Hochrisikospiele
Muss der Profifußball für bestimmte Polizeieinsätze zahlen? Nach dem Bremer Vorstoß ist nun auch Hamburg offen dafür. In Berlin beobachtet man die Entwicklungen genau - und wartet auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Von Shea Westhoff
In Bremen verfolgt man generell einen speziellen Ansatz. Die Hansestadt rühmt sich für Grützwurst, herbes Bier und ein Wahrzeichen namens "Roland".
Was allerdings den besonderen Bremer Ansatz bei der Sicherheit rund um das Stadion angeht, da versetzt die Landesregierung von der Weser die Republik in Aufruhr, mindestens jedenfalls die Profifußballklubs. Für die Kosten von Polizeieinsätzen bei Hochrisikospielen bittet der Stadtstaat die Deutsche Fußball-Liga (DFL), also den Verband der 36 Erst- und Zweitligisten, nämlich seit mehreren Jahren zur Kasse.
Als Hochrisikospiele, vereinfacht gesagt, gelten Begegnungen zweier Klubs, deren Anhängerschaften als verfeindet bekannt sind oder deren Fans in Teilen als gewaltbereit eingestuft werden. In solchen Fällen trifft die Polizei schärfere Sicherheitsvorkehrungen, ist also mit mehr Einsätzkräften vor Ort als sonst.
Über die Finanzierung solcher Einsätze liegt die DFL mit dem Land Bremen seit mehr als zwölf Jahren im Streit. Bislang musste die Vertretung der Profifußballvereine dabei nur Rückschläge hinnehmen. Zuletzt urteilte im Jahr 2019 das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass die Beteiligung des Profifußballs an Polizeikosten rechtmäßig sei.
Nun blicken die Profivereine, darunter auch der 1. FC Union und Hertha BSC, gespannt auf die Entwicklungen in Karlsruhe. Im April dieses Jahres befasste sich erstmals das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob die Bremer Regelung verfassungskonform ist. Die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde wird noch in diesem Jahr erwartet. Die Angst der Profiklubs: dass das Urteil Signalwirkung hat.
Denn während sich Grützwurst und herbes Bier tatsächlich nicht überall in Deutschland durchsetzten, könnte der Bremer Weg in Bezug auf Polizeikosten Schule machen.
Immerhin hat mit Hamburg im September ein weiteres Bundesland beim Thema Kostenbeteiligung der Profiklubs gezuckt. Auch die Elbmetropole will Profivereine an den Zusatzkosten für Polizeieinsätze beteiligen, namentlich den FC St. Pauli und den Hamburger SV. Einem entsprechenden Antrag der rot-grünen Regierung stimmte die Hamburgische Bürgerschaft mehrheitlich zu.
Abhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird sich der Hamburger Senat, so der Beschluss, für die Prüfung eines bundesweiten Fußball-Polizeikostenfonds einsetzen. Ein Vorschlag, der ebenfalls aus Bremen kommt: Demnach würden bestimmte Polizeieinsätze mitfinanziert werden aus einem Topf, in den alle Profivereine einzahlen.
Laut Recherchen der Sportschau vom April bekundeten überdies die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz, Thüringen und des Saarlandes Sympathien für den Bremer Ansatz [sportschau.de]. In Thüringen könnten die Karten allerdings nach der jüngsten Landtagswahl neu gemischt werden.
Bei den beiden Berliner Vereinen nimmt man die Diskussionen um die Kostenbeteiligungen mit Interesse zur Kenntnis. Hertha BSC lässt auf Anfrage durchblicken, wenig Verständnis für die Idee zu haben, dass der Profifußball die Polizei mitfinanziert: "Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dessen hoheitliche Ausübung und der fiskalische Rahmen sind grundsätzlich wesentlicher Teil der staatlichen Daseinsvorsorge", heißt es in der schriftlichen Antwort.
Union Berlin ließ die rbb-Anfrage zum Thema Übernahme von Polizeikosten unbeantwortet.
In Bezug auf Kostenbeteiligung bei Sicherheitsfragen müssen sich die Klubs derzeit mit Fragen auseinandersetzen, die in den Jahren zuvor schlicht nicht gestellt wurden. Es wirkt so, als habe sich der Wind gedreht – und würde nun denjenigen ins Gesicht blasen, die das Millionengeschäft Fußball organisieren.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im September der Sportbild, dass er nicht vorhabe, bei den Klubs Polizeikosten zu erheben. Mit Blick auf mögliche Gefahren in und am Stadion, etwa durch Pyrotechnik, betonte er aber auch, dass die Polizisten "angesichts der aktuellen Sicherheitslage in Deutschland" an anderen Stellen "dringender gebraucht" werden als "auf Steuerzahlerkosten verrücktspielende Fußball-Fans im Zaum zu halten" [sportbild.bild.de].
Auf einem Gipfeltreffen Mitte Oktober diskutieren Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sowie die Sport- und Innenminister der Bundesländer mit Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der DFL zur Sicherheitslage in den Fußballstadien.
Aktuell müssen der 1. FC Union und Hertha BSC nicht damit rechnen, dass die Berliner Landesregierung nach Bremen und Hamburg als dritter Stadtstaat ebenfalls eine Kostenbeteiligung vorantreibt. "Das Land Berlin plant keine derartigen Kostenbeteiligungen", teilte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit. Allerdings verfolge sie die aktuelle Debatte zu diesem Thema "eng und aufmerksam".
Immerhin habe es laut der Berliner Polizei in 2024 bereits neun Spiele mit einer hohen Gefährdungseinschätzung in der Hauptstadt gegeben. In den vergangenen beiden Jahren waren es nur jeweils sieben. Was die Klage der DFL vor dem Bundesverfassungsgericht angeht, werde die Senatsverwaltung das "Urteil und seine Begründung bewerten, sobald sie vorliegen".
Von Werder Bremen heißt es derweil, die DFL habe bislang Rechnungen in Höhe von insgesamt rund zwei Millionen Euro für die Polizei-Kostenbeteiligung erhalten. Die DFL leite die Rechnungen weiter an den Verein. Dieser muss die Kosten vorläufig nur zur Hälfte übernehmen, die andere Hälfte würde die DFL den Norddeutschen stunden.
Ob und in welcher Höhe der Klub von der Weser die Summe dann zurückzahlen muss, das hänge dann vom Urteil des Verassungsgerichts ab. Wie auch manch anderes beim Thema Sicherheit im deutschen Profifußball, möglicherweise in der gesamten Republik.
Beitrag von Shea Westhoff
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