere 4,5 Millionen Euro eingebracht, die sich gut auf dem Konto machen. Serdar hatte sich bei seiner Leihe in der Serie A bei Hellas Verona bewährt und für eine Festanstellung empfohlen.

Wichtige Bekenntnisse und das Gefühl stimmt

Die vielleicht wichtigsten Deals der ganzen Transferphase waren aber wahrscheinlich die, bei der niemand kam und niemand ging. Fabian Reese bleibt Hertha erhalten und wird weiter im Olympiastadion auflaufen, wenn seine Sprunggelenksverletzung auskuriert ist. Ein Abgang des 26-Jährigen stand bis zum Schluss immer im Raum. Und am Freitag ließ dann auch Ibrahim Maza die Hertha-Herzen höher schlagen. Das 18 Jahre alte Talent verlängerte seinen Vertrag bis 2027. "Ein klares Bekenntnis zum Berliner Weg", wie der Verein schrieb.

Fazit: Um die zehn Millionen Euro Transferplus erwirtschaftet und der neue Kader passt zur Strategie des Vereins. Mit dem vorhandenen Kader will der auch noch neue Cheftrainer Cristian Fiél mutig und dominant spielen. Nach den ersten Spielen der noch jungen Saison scheint es, als trage dieser Ansatz zunehmend Früchte. Außerdem will Hertha (schon immer) seine Jugendspieler fördern. Der Kader für diese Saison lässt viel Platz für die Talente aus der eigenen Reihe. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen: Ohne die Eigengewächse Maza, Marten Winkler, Linus Gechter, Marton Dardai und Derry Scherhant wird eine Startformation schwierig. Benjamin Weber hat auch hier die Balance gefunden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.09.2024, 07:55 Uhr

Beitrag von Antonia Hennigs

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