Interview | Albas Kapitän Hermannsson
Martin Hermannsson ist neuer Kapitän von Alba Berlin. Im rbb|24-Interview spricht der Isländer über seine Rolle im Team, seine Vorbilder, die großen Herausforderungen für das junge Team - und das Leben als zweifacher Familienvater.
rbb|24: Herr Hermannsson, sagt Ihnen der Begriff "Steuermann" etwas?
Martin Hermannsson: Mhm… Ne, nicht wirklich?
Dann probiere ich es mal im Wikingerjargon auf Isländisch… Der Styrimaðr?
Ah, der Styrimaðr. Das ist der Kapitän, oder? Der Kapitän eines Bootes.
Absolut richtig. Als frisch ernannter Kapitän steuern Sie ja sozusagen ab sofort das Berliner Boot von Alba Berlin. Wie gehen Sie Ihre neue Aufgabe an?
Zuallererst ist es mir eine Ehre. Ich hatte so eine Ahnung, dass ich irgendwann in meiner Karriere Kapitän werden würde. Ich mag es schließlich voranzugehen – und viel zu reden. So war es gefühlt nur eine Frage der Zeit und ich war ja letztes Jahr schon Kapitän in Valencia. Im Sommer rief Jonas Mattisseck mich an und fragte, ob ich mir das Amt auch bei Alba vorstellen könnte – auch weil ich schon so viele Jahre in der Euroleague verbracht habe.
Steht das neue Amt symbolisch dafür, wie sich Ihre Rolle im Team seit Ihrer Rückkehr verändert hat? Bei ihrer ersten Station in Berlin etablierten Sie sich gerade erst in einer europäischen Topliga, nun sind Sie als Veteran zurückgekehrt.
Es ist jetzt natürlich anders. Die Jungs erwarten nun gewisse Dinge von mir als Kapitän und ich muss vorangehen. Als ich mit 24, 25 Jahren das erste Mal bei Alba war, konnte ich es mir erlauben, viel an mich und meine eigene Entwicklung zu denken. Ich hatte allerdings großes Glück in meiner Karriere, weil ich nur gute Kapitäne als Vorbilder hatte – zum Beispiel Luke Sikma hier bei Alba. Ich versuche jetzt, mich an ihnen zu orientieren und eine ähnliche Führungsfigur für mein Team zu sein.
Auch die Gesamtsituation hat sich sehr verändert. Im Vergleich zu ihrem Abgang vor vier Jahren hat sich das Team nahezu komplett verändert. Was sind für Sie sportlich die größten Unterschiede?
Das Team ist seit meinem Abgang gefühlt jedes Jahr immer jünger geworden. Unser Budget ist im Euroleague-Vergleich vermutlich nicht das größte, aber dennoch ist Alba aufgrund der guten Rahmenbedingungen einer der besten europäischen Klubs für junge Spieler. Ich könnte eine ewig lange Liste an Spielern aufzählen, denen der Verein in den letzten Jahren große Entwicklungssprünge ermöglicht hat. Da ist Alba zu Recht sehr stolz darauf. Wenn man in der Euroleague bestehen will, braucht es aber eine gewisse Balance. Und wir sind diese Saison vermutlich noch jünger, als es sich die Verantwortlichen gewünscht haben. Das ist eine Herausforderung für mich: Ich muss den jungen Spielern vorleben, wie man Spiele in der Euroleague gewinnt.
Sie sprechen den personell schwierigen Sommer an, nachdem außerhalb des Klubs durchaus große Skepsis herrscht. Es wird die Frage nach der Konkurrenzfähigkeit in der Euroleague und ernsthaften Titelchancen in der Bundesliga (BBL) gestellt. Wie gehen Sie als Spieler damit um und als Team in die neue Saison?
Wir wollen in der Liga nicht nur mithalten – wir wollen die Meisterschaft gewinnen. Das ist ganz klar. Alba spielt immer um Titel, aber die Art und Weise, wie wir spielen, braucht Zeit. Das kann zur Folge haben, dass man anfangs etwas strauchelt. Es wird sicherlich viele Hochs und Tiefs geben. Aber in den vergangenen Jahren war Alba immer am Leistungsmaximum, wenn es wirklich entscheidend war. Und in der Euroleague können wir ohne Druck aufspielen und ein paar Gegner, die uns unterschätzen, enttäuschen. Natürlich liest niemand gerne, wenn man von vorneherein abgeschrieben wird. Aber wir haben viel Talent und wenn wir gesund bleiben, können wir viele Leute Lügen strafen.
Viel von dem Talent, das Sie ansprechen, tummelt sich diese Saison auf den Guard-Positionen. Inwiefern kann das ein Vorteil werden und gibt es einen Spieler, neben dem Sie besonders gerne auf dem Parkett stehen?
Letzte Saison hätten wir wegen der ganzen Verletzungen eher noch mehr Guards gebraucht (lacht). Deshalb habe ich lieber ein bisschen Konkurrenzkampf und viele Optionen als keine. Mateo Spagnolo, Ziga Samar und auch Will (McDowell White, Anm. d. Red.) und ich können allesamt Point Guard, aber auch abseits des Balles Spielen. Das verleiht uns viel Variabilität. Dazu kommt Matt Thomas, mit dem ich mich echt gut ergänze. Wir sind die beiden Alten im Team und er wirft so gut, dass er mir viele Assists beschert.
In den letztjährigen Finals musste Thomas nach Ihrer Verletzung ohne ihre Assists auskommen – und auch zuvor waren Sie noch nicht so wirklich zufrieden mit Ihren eigenen Leistungen. Wieso glauben Sie, dass diese Spielzeit auch für Sie anders laufen wird?
Ich habe das erste Mal seit drei Jahren wieder eine Saisonvorbereitung absolviert. Ich habe diesen Sommer wirklich hart gearbeitet, um wieder in Form zu kommen. Das war superwichtig, weil es echt schwer es ist, zurückzukommen, wenn alle anderen bereits im Rhythmus sind. Jetzt spüre ich körperlich solch einen Unterschied und bin so erholt, dass ich das Gefühl habe, wieder ich selbst zu sein. Deswegen freue ich mich total auf die Saison.
Einziges Hindernis bei der Erholung dürfte ihr jüngst in Berlin geborener Familienzuwachs sein. Wie ist der Alltag als Basketballprofi mit nun zwei Kindern?
Zunächst einmal ist es ein Segen, gesunde Kinder zu haben. Jeder Tag ist anders und die beiden wachsen so schnell auf. Natürlich komme ich manchmal nach dem Training nach Hause und will mich eigentlich nur noch auf die Couch legen. Andererseits wartet immer jemand, der sich freut, wenn du nach Hause kommst. Und ich habe großes Glück mit meiner Frau. Im Grunde kümmert sie sich um mich, als wäre ich das dritte Kind. (lacht) Zuletzt habe ich die meisten Nächte im Gästezimmer geschlafen, weil sie weiß, wie wichtig genug Schlaf in meinem Beruf ist. Und wenn ich Feierabend oder mal einen freien Tag habe, übernehme ich und sie kann sich entspannen. Aber die Familie bietet mir schon eine neue Perspektive.
Wie meinen Sie das?
Früher hatte ich große Probleme, nach einer Niederlage einzuschlafen. Jetzt realisiert man, was wirklich wichtig ist. Natürlich ist Basketball auch wichtig, aber eben nicht so, wie die eigene Familie. Mit ihr kann ich auch nach Niederlagen besser abschalten – auch, wenn die mich natürlich immer noch nerven.
Apropos Niederlagen: Zum Saisonstart setzte es in Hamburg bereits eine sehr deftige. Jetzt stehen gegen Oldenburg (Samstag, 18:30 Uhr) und zum Euroleague-Start gegen Titelverteidiger Panathinaikos Athen zwei Heimspiele an. Mit welchem Gefühl gehen Sie in die beiden Partien?
Nach der letzten Niederlage wollen wir unser wahres Gesicht zeigen. Und ich persönlich bin der Meinung, dass wir – zumindest in der BBL – diese Saison kein Heimspiel verlieren sollten. In der EuroLeague werden wir nächste Woche natürlich direkt ins kalte Wasser geworfen. Aber vielleicht ist es nicht schlecht, gegen Panathinaikos zu spielen, wenn die noch nicht ihren besten Rhythmus gefunden haben. Und es gibt in der Euroleague schließlich jedes Jahr zum Saisonstart ein paar überraschende Ergebnisse.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jakob Lobach, rbb|24 Sport. Es wurde für die Online-Fassung übersetzt und gekürzt.
Sendung: rbb Der Tag, 26.09.2024, 18 Uhr
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