Handy-Nutzer im Stadion: Knochen-Menschen und Alles-Filmer
Die meisten Menschen nutzen ihr Handy im Stadion für eine gekonnte Übersprungshandlung, den kurzen Austausch oder mal ein Foto. Doch es gibt auch noch die Anderen. Von Ilja Behnisch
Der Alles-Filmer
Der Zwangscharakter filmt schon während der Anreise so ziemlich jeden Schritt. Alles bisschen verwackelt, mal im Hoch-, mal im Querformat. Egal. Hauptsache, lückenlose Dokumentation. Lässt sich im Gebrauch der Aufnahmen in zwei Sub-Typen unterscheiden. Den, der seine unterbelichtete Pixelkleie von Choreo, Torjubel und Co. in soziale Netzwerke hochlädt, bei stabilen 17 Aufrufen nach drei Wochen. Und den, der damit gar nix macht, außer Mitmenschen zu nerven, wenn drei Jahre später die Rede auf dieses eine Auswärtsspiel bei Brommapojkarna kommt. "Warte mal, da habe ich ein geiles Video, ein GEILES Video." Wobei folgende Faustformel gilt: Je länger die Suche nach dem GEILEN Video dauert, desto UNGEILER ist es.
Vor dem Auswärtsspiel beim Bundesliga-Absteiger SV Darmstadt plagen Hertha BSC riesige Verletzungssorgen. Besonders das Fehlen fast aller Innenverteidiger dürfte am Samstag (13 Uhr) schwer wiegen. Trainer Cristian Fiél muss basteln.
Der Nachrichten-Schreiber
Man merkt es erst gar nicht. Weil der Nachrichten-Schreiber neben einem nur mal kurz weg zu sein scheint mit seiner Aufmerksamkeit. Aber gut, sind auch erst fünf Minuten gespielt und so spannend ist die Verletzungspause wirklich nicht. Aber es hört nicht auf, ganz im Gegenteil. Immer häufiger und länger geht der Kopf des Sitznachbarn nach unten Richtung Display, immer häufiger tippen die Hände Nachrichten an Kerstin, Opa und den Gruppenchat "Der Klügere kippt nach". Um Fußball geht es dabei nur am Rande. Umso erstaunlicher, dass der Nachrichten-Schreiber bei der Nachbesprechung in der Kneipe die lautesten Meinungen hat: "Scheiß Trümmertruppe. Spielen, als wären sie nicht richtig bei der Sache!"
Der Spielstand-Checker
Ein vermeintlich komischer Kauz ist das, der da kurz nach Anpfiff einer Partie vom fünften Spieltag den Freundeskreis wissen lässt: "Tor in Fürth." Und dann sagt man "ah" oder "echt?" oder "krass" und weiß gar nicht, gegen wen Fürth überhaupt spielt. Im Gegensatz zu allen anderen Handy-Dauernutzern im Stadion allerdings ist der Spielstand-Checker zumindest im Saison-Endspurt eine wichtige Größe. Früher mit Kofferradio und Knopf im Ohr bewaffnet, ist er sowas wie der Nachrichtendienst der Fankurve.
Er weiß, dass "Heidenheim jetzt noch drei braucht und Bochum und 'wir' keinen mehr kriegen dürfen", dass "Freiburg aktuell vorbei" ist und "Bayern durch". Das Handy vom Spielstand-Checker wohnt in einer aufklappbaren Lederhülle. Spielstands-Checker tragen Funktionskleidung, sind nie betrunken und wissen immer den richtigen Heimweg. Sie sind die heimlichen Stars einer jeder Fan-Gruppe.
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Der Knochen-Mensch
Der Gegenentwurf zum Spielstand-Checker. Sein Handy hat häufig eher nostalgischen denn materiellen Wert. Ein richtig alter Knochen eben. Mindestens aber ist das Display stärker gebrochen als seine Hoffnungen auf eine dieses Mal endlich doch erfolgreiche Saison. Ist der Lauteste und Lustigste jeder Gruppe und schafft es als einziger, einen Fangesang anzustimmen, der ihm nicht nach vier Wörtern im Halse stecken bleibt, weil sonst (noch) niemand eingestimmt hat. Der Knochen-Mensch steht auf jeder Gästeliste, kann aus dem Stand zu jeder Gelegenheit ein amtliches DJ-Set hinlegen schafft es auf Auswärtsfahrten auf wundersame Weise, sich ebenso schnell mit gegnerischen Fans anzulegen, wie er sich auch wieder lachend mit ihnen vertragen kann.
Der (Profi-)Vlogger
Die zwei ärgerlichsten Stadion-Plätze in aufsteigender Blödheit: 1. sichtbehindert, 2. neben einem Vlogger. Um es kurz zu machen: Wer im Stadion und jenseits einer absoluten Ausnahmesitaution im Selfie-Modus filmt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Und ist völlig zurecht allein unter zig Tausenden.