Union Berlin will sich nach der Bielefelder Pokal-Blamage berappeln - und muss nun ausgerechnet beim FC Bayern antreten. Trainer Bo Svensson hofft auf einen "Top-Tag" gegen den Rekordmeister. Von Shea Westhoff
Union konnte in der Fußball-Bundesliga noch nie gegen Bayern gewinnen
Drei Remis stehen sieben Niederlagen gegenüber
Bo Svensson besiegte den Rekordmeister als Trainer von Mainz 05 aber schon dreimal
In der laufenden Bundesliga-Saison ist der FC Bayern neben RB Leipzig das einzige ungeschlagene Team
So läuft es sportlich bei Bayern München
Der große FC Bayern gewinnt die großen Spiele nicht mehr. In der Königsklasse, also im natürlichen Habitat, setzte es bereits zwei Pleiten, zuletzt das äußerst unangenehme 1:4 gegen Hansi Flicks FC Barcelona. Die beiden Bundesliga-Prestigeduelle gegen Eintracht Frankfurt (3:3) und Bayer Leverkusen (1:1) konnte Bayern ebenfalls nicht gewinnen.
Der Gegner-Experte
Mag schon sein, dass das Team in der abgelaufenen Woche in der Liga (5:0 in Bochum) und im DFB-Pokal (4:0 in Mainz) glänzen konnte. Aber das Selbstverständnis des Rekordmeisters definiert sich weniger über Kantersiege gegen kleinere Klubs als vielmehr über die Unterwerfung lästiger, direkter Konkurrenten. Unter seinem neuen Trainer Vincent Kompany scheint sich der FC Bayern daher noch immer einer Identitätsfrage gegenüber zu sehen - oder, um es mit einem Philosophen unserer Zeit zu halten: "Wer bin ich, und wenn ja, wie viele Tore schenke ich einem mittelmäßigem Team diesmal ein?"
Andi Mailhamer, Autor beim Bayern-Fan-Blog "Mia san rot", sieht es anders und ist eigentlich ziemlich zufrieden mit der bisherigen Saison. Er erinnert an den 4:0-Sieg der Münchner vor zwei Wochen im traditionsreichen Südschlager gegen den VfB Stuttgart. Auch beim Remis gegen den amtierenden Meister Bayer Leverkusen sah Mailhamer den FCB überlegen. "Da ist man ein bisschen an der eigenen Chancenverwertung gescheitert", sagt er.
Tatsächlich habe das Team unter Kompany und seiner offensiven Ausrichtung "einen großen Schritt nach vorne" gemacht. "Es sind so viele Spieler in besserer Verfassung. Wenn ich zum Beispiel überlege, wie Alphonso Davies und Joshua Kimmich diese Saison spielen und wie noch letztes Jahr ein Abgesang auf die beiden angestimmt wurde."
Böse Überraschung auf der Alm: Union Berlin verliert beim Außenseiter Arminia Bielefeld und verpasst den Einzug ins Achtelfinale. Ein folgenschwerer Fehlpass von Andras Schäfer leitet die Niederlage ein.
Auf diesen Spieler muss Union achten
Zwei Akteure hebt Andi Mailhamer hervor. Jamal Musiala würde "die Bayern noch mal auf ein anderes Level" heben. Erst am Mittwoch erzielte der Offensivkünstler drei Tore im DFB-Pokal. Und der 21-Jährige habe seine individuellen Möglichkeiten noch nicht mal voll ausgeschöpft, sagt Mailhamer.
Zudem spiele Joshua Kimmich "eine absolut überragende Saison". Der habe mit Kompany wieder einen Trainer, "der auf ihn als Ballverteiler setzt". Mailhamer sagt, man sehe nun, "dass Kimmich einer der besten Mittelfeldspieler der Welt ist".
Das bewegt die Fans
Ist die große Zeit von Manuel Neuer zu Ende? "Man muss sagen, er ist nicht in der besten Verfassung", sagt Mailhamer. In Neuers Form der vergangenen beiden Jahren hätte Bayern "wahrscheinlich auch in Frankfurt gewonnen", sagt der Journalist und Blogger. Und womöglich auch gegen Barca nicht vier Gegentore kassiert. "Aber es ist natürlich schon sehr risikoreich, wie hinten verteidigt wird", relativiert Mailhamer mit Blick auf den offensivfreudigen Spielstil der Bayern unter Trainer Kompany.
Der 1. FC Union marschierte in vier Jahren aus der 2. Liga bis in die Champions League. Ein Stück dieser Reise hat die Filmemacherin Annekatrin Hendel mit der Kamera begleitet. Über den Film "Union - Die besten aller Tage" spricht sie im Interview.
So könnte Union spielen
Für die Spieler von Union Berlin gilt es, die Pokal-Schmach gegen Drittligist Arminia Bielefeld vom Mittwoch zu überwinden. "Es war natürlich ein bitterer Abend für uns am Mittwoch. Davor hatten wir auch viele schöne Spiele. Ist das jetzt alles weg wegen eines Spiels", fragte Svensson auf der Pressekonferenz am Freitag rhetorisch.
Tatsächlich war es zuvor ein goldener Oktober für die Köpenicker gewesen, mit Siegen gegen Borussia Dortmund und Holstein Kiel sowie einem Remis gegen Eintracht Frankfurt. Nicht ohne Grund rangiert Union auf dem vierten Tabellenplatz, punktgleich mit dem amtierenden Meister Leverkusen. Die Aufgabe für die Köpenicker in München ist klar: irgendwie an die Topform von vor dem Bielefeld-Spiel anzuknüpfen.
"Du brauchst einen Spielverlauf, der passt. Du brauchst Glück in ein paar Szenen. Du brauchst selbst einen Top-Tag", sagte Svensson. Personell hat er dafür die große Auswahl. Auf die verletzten Yannic Stein, Josip Juranovic und Lucas Tousart wird der Däne jedoch weiterhin verzichten müssen.
Der Tipp des Gegner-Experten: Mailhamer kann sich zwei Szenarien gut vorstellen: "Entweder ein sehr zähes Spiel, in dem irgendwie ein Elfmeter für die Bayern am Ende die Entscheidung bringt." Oder: Dass der defensive Ansatz der Unioner "über kurz oder lang nicht standhalten kann gegen die Bayern und dass Union dann doch relativ hoch verlieren wird". Mailhamer rechnet eher mit Letzterem.
Der Redaktionstipp: Defensivstarke und lauffreudige Unioner geraten in der Allianz-Arena immerhin nicht unter die Räder, verlieren aber mit 0:2.
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