Fußball-Bundesliga
Union Berlin ist in der jungen Saison noch ungeschlagen. Die "Eisernen" haben zu ihren alten Tugenden zurückgefunden und bringen Gegner wieder zum Verzweifeln. Am Samstag treffen sie auf die TSG Hoffenheim, die bereits reichlich Verzweiflung mitbringt.
Es ist ein Gewitter über das sonst so beschauliche Sinsheim gezogen, die Stimmung bei der TSG Hoffenheim ist mies. "Das liegt im Wesentlichen an der verkorksten Transferperiode, die in der viel zu späten Entscheidung, sich von Sport-Geschäftsführer Alexander Rosen zu trennen, begründet ist", erklärt David Riess, Hoffenheim-Fan- und Podcaster.
Das Personalbeben im Sommer hatte große Auswirkungen. "Es musste Frank Kramer übernehmen, der auf dieser Position noch keine Erfahrung besitzt. Zudem hatte sich alles verzögert, so dass Neuverpflichtungen auf sehr wichtigen Positionen viel zu spät gekommen sind. Viele neue Spieler hatten keinerlei Vorbereitung mit der Mannschaft", so Riess.
So grenze die Kadersituation für Trainer Pellegrino Matarazzo an eine Frechheit. Die neu und spät zusammengewürfelte Mannschaft mit Spielern auf ungewohnten Positionen lässt bislang noch keine genaue Handschrift des Trainers erkennen. Offensiv sei die TSG weiterhin zu abhängig von Individualist Andrej Kramaric, defensiv sei noch vieles chaotisch.
"Matarazzo weiß auch nicht, wo er taktisch hinwill", fühlt Riess, der aufgrund von drei Punkten aus den ersten drei Spielen noch keine Krise ausrufen will, doch: "Es ist schon ordentlich Druck drauf. Das kann eine ungemütliche Saison werden."
Das liegt auch am derzeitigen Zwist zwischen den Ultra-Gruppierungen und der TSG-Geschäftsführung, die in einem Stimmungsboykott der organisierten Fanszene im Stadion geführt hat. "Die Entlassung von Rosen in Kombination damit, dass aktuell niemand weiß, wer eigentlich das Sagen im Verein hat – das war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", erklärt Riess.
Die angeblich große Einflussnahme von Berater Roger Wittmann und dass Mäzen Dietmar Hopp trotz Ankündigung des Rückzugs wohl doch noch intern Entscheidungen treffen soll, so dass die Mitarbeitenden doch nicht frei arbeiten können – all das seien laut dem Hoffenheim-Podcaster keine neuen Entwicklungen. "Das Hauptproblem ist wie so oft die Kommunikation: Man hat es unfassbar schlecht kommuniziert und einen unglaublich schlechten Zeitpunkt für Rosens Entlassung gewählt. Das macht alle so wütend, denn die anderen Entwicklungen sind keine neuen Geschichten. Jetzt liegt die Stimmung am Boden." Und das hat Auswirkungen auf das Sportliche.
Mit 136 Toren und 57 Vorlagen in 288 Pflichtspielen ist Andrej Kramaric seit nun schon vielen Jahren die offensive Lebensversicherung Hoffenheims - und der 33-Jährige ist auch heute noch der wichtigste TSG-Angreifer, wie vier Tore und eine Vorlage in den ersten drei Partien der neuen Saison belegen. "Er ist mittlerweile für nahezu alles im Angriff zuständig, von der Vorlage bis zum Schuss. Er hat unfassbar große fußballerische Qualitäten und ein unglaubliches Gespür für diesen Sport, das sein mittlerweile fehlendes Tempo auch ausgleicht", erklärt Riess.
Doch der Hoffenheim-Fan will noch einen weiteren Spieler nennen. "Wer trotz sehr vielen Bundesligaspielen und Teilnahmen an großen Turnieren häufig unterm Radar bleibt, ist unser rechter Schienenspieler Paval Kaderabek." Der Tscheche würde die so dringend benötigte Mentalität verkörpern, zeichne sich vor allem durch Laufstärke und Kampfeswille aus. "Zwar hat er nicht die größten fußballerischen Qualitäten, aber er wirft sich in alles rein und gibt nie auf. So hat er sich in all den Jahren bei der TSG immer gegen seine Konkurrenz durchgesetzt. Er ist unsere tschechische Lokomotive." Quasi der Christopher Trimmel Hoffenheims.
Bo Svensson (Union Berlin): "Sie haben in Frankfurt und gegen Leverkusen verloren. Das wird auch noch anderen Mannschaften so gehen. Sie waren Siebter im letzten Jahr, haben nur Maximilian Beier abgegeben und 50 Millionen Euro investiert. Es wird ein schweres Spiel, wir müssen den Fokus auf uns selbst haben."
Pellegrino Matarazzo (TSG Hoffenheim): Pressekonferenz zum Spiel steht noch aus.
Unions Trainer Bo Svensson wird nach überstandenem Infekt wieder an der Seitenlinie stehen - damit ist der Däne der einzige Rückkehrer, den die Berliner bei sich begrüßen dürfen. Josip Juranovic und Ivan Prtajin werden weiterhin verletzt ausfallen. Auch Kevin Volland wird noch keine Rolle spielen, doch hier gibt es Neuigkeiten, denn der Angreifer ist nach seiner Knie-Operation zumindest wieder ins Teamtraining zurückgekehrt. "Wir haben ihn lange in der Reha beobachtet. Kevin ist in seiner Art ein absoluter Gewinn", freut sich Svensson.
Für die Begegnung am Samstag (15.30 Uhr) im Stadion an der Alten Försterei wird Svensson vermutlich auf eine sehr ähnliche Elf setzen wie beim überzeugenden 0:0 gegen RB Leipzig. "Wir haben ein gutes Fundament, eine gute Basis", so der 45-Jährige.
Unions mögliche Startelf: Rönnow - Leite, Vogt, Doekhi - Haberer, Schäfer, Khedira, Rothe - Benes, Hollerbach – Jordan
Der Tipp des Gegner-Experten: "Ich denke, beide Teams werden sich im Spiel mit dem Ball schwertun. Union wird aufgrund unserer Defensivanfälligkeit dennoch zu Chancen kommen. Hoffenheim wird zwar den Ballbesitz dominieren, aber gar nicht so viel Torgefahr entwickeln. Daher glaube ich, es geht mit einem 1:1-Remis aus."
Der Redaktionstipp: Union Berlin scheint nach der enttäuschenden letzten Saison zurück zu den Wurzeln, die sie einst unter Urs Fischer so stark machten, gefunden zu haben. Defensiv sind die Eisernen kaum zu knacken, nur offensiv müssen sie noch zulegen. Gegen Hoffenheim wird erneut die Null gehalten - jedoch auf beiden Seiten. Ein 0:0, das Unions Ungeschlagen-Serie ausbaut.
Sendung: rbb Der Tag, 19.09.2024, 18 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen