Olympische Spiele 2036/2040
Der Regierende Bürgermeister Wegner (CDU) will die Olympischen Spiele nach Berlin holen. Wie er die Bürger von der Idee überzeugen will, wie er die Milliarden-Kosten rechtfertigt und was er über Hamburg als Partnerstadt denkt, darüber spricht er im Interview.
rbb|24: Herr Wegner, was spricht für die Olympischen Spiele in Berlin?
Kai Wegner: Berlin kann sportliche Großveranstaltungen. Die Berlinerinnen und Berliner sind begeisterungsfähig dafür. Ich denke gerne zurück an die Fußball-Europameisterschaft in diesem Jahr oder auch an die Special Olympics im letzten Jahr. Viele haben ehrenamtlich geholfen, mit angepackt. Berlin hat auch die Sportstätten, um die Olympischen Spiele abzuhalten. 70 Prozent stünden schon bereit. Natürlich müssten wir die Stadien und Hallen modernisieren und sanieren. Aber wir brauchen keine neuen großen Hallen und Stadien. Das heißt, es könnten nachhaltige Spiele werden, und da hat uns Paris ja vorgemacht, wie es geht.
Was kann Berlin von Paris lernen?
Paris hat vorgemacht, wie nachhaltige Spiele in urbanen Räumen funktionieren, und wie man die Spiele aus einer Kernregion – Paris – ins ganze Land verteilen kann. Das ist die große Chance, die wir mit Olympischen Spielen in Berlin, mit Olympischen Spielen in Deutschland hätten: Orte zu nutzen, wie es in Paris der Fall war, wo temporär Sportfläche aufgebaut wurde, wo Sportveranstaltungen stattgefunden haben und wo Bilder um die ganze Welt gingen. Ich glaube, dass Paris davon sehr profitiert hat. Der Olympische Geist ist übergeschwappt in alle anderen Bereiche.
Was heißt das für Berlin?
Ich würde mir wünschen, dass wenn wir in Deutschland diesen Schritt gehen wollen, dass wir das gemeinsam machen und mit einer nationalen Bewerbung mit Berlin ins Rennen gehen. Ich glaube, ein Wettbewerb "Wer ist der Schönste im ganzen Land?" zwischen Berlin, München, Hamburg, Leipzig und wer da sonst noch im Gespräch ist, das wäre nicht gut für eine Bewerbung und die Chancen Deutschlands. Es sollte eine gemeinsame Linie der Bundesregierung geben, mit Berlin als Hauptanker.
Selbstverständlich sehen Sie Berlin als Hauptanker. Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spricht sich allerdings offensiv für eine Bewerbung von Rhein-Ruhr aus. Wie wollen Sie verhindern, dass es zu einem innerdeutschen Wettbewerb kommt?
Auch Hendrik Wüst hat betont, das gemeinsam mit Berlin machen zu wollen. Ich merke in den Gesprächen mit anderen Ministerpräsidenten, dass es so gesehen wird, dass eine nationale Bewerbung nur mit Berlin möglich und chancenreich ist. Viele Ministerpräsidenten kommen zu mir, sprechen mich an. Hier einen gemeinsamen Weg zu finden, mit der Bundesregierung, mit dem DOSB, mit den Ländern, die sich beteiligen wollen – das muss jetzt die Aufgabe sein. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) erwartet eine Stadt oder Region, die als Anker die Bewerbung abgibt. Und das muss meiner Ansicht nach Berlin sein, wenn Deutschland eine wirkliche Chance haben will.
Dem Vernehmen nach gilt Hamburg als Wunschpartner. Was können Sie dazu sagen?
Ich merke, dass Hamburg ein großes Interesse an einer gemeinsamen Ausrichtung hat. Für mich ist gar nicht so sehr entscheidend, wer das alles gemeinsam mit uns machen möchte. Sondern: Wie gibt es eine nationale Bewerbung, bei der wir einen gemeinsamen Weg finden? Das muss das Ziel sein. Klar: Wenn die Olympischen Spiele in Deutschland stattfinden, mit Berlin als Hauptanker, kann Hamburg eine große Rolle spielen mit sämtlichen Sportarten, die auf dem Wasser stattfinden. Das passt gut zusammen. Aber ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt niemanden ausgrenzen. Wir müssen uns in Deutschland auf einen gemeinsamen Weg verständigen, damit das Land eine Chance hat, die Spiele 2036 oder 2040 auszurichten.
Die Spiele in Paris haben neun bis zehn Milliarden Euro gekostet. Vier bis fünf Milliarden wurden refinanziert, etwa durch Eintrittskarten, Werbung oder Gelder vom IOC. Wo kommt der Rest des Geldes her?
Das müssen wir dann auch besprechen. Da muss es zu einer Kostenaufteilung kommen zwischen den beteiligten Ländern, aber auch mit dem Bund. Ich glaube aber, den Mehrwert, den Paris erreicht hat für die Stadt, für Frankreich, der ist noch gar nicht zu beziffern. Die Bilder, die um die Welt gingen, waren eine tolle Werbung für Paris. Und das erhoffe ich mir auch von Olympischen Spielen in Berlin. Was alles entstehen würde: wenn wir die Sporthallen, die Stadien sanieren und modernisieren würden, wenn wir schauen, wie wir den Breitensport auch noch stärker einbinden und gewinnen, wenn wir hinbekommen, ein olympisches Dorf entstehen zu lassen, woraus nach den Spielen auch Wohnraum entwickelt werden könnte. All das sind Chancen für Berlin, die ohne die Olympischen Spiele so nicht zu realisieren wären. Das Gleiche gilt für die Infrastruktur. Hier würde eine Menge passieren im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs.
Brachliegende Sportstätten, marode Schwimmhallen in Berlin – warum sind einige Modernisierungen nur mit den Olympischen Spielen realisierbar?
Wir müssen uns auf Maßnahmen verständigen, die der Bund auch mit finanziell unterstützen wird. Er wird ja niemals ohne Olympische Spiele in Deutschland helfen, dass in Berlin die Schwimmhallen funktionieren oder die Hallen saniert und modernisiert werden. Aber wenn wir eine nationale Bewerbung machen, wo Deutschland die Bewerberin ist mit dem Hauptanker Berlin, dann ist der Bund auch mit in der Verantwortung. Das Land Berlin selbstverständlich auch. Aber alle können von diesen Olympischen Spielen profitieren. Nochmal: Paris hat es vorgemacht.
Wie wollen Sie die skeptischen Berliner auf Ihre Seite ziehen?
Ich glaube, dass Paris schon einiges dafür getan hat. Die Stimmung, die übergeschwappt ist, auch nach Deutschland, auch nach Berlin, die war schon deutlich zu spüren. Wir haben in diesem Jahr auch die Berliner Olympioniken geehrt, nicht nur im Roten Rathaus, sondern auch bei einer Veranstaltung im Olympiastadion, wo ich auch nochmal sehr offensiv für Olympische Spiele in Berlin geworben habe, wo ich große Unterstützung hatte aus dem Sportbereich. Und ich glaube, wir müssen alle gemeinsam dafür werben, was Olympische Spiele für Berlin bringen können. Dann wird auch die Stimmung hier nochmal eine ganz andere sein. Es gibt immer eine gewisse Grundskepsis, das war bei der Fußball-Europameisterschaft durchaus auch so. Aber wenn es dann losgeht, dann sind die Berlinerinnen und Berliner Feuer und Flamme. Ich bin mir sicher, das gilt auch für die Olympischen Spiele.
Sie haben einmal zu verstehen gegeben, dass Sie eine Berliner Bewerbung ohne einen Volksentscheid versuchen wollen. Ist das noch so?
Wir müssen erstmal die Vorgaben des IOC abwarten und auch, wie die Bundesregierung und der DOSB sich das vorstellen. Mir ist wichtig - und das macht unser Landessportbund LSB schon -, dass wir Beteiligungsverfahren haben, dass wir viele Fragen beantworten, dass wir über die Chancen von Olympischen Spielen mit den Berlinerinnen und Berlinern sprechen. Und so stelle ich mir einen guten Beteiligungsprozess vor, dass Olympische Spiele hier stattfinden können und dass die Stimmung in dieser Stadt auch deutlich pro Olympia wird.
Im Moment vergeht kaum eine Woche ohne neues Sparpaket. Können Sie nachvollziehen, dass es für Bürger schwer ist nachzuvollziehen, dass Berlin einerseits diese milliardenschweren Olympischen Spiele ausrichten will, obwohl andernorts das Geld fehlt?
Man darf das eine nicht mit dem anderen vergleichen. Wir haben echt eine Herausforderung zu bestehen, was den Haushalt in Berlin betrifft. Wir müssen drei Milliarden aus dem Haushalt herausnehmen für 2025. Wir tun das aber auch, um Spielräume zu schaffen, damit wir in den nächsten Jahren wieder investieren können. Das werden wir im Laufe des Novembers den Berlinerinnen und Berlinern auch noch mal mit konkreten Zahlen erklären. Das andere sind die Chancen, die uns die Olympischen Spiele in Berlin bringen könnten, etwa durch die Sanierung der Sportanlagen. Ich verstehe aber die Berlinerinnen und Berliner, die sagen: Wir haben hier ein Problem. Und das müssen wir noch mal erklären.
Zwei Termine stehen derzeit zur Auswahl: 2036 und 2040. Welchen bevorzugen Sie und warum?
Ich möchte Olympische Spiele in Berlin. Wenn das 2036 hieße, würde ich mich freuen, wenn es 2040 wäre, ebenfalls. Bei der Bundesregierung höre ich heraus, dass die Präferenz eher bei 2040 liegt, weil die deutsche Einheit sich dann zum 50. Mal jährt. Das kann man gut begründen. Aber ich glaube, die internationale Wirkung würde 2036 eine andere sein: Deutschland 100 Jahre nach den Nazi-Spielen zu präsentieren als demokratische, weltoffene, internationale Metropole mit einer gefestigten Demokratie. Man könnte deutlich machen, wie Deutschland sich gewandelt hat. Ich würde mir wünschen, dass die Olympischen Spiele im wahrsten Sinne des Wortes "Demokratie-Spiele" werden. Die Symbolik, die ich mir vorstelle, wenn vielleicht die israelische Mannschaft als erste ins Olympiastadion einzieht, mit der israelischen Fahne, das wäre ein erneuter Sieg über Nazi-Deutschland. Ich würde 2036 bevorzugen, aber ich bin offen, was 2040 angeht.
Allerdings werden gerade die symbolischen Motive in Bezug auf 2036 kontrovers diskutiert. Macht sich Berlin da nicht eine vermeidbare Baustelle auf?
Darüber kann man diskutieren. Das spüre ich auch, übrigens ebenso im Berliner Senat, wo der ein oder andere eher auf 2040 setzt. Wenn wir diese Spiele haben wollen, bin ich zumindest für diese Diskussion offen. Wenn man das historisch einordnet, wie sich Deutschland 100 Jahre nach den Nazi-Spielen verändert hat, kann es noch mal eine Chance sein, um für unsere Demokratie zu werben. Das alles sehe ich eher als Chance denn als Risiko.
Herr Wegner, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christian Dexne, rbb Sport.
Sendung: rbb, 15.11.2024, 19:15 Uhr
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