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Quelle: picture alliance/dpa/Soeren Stache

Schlittschuh-Saison

Von Idylle bis Massenrummel: Fünf Berliner Eisbahnen im Test

Nach dem Ausprobieren zahlreicher Eisbahnen hat man vor allem eines: keine Lust mehr auf Chartmusik. Trotzdem darf man in der Hauptstadt stolz sein auf viele originelle Angebote fürs Schlittschuhlaufen. Ein Überblick. Von Shea Westhoff

Schlittschuhlaufen ist eine Erinnerung daran, worauf es im Leben ankommt: Hinfallen, aufstehen und sich dabei am besten nicht allzu ernst nehmen. Gott, wie viel Lebenszeit man vergeudet, um professionell zu wirken.

Und damit zum Test der Berliner Eisbahnen. Allesamt bilden sie friedliche Mikrokosmen in dieser lebendigen, manchmal kräfteraubenden Hauptstadt. Und alle funktionieren ähnlich: Aus Lautsprecherboxen schallt wohlbekannte Musik in Richtung Eisfläche, wo sich Schüler, Familien und Turteltauben in einem für die meisten ungewohnten Kufen-Schuhwerk weitgehend tapsig, in Ausnahmefällen durchaus grazil fortbewegen. Doch ob Profi oder Laie - auf dem Eis bilden alle ein wuseliges Kollektiv.

Kostenloses Angebot am Freitag

Eisstadion Neukölln öffnet nach zweijähriger Renovierung wieder

Neue Kategorie: Der Glühwein-Index

Fürwahr: Der Autor dieser Zeilen geht zum Teil hart ins Gericht mit den jeweiligen Angeboten. Trotzdem bietet jede Eisbahn ihr eigenes Spezial. Ob es die Eissporthalle Charlottenburg ist, von dessen Eisqualität sogar zwei Senioren im Eisstadion Neukölln ehrfürchtig schwärmen. Oder die Eisbahn Lankwitz, wo sie den Glühwein auf Wunsch mit einem Schuss Amaretto reichen.

Stichwort Glühwein: Deutschlands dampfende Guilty Pleasure erhält man überall, wo man auf Kufen unterwegs ist. Preislich gibt es allerdings erhebliche Unterschiede. Feststellbar war eine entscheidende Kausalität: Je fairer der Preis für Glühwein angesetzt ist, desto angenehmer und uriger erscheint auch das restliche Eisbahn-Ambiente. Je teurer, desto unpersönlicher, anonymer der Rest. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Und wo sich der Preis wie eine Kennzahl verhält, liegt ein "Glühwein-Index" nahe.

Origineller Kufenspaß: am Eisstadion Neukölln (rbb/Shea Westhoff) | Quelle: rbb/ Shea Westhoff

Eisstadion Neukölln: Die Oase

Atmosphäre: Dieser Ort ist ein Wunder. Das zunehmend der Verwahrlosung preisgegebene Neukölln ist im Novembergrau besonders schwer zu ertragen. Das Paradies liegt hinter der Eingangspforte des Eisstadions: eine Eisfläche, gesäumt von verlässlich grünenden Nadelbäumen, darauf rund 60 auf Schlittschuhen staksende, plappernde Schüler, zwischen denen zwei betagte Kufenkünstler gleiten, die Arme jeweils hinter dem Rücken verschränkt. Ob Ticketverkäufer, Imbissbuden-Betreiberin oder Schlittschuh-Verleiherin: Die Mitarbeiter strahlen eine Herzlichkeit aus, die über die geschäftlich kalkulierte Höflichkeit hinausgeht. Nur die Musik-Playlist, die mit Elektro-Verschnitten und beliebigen Deutsch-Popsongs aufwartet, beißt sich mit dem anheimelnden Ambiente.

Kurz mal shazamt: "Keine Maschine" (Tim Bendzko)

Größe und Qualität der Eisbahn: Das Eisfeld ist mit 2.200 Quadratmetern üppig bemessen. Die arg zerfurchte Fläche gleicht allerdings zum Zeitpunkt der Testfahrt einer zerknitterten Tischdecke. Dennoch: Dreimal am Tag wird das Eis aufbereitet.

Gastro: Das kulinarische Angebot lässt keine Wünsche offen. Zu allesamt vergleichsweise moderaten Preisen gibt es Klassiker wie Pommes Frites, aber auch Mais im Becher. Die Currywurst gibt es sogar vegan. Frage an Imbissbuden-Betreiberin Brigitte Rosada: Wäre die Currywurst auch jetzt, um 10:30 Uhr, erhältlich? "Selbstverständlich!"

Glühwein-Index: Schlichte 3,00 Euro kostet das winterliche Heißgetränk.

Ist das Weihnachten? Vielleicht. Der Winterrummel am Roten Rathaus. (rbb/Shea Westhoff) | Quelle: rbb/ Shea Westhoff

Eisbahn am Neptunbrunnen: Gönnen können

Atmosphäre: Die Eisbahn ist Bestandteil des Weihnachtsmarktes im Schatten des Roten Rathauses. Der Rummel ist blickdicht umgrenzt von Bauzäunen. Spätestens beim Antreffen der Zeugen Jehovas, die ihre himmlischen Pop-up-Aufklärungsstände bekanntermaßen mit Vorliebe an seelenlosen Nicht-Orten aufbauen, wird klar: Das hier ist die Hölle. Auf dem Weg zur Eisbahn passiert man weitgehend baugleiche Berghütten-Attrappen, in denen Schnickschnack-Massenware feilgeboten wird. Fürs festliche Feeling ist dennoch gesorgt, dem DJ sei Dank. Auf der Eisbahn laufen hauptsächlich klassische Stücke.

Kurz mal shazamt: Wolfgang Amadeus Mozarts 21. Klavierkonzert (in C-Dur)

Größe und Qualität der Eisbahn: Die Eisbahn ist ein Rondell, das sich um den Neptunbrunnen zieht. Die Fläche ist dabei mit 650 Quadratmetern vergleichsweise klein. Auf dem Eis sind mehrere Wasserpfützen erkennbar – was jedoch mit den spektakulären und atypischen End-November-Außentemperaturen von bis zu 16 Grad zu rechtfertigen sein dürfte. Fünfmal am Tag wird die Eisfläche zwischen den Laufzeiten aufbereitet.

Gastro: Süße Früchte, Pommes, Zuckerwatte, Langos, Bratwurst vom Schwenkgrill – eben alle Snacks, die sich im Weihnachtsmarkt-Business etabliert haben. Man muss halt das nötige Kleingeld dabeihaben.

Glühwein-Index: Weist mit 5,00 Euro eine gehobene Preiskategorie auf (mit Schuss: 7,00 Euro).

Gutes Eis ist Maßarbeit: Die Eissporthalle Charlottenburg (rbb/Shea Westhoff) | Quelle: rbb/ Shea Westhoff

Eissporthalle Charlottenburg: Das Eis der Profis

Atmosphäre: An einem Vormittag drängeln sich mehrere Klassen auf dem kühlen Glatt. Schulisch-kadettenhaft wirkt auch die Ausstattung der 2012 eröffneten Halle: Die beiden in grau und blau gehaltenen Schließfach-Reihen hinter der Eingangstür sowie der schwarze, stoßfeste Hartgummiboden vermitteln eine anwendungsbezogene Geisteshaltung. Die Anlage ist durchweg in gepflegtem Zustand.

Kurz mal shazamt: "Shake that thing" (Sean Paul)

Größe und Qualität der Eisbahn: Der exzellente Ruf eilt dem Eis in Charlottenburg voraus. Tatsächlich scheint dieses am Dienstagvormittag trotz einer erheblichen Beanspruchung durch etwa 150 Schüler gut in Schuss. Auf Nachfrage heißt es, rund alle zwei Stunden werde das Eis mit lauwarmem Wasser aufbereitet (es verbindet sich besser mit der vorhandenen Eisfläche als kaltes Wasser). Normalerweise wächst eine Eisfläche mit der Zeit von Innen nach Außen – erkennbar an den Eis-Hubbeln, die sich im Bereich der Banden bilden. Nicht aber in Charlottenburg. Regelmäßig wird das Eis abgefräst, außerdem einmal die Woche mit einer Bohrung auf seine Stärke geprüft. Die Größe der Fläche beläuft sich auf 1.800 Quadratmeter.

Gastro: Die kulinarische Auswahl ist mau. In einem fahl beleuchteten, denkbar minimalistisch eingerichteten Nebenraum (Stehtische an kahlen Wänden) kann man überwiegend teure Getränke erwerben oder aus einem schmalen Essensangebot wählen. Außer Süßigkeiten gibt es Currywurst, Pommes und Schnitzel im Brötchen.

Glühwein-Index: Fällt mit 4,00 Euro seriös-distanziert aus.

Lecker essen: Das Casino der Eisbahn Lankwitz. (rbb/Shea Westhoff) | Quelle: rbb/ Shea Westhoff

Eisbahn Lankwitz: Fürstlicher Mampf

Atmosphäre: Wer ohne Pkw anreist, sollte das Rad nehmen, denn die ÖPNV-Anbindung ist schlecht. Einen Rad-Stellplatz sucht man vor dem Eingang allerdings auch vergebens. Doch der anfängliche Miesmacher verfliegt, sobald man auf der Bahn ist. Mit Ausblick auf eine Kleingarten-Anlage gleitet man übers Eis. Hinter Baumwipfeln sieht man dann und wann eine S-Bahn vorbeischweben. Idylle in Lankwitz. Auf der Anlage befindet sich außerdem eine Eisstockbahn. Laut Betreiber wird diese gern für Weihnachtsfeiern gebucht, in Kombination mit dem angrenzenden Bungalow, in dem man auch bewirtet wird.

Kurz mal shazamt: "Cruel Summer" (Taylor Swift)

Größe und Qualität der Eisbahn: Auch in Lankwitz fährt man auf einem Eishockey-Feld (30 mal 60 Meter). Meist spielen hier Sportvereine, daher sind die frei verfügbaren Eiszeiten begrenzt. Alle zwei bis drei Stunden wird das Eis aufbereitet.

Gastro: Der Imbissstand fährt dick auf. So gibt es eine große Auswahl an Crepes (etwa mit Camembert und Preiselbeeren), zudem frische Waffeln sowie Hot Dogs, darüber hinaus zahlreiche Heißgetränke zu fairen Preisen. Damit nicht genug: Die Anlage verfügt über ein Casino, das mit einer noch größeren Auswahl an Speisen aufwartet – die man mit Blick auf das Eisfeld zu sich nehmen kann.

Glühwein-Index: Überzeugt mit 3,00 Euro auf ganzer Linie.

Partykeller? Nein, die Eisbahn im Rübezahl am Müggelsee. (rbb/ Shea Westhoff) | Quelle: rbb/ Shea Westhoff

Eisbahn Rübezahl: Eis-Alarm am Müggelsee

Atmosphäre: Es regnet, aber das ist im Rübezahl kein Problem. Während wenige Kilometer weiter der Eisbahn-Saisonstart im Strandbad Wendenschloss wetterbedingt verschoben werden muss, kann man hier auf der überdachten Eisfläche des historischen Ausflugslokals seine Runden drehen. Die Fensterfront bietet einen weiten Ausblick auf den Müggelsee. Die Schlittschuhbahn verbreitet mit ihrer niedrigen Bedachung trotzdem eher das Flair eines Partykellers. Passend die Musik: ein Radiosender spielt Gassenhauer aus den 80ern.

Kurz mal shazamt: "I’m still standing" (Elton John)

Größe und Qualität der Eisbahn: Die Fläche ist mit 10 mal 30 Metern die kleinste im Test. Es dürfte nicht viele Besucher brauchen, um ein dichtes Gedrängel auszulösen. Die Aufbereitung des Eises ist im Rübezahl noch Handarbeit – weil eine motorbetriebene Eisbearbeitungsmaschine für die vorhandene Bahn schlicht zu groß wäre. Abends wird das Eis also per Wassereimer wieder aufgefüllt. Zwischen den Laufzeiten wird der Eisabrieb mit einem Schneeschieber entfernt.

Gastro: Leckerschmaus. Während der Weihnachtszeit bietet die Imbissbude außer dem üblichen Pommes-Currywurst-Brezel-Angebot zudem einen Gänse-Burger. Wem das immer noch nicht reicht, dem steht das anliegende Restaurant zur Verfügung.

Glühwein-Index: Mit 5,50 Euro eher im oberen Preissegment. Aber: Der Glühwein wird im Rübezahl nach Hausrezept eigens zubereitet, entweder mit Merlot (rot) oder Chardonnay (weiß).

Beitrag von Shea Westhoff

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