Fußballstadien
Fast in allen deutschen Fußballstadien darf derzeit noch geraucht werden. Ein Nichtraucherverein würde dies gerne ändern und fordert die Bundesligateams zum Handeln auf. Die Klubs aus der Region zeigen sich zurückhaltend.
Jeder, der seinen Fuß schon einmal an einem Bundesliga-Spieltag in ein Stadion gesetzt hat, wird den unverkennbaren Geruch kennen: Es duftet nach Bratwurst, Bier, Rasen, leider manchmal dem Schweiß der Menschenmengen – und eben auch nach Zigarettenqualm.
Während in Deutschland die Zigarette aus dem Bild vieler Orte, an denen Menschengruppen zusammenkommen, verschwunden ist, sind die Fußballstadien bis heute eine Bastion der Raucher. Nur sechs von 18 Bundesligavereinen haben die Zigarette auf den Rängen grundsätzlich verboten. In der 2. Liga sind es sogar nur zwei Klubs.
Viel zu wenig, wenn es nach Deutschlands größtem Nichtraucherverein "Pro Rauchfrei" geht. "Für uns ist es sehr irritierend, wie wenig sich bewegt und wie veränderungsresistent die Vereine sind. Zumal klar wissenschaftlich belegt ist, wie gesundheitsschädlich das Passivrauchen ist", erklärt Pro-Rauchfrei-Mitglied Arne Weinhardt. Mittlerweile würden sie viele Anfragen und Beschwerden von Fußballfans bekommen, die sich im Stadion vom Zigarettenrauch belästigt fühlen.
Obwohl Fußballspiele meist im Freien stattfinden, sei das Passivrauchen im Stadion gefährlich, erklärt der Nichtraucherverein. Die Zuschauer würden so dicht gedrängt sitzen, dass sie zwangsläufig den Rauch von Sitznachbarn einatmen müssten. Auch die als Komfort für die Besucher konzipierte Überdachung der Zuschauerränge würde sich hier als negativ erweisen. Der Rauch könne dadurch weniger nach oben abziehen, sondern werde sogar wieder nach unten gedrückt.
Seit 2007 das Bundesnichtraucherschutzgesetz eingeführt wurde, hat sich in den deutschen Fußballstadien wenig getan. Die ersten Klubs, die das Rauchen komplett verboten haben, waren Leverkusen und Hoffenheim im Jahr 2008. 2018 zog der FC Bayern nach, 2021 Freiburg und Leipzig und seit letztem Jahr gilt auch im Weserstadion in Bremen ein Rauchverbot. "Der traurige Standard in den meisten Stadien sind weiterhing nur rauchfreie Familienblöcke. Und selbst dort gilt das Nichtrauchen teilweise nur als Freiwilligkeit", erklärt Weinhardt.
Auch bei Zweitligist Hertha BSC und Drittligist Energie Cottbus beschränkt sich das Rauchverbot auf einzelne Blöcke. Im Olympiastadion ist das der Familienblock A, südlich der Ostkurve. Im LEAG Energie Stadion befindet sich der Familienblock ganz außen auf der Westtribüne. Das Verbot gilt in beiden Stadien auch für E-Zigaretten.
Viel zu wenig für Weinhardt und seinen Verein: "Familienblöcke machen durchschnittlich nur gut 3 Prozent der Stadionkapazitäten aus. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man in 97 Prozent des Stadions zugeraucht wird. Das deckt sich natürlich überhaupt nicht mit dem Anteil der Raucher in der Gesellschaft. In Deutschland sind etwa 80 Prozent der Menschen Nichtraucher. Es müssten also eher gesonderte Raucherblöcke eingeführt werden und eben nicht gesonderte Nichtraucherblöcke." Zudem seien die Tickets für den Familienblock oft teurer als Stehplätze und aufgrund der begrenzten Blockkapazität schnell ausverkauft.
Auf rbb-Anfrage teilte Hertha mit, dass der Verein sich durchaus mit dem Thema beschäftigen würde, gab aber keine weiteren Einblicke in den Prozess und mögliche anstehende Veränderungen. Auch in Cottbus würde man das Thema Nichtraucherschutz wahrnehmen, diesem auf der aktuellen Agenda aber keine sonderlich große Priorität zuordnen. Man habe auch aus den Reihen der Fans bislang keine Kritik oder Änderungswünsche bezüglich des Themas erhalten.
Der 1. FC Union Berlin ist derweil sogar der einzige Bundesligist, bei dem das Rauchen auf den Rängen im Stadions An der Alten Försterei überall gestattet ist. Dem rbb teilte Union mit, dass das Thema Nichtraucherschutz bei ihnen bei den regelmäßigen Spieltagsumfragen der Fan- und Mitgliederbetreuung auch so gut wie nie eine Rolle spielen würde.
Sollte sich trotzdem jemand gestört fühlen, vertraut man in Köpenick auf die Eigenverantwortung der Fans. "Ein Stadionbesuch von vielen tausend Menschen kann nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme funktionieren. Das Bewusstsein dafür zu schaffen und den Menschen auch zuzutrauen, rücksichtsvoll miteinander umzugehen, halten wir für besser als das Erlassen von Verboten", erklärt der Verein.
Für Weinhardt ist das hingegen keine Option: "Das erzählen uns diverse Vereine. Aber das funktioniert leider nicht. Wir bekommen viele Berichte, dass Raucher, wenn sie gebeten werden im Stadion nicht zu rauchen, darauf verweisen, dass es ja erlaubt sei. Und damit haben sie natürlich auch recht und die Nichtraucher haben keine Chance." Auch, dass für einige Fans die Zigarette zur Stadionkultur wohl einfach dazugehört, lässt er als Argument nicht gelten. "Die eigene Freiheit endet da, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. Und dort, wo der Nichtraucher gezwungen wird, gegen seinen Willen mitzurauchen und so seine Gesundheit geschädigt wird, hört die Freiheit des Rauchers auf."
Stattdessen fordert "Pro Rauchfrei" ein grundsätzliches Rauchverbot für alle deutschen Stadien. Dass das funktionieren kann, würde ein Blick ins Ausland zeigen, sagt Weinhardt. So sind zum Beispiel seit 2007 alle Arenen der englischen Premier League rauchfrei. Wird man beim Qualmen erwischt, muss man 50 Pfund Strafe zahlen. Bei einem weiteren Verstoß wird man des Stadions verwiesen.
Der SC Freiburg geht bei seiner Durchsetzung des Rauchverbots fußballnahe Wege und zeigt Ersttätern die gelbe Karte, es wird also eine Ermahnung ausgesprochen. Wer zum zweiten Mal erwischt wird, sieht rot und fliegt dementsprechend raus. Ein ähnliches Vorgehen konnte man in diesem Sommer in vielen deutschen Stadien erleben: Bei der Europameisterschaft, die von der Uefa veranstaltet wurde, herrschte striktes Rauchverbot, das streng kontrolliert wurde.
Ob es aber wirklich in allen Fan- und Gästeblöcken der Bundesliga-Klubs möglich ist, so ein Verbot durch Ordnungspersonal umzusetzen, ist zumindest fraglich. Zumal es bei Vereinen wie Cottbus und Union nach eigener Aussage bei den Fans auch gar nicht den Wunsch danach geben zu scheint. Für "Pro Rauchfrei" sollte das aber keine Rolle spielen. "Klar ist: Gesundheitsschutz ist ein staatliches Rechtsmonopol und darf nicht vom persönlichen Empfinden des Vereins abhängen. Uns wäre also eine bundesweite Lösung am liebsten", sagt Weinhardt.
Sendung: rbb24, 2.10.2024, 21:45 Uhr
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