Einsatz der Bundespolizei nach Auswärts-Fahrt
Im Rahmen des Auswärtsspiels in Darmstadt ist es zu einem Vorfall mit Hertha-Fans gekommen, die Personen im Zug sexistisch und rassistisch beleidigt sowie sexuell belästigt haben sollen. Hertha BSC reagierte öffentlich auf den Vorfall. Von Marc Schwitzky und Lynn Kraemer
Am Samstag sollen Bahnfahrende von mitreisenden Fans des Fußball-Zweitligisten Hertha BSC sexistisch und rassistisch beleidigt worden sein. Die Fußballfans befanden sich auf der Rückfahrt vom Auswärtsspiel in Darmstadt.
Die Berliner Sängerin Mine hatte den Fall in einer Instagram-Story festgehalten [instagram.com]. Darin beschreibt sie, dass sich Hertha-Anhänger ihr und anderen Fahrgästen des Zuges gegenüber übergriffig verhalten und sich immer wieder sexistisch und rassistisch geäußert haben sollen.
Mine teilte dort mit, dass die Personen, in Fankleidung von Hertha BSC, alkoholisiert gewesen seien und filmte, wie sie beim Gang durch den Wagen immer wieder angesprochen wird. Dabei fällt unter anderem der Satz: "Sie gehört uns."
Zudem listet sie eine Reihe an sexistischen und rassistischen Äußerungen auf, die während der Fahrt gefallen seien. So sei einer Person nach dem Einsteigen "ching chang chong" und "Nudelpfanne" zugerufen worden. Gegenüber rbb|24 berichtete die Musikerin, dass die Person eine Geige dabei gehabt habe und dazu gedrängt worden wäre, für die Hertha-Fans zu spielen, sie zu belustigen. Laut Mine griff das Servicepersonal der Deutschen Bahn lange nicht ein.
Im Gespräch mit rbb|24 erzählte Mine, dass rund 300 Hertha-Fans in Darmstadt in den Zug eingestiegen seien. Teile jener Gruppe haben dann die Wägen geflutet und Menschen von Sitzplätzen verjagt. Viele Fahrgäste - vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund - seien in einen weit entfernt liegenden Wagen geflüchtet, um weitere Konfrontationen zu vermeiden.
Der Spießrutenlauf der Sängerin begann, als sie sich eine Flasche Wasser im Bordbistro holen wollte und dafür durch mehrere Wagons laufen musste, wie sie sagte. Schon auf dem Weg wurde sie laut eigenen Angaben mehrmals von Hertha-Fans beleidigt und angefasst, doch eine Person soll sie bis ins Bordbistro verfolgt und von hinten mehrmals berührt haben. Dort angekommen, berichtet Mine, habe der Hertha-Fan ihre Bitte nicht respektiert, sie nicht weiter anzusprechen und Abstand zu halten. Im Gegenteil, er habe sie als "Fotze" und "dreckige Hure" beleidigt.
Die 38-Jährige sei daraufhin auf ihren Sitzplatz zurückgekehrt, soll auch auf dem Rückweg mehrere Mal belästigt worden sein. "Es gab keinen einzigen Moment, wo ich einfach in Ruhe durchlaufen konnte. Es war auch echt schwer, sich den Weg durchzubahnen, weil sie mir teilweise den Weg versperrt haben und auch nicht wollten, dass ich da irgendwie durchkomme", erinnert sie sich.
Dass das Bahnpersonal nicht eingeschritten sei, könne Mine gut nachvollziehen. "Die Fans haben sich von externen Getränkelieferanten an den Haltestellen immer Bier, also kistenweise Alkohol nachliefern lassen und waren schon alle so dermaßen betäubt. Es war einfach für alle, glaube ich, keine einfache Situation."
Auf Anfrage von rbb|24 bestätigte eine Sprecherin der Bundespolizei Berlin am Sonntag, dass es im ICE 574 zu einem Vorfall gekommen sei. Demnach wurde die Polizei am Samstag um 18.45 Uhr kontaktiert. Die Einsatzkräfte seien anschließend in Berlin-Spandau hinzugestiegen und stellten mehrere Personalien fest. Aufgrund einer genauen Personenbeschreibung konnte ein 42-Jähriger ausfindig gemacht werden. Er sei der Polizei bereits bekannt. Aufgrund des Tatbestands der Beleidigung wurde er aus dem Zug begleitet.
"Ich habe das ehrlich gesagt noch nie gemacht, aber ich war schon öfter im Zug unterwegs mit größeren Fangruppen und hatte da leider immer wieder mal schlechte Erfahrungen gemacht. Ich finde es auch einfach wichtig, da einzuschreiten und zu versuchen, zumindest das, was man zur Anklage bringen kann, zur Anklage zu bringen", erklärt sich Mine. "Ich habe Anzeige erstattet wegen Beleidigung und die Bundespolizei gerufen. Die Person wird jetzt zur Verantwortung gezogen."
Hertha BSC reagierte am Sonntagmittag mit einer Stellungnahme. Demnach verurteilt und bedauert der Verein "die beschämenden Vorkommnisse", die "leider nach wie vor zur Realität" rund um Fußballspiele gehören.
Und weiter: "Der Appell an unsere Gemeinschaft lautet daher, sich in solchen Fällen entschieden dagegenzustellen, um derartige Geschehnisse sofort zu unterbinden. Rassistische und sexistische Beleidigungen dürfen nirgends einen Platz finden. Verunglimpfende Personen ändern sich nur dann, wenn sich das gesamte Klima ändert – das kann uns nur zusammen gelingen."
Man wolle in Bezug auf den Vorfall explizit die Gespräche mit den Hertha-Fans suchen. Laut Verein wurde der Kontakt zur Betroffenen gesucht und sie zu einem persönlichen Treffen eingeladen. Mine bestätigt gegenüber rbb|24 das Gesprächsangebot und dass sie es bereits angenommen habe. "Ich finde es super, dass der Verein so direkt reagiert hat", sagt sie.
Auf Nachfrage von rbb|24 erläuterte Hertha BSC außerdem, wie nun weiter vorgegangen werde: "In diesem Fall können wir den Personenkreis zu bestimmten Gruppen zuordnen, welche uns bekannt sind. Konsequenzen ziehen wir in der Regel nur gegenüber einzelnen Personen. Hier wird jeder Fall individuell betrachtet."
Der Polizei, die für die Täterermittlung zuständig ist, werde Hertha die Zusammenarbeit anbieten. Weiter erklärte der Klub: "Bei einem offensichtlichen Zusammenhang einer Grenzüberschreitung oder einer Straftat und einem bekannten Täter, werden wir diesen in den Sicherheitsbeirat einladen. Dort wird geprüft, ob diese Person für zukünftige Veranstaltungen von Hertha BSC eine Gefahr darstellt. In diesem Fall können wir ein Stadionverbot aussprechen."
Der Verein bemühe sich grundsätzlich, "die Wege zu Heim- und Auswärtsspielen für alle Fans möglichst sicher zu gestalten." Deshalb werde sich im Vorfeld der Spiele immer mit zahlreichen Beteiligten ausgetauscht, "um vielseitige Problematiken einzuschätzen und proaktiv einzudämmen."
Und trotzdem: Hertha nehme wahr, "dass in seltenen Fällen Teile des Auswärtsblockes gegnerische Fankurven mit diskriminierenden Inhalten diffamierten." Der Verein betont aber: "Eine voranschreitende Verrohung der Kurve nehmen wir nicht wahr. Unsere Fanbasis ist sehr vielseitig und heterogen. Es gibt in den Fanszenen immer Gruppen, die sich stärker von anderen absetzen wollen. Es gibt immer Gruppen, die zum Extremen neigen. Dies ist kein Hertha-Phänomen, sondern findet sich in der allgemeinen Subkultur und Fankultur wieder."
Mines Instagram-Stories haben über mehrere Soziale Plattformen bereits große Aufmerksamkeit erhalten und die Sängerin hat viele private Nachrichten erhalten. "Ich habe das Gefühl, 90 Prozent sind wirklich solidarische Menschen, auch Hertha-Fans selbst, die sagen, sie schämen sich dafür, dass es Fans gibt, die so sind. Sie versichern mir auch, dass das nicht alle sind. Und das glaube ich natürlich auch. Ich glaube, das ist ein Problem, was trotzdem natürlich im Verein besprochen werden sollte." Sie habe jedoch auch viele Beleidigungen und Drohungen erhalten. "Aber die blocke ich halt direkt weg", macht die Musikerin klar.
Auch die Deutsche Bahn äußerte sich auf Anfrage von rbb|24 in einer schriftlichen Stellungnahme: "Die Schilderung des Vorfalls macht uns betroffen, so etwas sollte keine Reisende auf der Fahrt mit der DB erleben müssen. [...] Rassismus, Diskriminierung, Mobbing oder sexuelle Belästigung haben bei uns keinen Platz – weder gegenüber unseren Kund:innen noch gegenüber unseren Mitarbeitenden." Dem Vorfall werde nachgegangen. Das könne jedoch unter Umständen einige Zeit in Anspruch nehmen.
Laut der Deutschen Bahn sind an jedem Wochenende mehr als 100.000 Fußballfans in Fern- und Nahverkehrszügen unterwegs. Fast alle Fahrten würden problemlos verlaufen. Doch: "Durch eine Minderheit von gewaltbereiten Störer:innen entstehen der DB jedes Jahr etwa zwei Millionen Euro Kosten."
Für Mine ist nach diesem Vorfall klar: "Ich passe auf jeden Fall auf, mit welchem Zug ich zukünftig am Wochenende fahre. Und das ist eigentlich schade, weil die Bahn für jeden zugänglich sein sollte, ist sie aber nicht. Es ist einfach kein Safe Space. Und das betrifft halt nicht nur Züge, in denen Fangruppen sitzen."
Sendung: Fritz vom rbb, 10.11.2024, 14:30 Uhr
Beitrag von Marc Schwitzky und Lynn Kraemer
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