Fußball
Im Frühjahr 2025 soll feststehen, ob und wo genau Hertha BSC ein neues Stadion im Olympiapark bauen darf. Welche Rolle der Denkmalstatus des Geländes spielt und wie es um die Finanzierung des Millionen-Projekts steht. Von Lynn Kraemer
Darf Fußball-Zweitligist Hertha BSC unweit des Berliner Olympiastadions seine eigene Arena bauen? Inzwischen ist nur noch das Gelände südlich des Maifelds am Reiterstadion und der Jesse-Owens-Allee im Gespräch. Damit könnten die Blau-Weißen im Olympiapark bleiben.
"Mit dem Standort können wir gut leben, denn er hat eine ganze Menge Vorteile", sagt Knut Beyer von der Faninitiative Blau-Weißes Stadion, die sich seit Jahren für eine neue Heimspielstätte einsetzt. Beyer hebt vor allem die Anbindung des neuen Standorts hervor. Für die Fans würde sich wenig ändern. Der Weg von der U-Bahn-Station verlängert sich zwar um einige Gehminuten, aber dafür kommt zusätzlich die S-Bahn-Station Pichelsberg in Frage.
Für die Expertenkommission und ihre Prüfgruppen gilt es in den nächsten Monaten zu bewerten, ob auf der begrenzten Fläche ein Hertha-Stadion möglich ist. Bis zum Frühjahr 2025 soll sich entscheiden, ob und in welcher Größenordnung auf dem Gelände gebaut werden kann. "Wir als Initiative treten natürlich für eine Fünf vorne ein, also ein Fassungsvermögen von 50.000 plus", so Beyer. "Wir hoffen sehr, dass die Prüfungen ergeben, dass das machbar ist."
Auch das Landesdenkmalamt Berlin ist Teil der Prüfgruppe. Denn das Olympiagelände fällt als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Gelistete Teilobjekte in der Denkmaldatenbank sind nicht nur prominente Bauten wie das Olympiastadion, der Glockenturm oder die Kuppelhalle, sondern zahlreiche weitere Gebäude, Tore und Statuen. Auch das Reiterstadion und dessen Tribüne gehören dazu.
Der Denkmalschutz erschwert Herthas Stadionvorhaben. Einfach abreißen geht nicht. "Bebauungsabsichten sind kein Grund, Teile des Denkmals zu löschen beziehungsweise vom Denkmalschutz zu befreien", heißt es vom Landesdenkmalamt auf rbb|24-Anfrage. "Das Gebäude des Reiterstadions, davon gehen wir aus, wird stehenbleiben", sagt auch Knut Beyer von der Initiative Blau-Weißes Stadion. Das bedeutet aber nicht, dass sich auf dem Olympiagelände nichts verändern darf.
Das Tanklagerareal, das ebenfalls südlich des Maifelds liegt, wurde bereits 2005 in einer Gebäudebewertung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für den Abriss gekennzeichnet. Die Lagerhallen wurden von den Briten hinterlassen und sind inzwischen stark heruntergekommen. Viele von ihnen werden nicht mehr benutzt. Die Kosten für den Abriss wurden 2020 auf etwa 200.000 Euro geschätzt [parlament-berlin.de].
In der "Vision 2030", dem Gesamtkonzept für die Nutzung- und Entwicklung des Olympiaparks, sollte das Areal für den Reitsport mit einer Investition von 6,4 Millionen Euro aufgewertet werden. Der Plan sah vor, das denkmalgeschützte Reiterstadion zu sanieren, die Nachkriegstribüne rückzubauen und eine Laufstrecke zu ergänzen. Dazu kam es aber nie.
Im März 2024 stellte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport den aktuellen Stand der "Vision 2030" vor [parlament-berlin.de]. Weder das Tanklagerareal noch das Reiterstadion werden in den nächsten Jahren priorisiert. Das "Potenzial für Nutzungsintensivierung" bleibt weiter bestehen. Das Hertha-Stadion könnte theoretisch auf den Bereich des Tanklagerareals ziehen und bis an die denkmalgeschützten Gebäude des Reiterstadions heranreichen. Nicht viel Planungsspielraum, aber wenn man Fußballstadien anderer Profiklubs mit ähnlicher Kapazität als Schablonen auf die Karte legt, durchaus möglich.
Der Entwurf, den Hertha BSC auf der eigenen Website präsentiert, ist ein blau leuchtendes Oval mit viel Glas. Schick, modern – aber auf den ersten Blick teuer. Ob das im Olympiapark umsetzbar sein wird, ist nicht nur aus Kostengründen eine weitere Diskussionsfrage.
Denn das Landesdenkmalamt Berlin teilte auf rbb|24-Anfrage mit, dass sich Hertha BSC beim Stadionbau auf dem Olympiagelände an gestalterische Vorgaben halten müsse, um die Umgebung des denkmalgeschützten Geländes nicht zu stören. Man habe ein großes Interesse daran, dass "die denkmalgeschützten baulichen Anlagen und die denkmalgeschützten Sport-, Grün- und Gartenanlagen erhalten werden und für das Herthastadion eine denkmalverträgliche Lösung gefunden wird." Konkretere Aussagen könne das Landesdenkmalamt jedoch erst auf der Grundlage aussagekräftiger Planunterlagen treffen. Ein Stadionentwurf, der nicht zum Gesamterscheinungsbild des Olympiaparks passt, kommt aber wahrscheinlich nicht in Frage.
Sollte der Standort an der Jesse-Owens-Allee für den Stadionbau genehmigt werden, steht Hertha BSC vor der Herausforderung, die neue Heimat zu finanzieren. Wie teuer der Stadionbau wird, ist noch offen, doch Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass der Zweitligist für eine Arena mit 50.000 Plätzen mit mehreren hundert Millionen Euro rechnen muss.
Mainz zahlte für die 2011 fertiggestellte Mewa-Arena mit einer Kapazität von 33.305 Plätzen 55 Millionen Euro und zusätzliche 15 Millionen Euro für die Baufläche sowie zusätzliche Bau- und Erschließungskosten. Der SC Freiburg zahlte 76,5 Millionen Euro für das Europa-Park Stadion (Kapazität: 34.700). Dazu kamen etwa 50 Millionen Euro für die Infrastruktur. Gebaut wurde zwischen 2018 und 2021. Das neue Wildparkstadion des KSC wurde 2023 fertig und kostete über 160 Millionen Euro statt der ursprünglich veranschlagten 114 Millionen Euro (Kapazität: 31.845).
Hertha wird nicht nur wegen der höheren Stadionkapazität mit höheren Baukosten rechnen müssen. Die Materialpreise haben sich zwar wieder beruhigt, aber sind nicht auf das Niveau vor der Corona-Pandemie zurückgekehrt.
Da Hertha BSC eine komplett private Finanzierung des Stadions plant, verschließt sich ein Finanzierungsweg, den Mainz, Freiburg und Karlsruhe, aber auch viele andere Vereine wählten. "Bei der klassischen Stadionfinanzierung sind ganz gerne die entsprechende Stadt und das jeweilige Bundesland mit im Boot", so Christopher Huth, Professor für Sportmanagement an der Universität der Bundeswehr München. Oftmals sind die Fußballklubs nur die Betreiber des Stadions und die Stadt die Eigentümerin. Teile der Baukosten werden aus Fördertöpfen finanziert. Je nach Vereinbarung richten sich die Rückzahlungen zudem nach der Ligazugehörigkeit, um die Vereine zu entlasten.
Nur wenigen Klubs, wie beispielsweise dem 1. FC Union Berlin, FC Schalke 04, RB Leipzig oder der TSG 1899 Hoffenheim, gehören sowohl das Grundstück als auch das Stadion. Auch Hertha würde das Grundstück im Olympiapark nur pachten können. "Das Land Berlin hat festgelegt, dass es keine Flächen verkauft. Ich glaube nicht, dass es im Olympiapark Ausnahmen gibt", sagte Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, auf Anfrage von rbb|24.
Hertha BSC muss ohne städtische Unterstützung einen oder mehrere private Investoren finden. "Eingedenk der aktuellen Finanzsituation, auch des Vereins selbst, bin ich gespannt, wie sie das stemmen wollen", sagt Christopher Huth. Bis November 2025 muss der Zweitligist die Nordic-Bond-Anleihe in Höhe von 40 Millionen Euro zurückzahlen.
Huth, der sich an der Universität der Bundeswehr München mit Finanzierung in Organisationen des Sports beschäftigt, schätzt den Fußball allgemein als "sehr attraktiv" für Investoren ein. Das habe zuletzt wieder die Europameisterschaft gezeigt. Doch: "Ob es für Investoren attraktiv ist, sich ausgerechnet Hertha BSC auszusuchen, sei dahingestellt." Ein klares Plus sei die Rolle als Hauptstadtklub. Dagegen spricht der aktuell mäßige sportliche Erfolg.
Einen Teil des Geldes könnte Hertha BSC auch mit Hilfe der Fans zusammenbekommen. Immer wieder greifen Fußballklubs auf Fan-Anleihen zurück. Laut Christopher Huth liegt die Attraktivität "aus Vereinssicht darin, dass die Fans oft diese Fan-Anleihe tatsächlich als Fanartikel kaufen. Das heißt: Ich bestelle mir diese Anleihe, die ausgedruckt im Rahmen bei mir ankommt." Wer seine Zinsen haben wolle, müsse die Schmuckurkunde kaputt machen, weil die Coupons abgeschnitten und meistens jährlich bei der Geschäftsstelle abgegeben werden müssen. Da viele Fans auf diesen Schritt verzichten, spart der Verein so Geld. Ein komplettes Fußballstadion kann durch Fan-Anleihen allerdings nicht realisiert werden. "Wir reden im Normalfall vom einstelligen Millionenbereich", so Huth.
Auch Knut Beyer von der Initiative Blau-Weißes Stadion hält Fan-Anleihen für denkbar: "Wenn wir wirklich das Planungsrecht haben, dann entsteht so eine Aufbruchsstimmung und Euphorie. Da gehen viele mit und sagen sich: Da investiere ich. Da mache ich mit."
Obwohl es um die Expertenkommission bis zur Präsentation der Ergebnisse voraussichtlich ruhiger werden wird, sind es doch entscheidende Monate. Sollte der Standort genehmigt werden, steht Hertha BSC vor einer Millionen-Herausforderung. Sollte es auch für das Gelände an der Jesse-Owens-Allee eine Absage geben, stünde der Verein wieder ganz am Anfang.
Sendung: rbb24, 04.10.2024, 21:45 Uhr
Beitrag von Lynn Kraemer
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