Pläne von Bezirk und Eigentümer
Die Trabrennbahn Karlshorst kann seit vielen Jahren nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Als mögliche Rettung sehen Eigentümer und Bezirk eine Randbebauung des Geländes. Doch es gibt massive Kritik aus der Bevölkerung. Von Lukas Witte
An einem Freitagmittag Ende Oktober platzt die Wetthalle der Trabrennbahn Karlshorst aus allen Nähten. Passend zum DDR-Charme versprühenden Gebäude drängen sich die Besucher bei einer Verkaufsmesse für Ostprodukte durch die schmalen Gänge vorbei an Filinchen, Holzwaren aus dem Erzgebirge und Schaumbädern von Badusan.
Solche Menschenmassen sind hier ein seltenes Bild geworden. Sonst herrscht oft gähnende Leere. "Direkt nach der Wende gab es in Berlin noch etwa hundert Renntage. Davon fanden knapp die Hälfte in Karlshorst statt. Dieses Jahr haben wir nur noch 14 und nächstes Jahr sind es zwölf", erklärt Dimitrios Vergos. Er ist Geschäftsführer des Pferdesportparks (PSP), welcher die Trabrennbahn seit nun 20 Jahren betreibt.
Doch der Niedergang des Trabrennens hat in Karlshorst mittlerweile Wellen weit über die kleine Reitsport-Bubble hinausgeschlagen. Es geht um Bauspekulation, fehlenden Wohnraum, Naturschutz und Stadtentwicklung – Themen, die aktuell ganz Berlin bewegen.
Die Geschichte begann im Jahr 2004, als der PSP das rund 37 Hektar große Gelände von der Treuhand für einen schmalen Preis von 200.000 Euro kaufte. Die Summe war wohl eher symbolisch zu verstehen, schließlich wollte der Bezirk die Trabrennbahn damals dringend erhalten und suchte deshalb händeringend nach einem Betreiber mit gutem Konzept.
"Die Situation ist einfach so, dass es verdammt schwierig ist, diese große Anlage nur mit dem Trabrennen zu finanzieren. Wir waren von Anfang an bemüht, den Trabrennsport über andere Einnahmen zu finanzieren", erklärt Vergos. Veranstaltungen, Gastronomie, Reitsportangebote – nichts sollte funktionieren. Seit Bestehen mache der PSP mit der Trabrennbahn Minus, so der Geschäftsführer.
Die fehlende Wirtschaftlichkeit sieht man der Rennbahn mittlerweile auch deutlich an. Die denkmalgeschützten Gebäude sind stark in die Jahre gekommen und können teilweise nicht mehr genutzt werden.
Um trotzdem weitermachen zu können, begann der Betreiber seit 2015 sukzessive damit, Teile des Grundstücks wieder zu verkaufen. Den Anfang machte ein brachliegendes, rund 100.000 Quadratmeter großes Gebiet im Süden, welches die Stiftung Rehabilitationszentrum Berlin-Ost erwarb und darauf ein modernes und inklusives Pferdesport- und Reittherapiezentrum errichtete.
"Wir waren froh, dass ein Partner da ist, der genau das gleiche macht, was wir machen wollten. Also haben wir verkauft", so Vergos. Und das äußerst gewinnbringend: Rund 1,8 Millionen Euro zahlte die Stiftung und somit einen vielfach höheren Quadratmeterpreis als der PSP noch beim Erwerb von der Treuhand. Weitere Flächen gingen an die Brüder Eiken und Nils Albers, die zudem das Wettbüro auf der Trabrennbahn betreiben.
Mit den aus den Grundstücksverkäufen eingenommenen Geldern hätte man den Fortbetrieb der Rennbahn vorerst absichern und sogar neu investieren können, erklärt Vergos. So werden die Wetthalle und die Zuschauertribüne derzeit aus Fördermitteln und Eigenkapital saniert.
Klar war aber auch, dass die neuen Eigentümer irgendwann einmal etwas mit ihren erworbenen Grundstücken anfangen wollten. Im Moment werden diese zum Teil noch unentgeltlich der Trabrennbahn zur Verfügung gestellt, doch weitere Planungen haben bereits Gestalt angenommen.
Denn die Eigentümergemeinschaft, zu der mit einer Bauträger-Firma und der Volkssolidarität Berlin noch zwei weitere Parteien gehören, die ihre Flächen damals direkt von der Treuhand erwarben, planen eine Randbebauung. So sollen in einem Waldgebiet im westlichen Bereich an der Grenze zu Treptow-Köpenick und im Norden entlang der Treskowallee etwa 500 Wohnungen und mehrere Gewerbeflächen entstehen.
Das Bezirksamt Lichtenberg unterstützt das Vorhaben und hat gemeinsam mit den Eigentümern ein städtebauliches Gesamtkonzept entwickelt, welches Grundlage für die Aufstellung eines Bebauungsplans ist [berlin.de].
Auch Vergos sitzt mit im Boot. "Wir haben uns als PSP dem Bebauungsplan angeschlossen, weil wir für uns persönlich große Vorteile darin sehen. Es wird eine Strukturierung für das ganze Gelände geschaffen", sagt er.
Derzeit sei das Areal um die Trabrennbahn gerade in den Abendstunden oft verlassen und große Teile ungenutzt. Weil das Gelände aber öffentlich zugänglich sei, gäbe es große Probleme mit Vandalismus und illegaler Müllentsorgung. Durch die Nutzungsintensivierung verspricht sich der PSP mehr Sicherheit und auch Synergien mit den Anwohnern. So betreibt der PSP zum Beispiel einen Biergarten. "Der ist bislang aber meistens leer, weil das Gelände einfach tot ist und hier niemand sitzen möchte", so Vergos.
Eine Änderung des Bebauungsplans würde zudem neue Möglichkeiten eröffnen, um weitere Einnahmequellen zu erschließen. "Es gibt jetzt schon Interessenten, die das Angebot mit uns gemeinsam erweitern wollen. Wir wollen eine Boulderhalle bauen und auch eine neue Reitanlage. Wir haben außerdem Anfragen für Tennisplätze", erzählt Vergos. Ohne eine Änderung des Bebauungsplans wäre dies nicht möglich.
Doch an dem Vorhaben gibt es starke Kritik. Der Bürgerverein Karlshorst e.V. setzt sich energisch gegen eine Bebauung rund um die Trabrennbahn ein und verurteilt das Vorgehen des PSP scharf. "Die Grundsituation ist eine ganz klare Bauspekulation. 2004 hat das Gelände ein Verein übernommen mit der ideellen Bindung Pferdesport. Nachdem diese Bindungsfrist nach zehn Jahren abgelaufen war, ist man dazu übergegangen, Flächen als Bauerwartungsland zu verkaufen", erklärt der Vorsitzende Götz Frommer.
Umso unverständlicher sei für den Verein, warum sich die Politik an den Plänen der Eigentümer beteiligt. "Wohnraum wird in Berlin benötigt, aber nicht an jeder Stelle. Stadtentwicklung ist eine klare Verabredung, wo Wohnraum, Gewerbe, Straßen und Grünflächen sein sollen. Und die Trabrennbahn ist genau nicht der Bereich, wo man Wohnraum braucht. Hier ist ein Erholungsbereich und deswegen ist das Gelände im Flächennutzungsplan ja auch als Grün- und Sportfläche codiert", sagt Frommer.
Tatsächlich teilte auch der Senat diese Bedenken vorerst, als das Bezirksamt Lichtenberg diesen erstmals über die Bebauungspläne unterrichtete. Aus Frei- und Grünflächen könne nur in Ausnahmen Baugebiet gemacht werden. Deshalb seien die Planungsziele nicht mit dem bestehenden Flächennutzungsplan entwickelbar, heißt es in einem Schreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen an den Bezirk aus dem September 2021, welches dem rbb vorliegt.
Diese Einschätzung sollte sich jedoch ein halbes Jahr später ändern, als Andreas Geisel (SPD) das Amt als Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen übernahm. Der gebürtige Lichtenberger leitete nun doch ein Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans ein. "Wir müssen uns klar machen, dass ohne Veränderungen die Zukunft der Trabrennbahn mehr als ungewiss ist. (…) Deshalb habe ich eine rechtzeitige Diskussion über die Zukunft der Trabrennbahn ermöglicht", erklärt Geisel auf rbb-Anfrage.
"Hier einfach abzuwarten, nichts zu tun und auf bloße Selbstheilung zu hoffen, ist keine sinnvolle Option. Deshalb war der Beginn eines Bebauungsplanverfahrens, mit dem Ziel sich über zukünftige und wirtschaftlich tragfähige Konzepte zu verständigen, aus Sicht der Stadtentwicklung ein notwendiger und folgerichtiger Beschluss des Bezirksamts", so der ehemalige Senator.
Für Frommer ist völlig unverständlich, wie es zu dieser Neueinschätzung kommen konnte, schließlich hätte sich die Faktenlage in der Zwischenzeit nicht verändert. Der Kalrshorst e.V. hält es auch für fragwürdig, ob ein wirtschaftlicher Fortbetrieb der Rennbahn im Falle einer Randbebauung des Geländes tatsächlich möglich wäre. "Bis auf das Geläuf und die Tribüne wurden alle Flächen verkauft. Damit ist mit der Trabrennbahn nicht mehr viel anzufangen", sagt Frommer.
Zudem sieht er die geschützten Biotope auf dem Gelände in Gefahr und sorgt sich um den Verlust des Areals für das Gemeinwohl. "Die Trabrennbahn ist nicht nur pferdesportlich ein wichtiger Punkt in Ostberlin, sondern auch für uns Karlshorster die soziale Mitte. Dort brennt unser Osterfeuer, dort begegnet man sich, dort lässt man los (…). Eine Stadt, in der wir stattdessen nur noch Wohnraum haben, verliert sämtliche Urbanität", so der Vereinsvorsitzende.
Er fordert deshalb, dass der bisherige Flächennutzungsplan erhalten werden müsse. "Man kann entweder die Bauerwartung aufgreifen und entwickeln, so wie es zum Teil das Bezirksamt gemacht hat, oder dem widersprechen. Aber ich kann nicht eine Grün- und Sportfläche sichern und gleichzeitig bauen", so Frommer.
Der Bezirk sieht das anders. Das klare Ziel des Bebauungsplans sei es, die Umwelt und landschaftlichen Qualitäten zu sichern und zu verbessern und vor allem den historischen Standort der Trabrennbahn mit ergänzenden Freizeit- und Pferdesportnutzungen zu erweitern und diesen damit langfristig zu sichern, teilte das Bezirksamt Lichtenberg dem rbb mit.
Zudem solle Wohnraum in Form einer Randbebauung geschaffen werden und dabei alle geschützten Biotope berücksichtig werden. Der derzeitige Planungsstand lasse nach dem aktuellen Wissensstand die geschützten Biotope unberührt, so das Bezirksamt. Im weiteren Verfahren sollen nun alle erforderlichen Fachgutachten erstellt und dann in der weiteren Planung berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse sollen dann auch im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Frommer ist skeptisch, inwieweit eine Partizipation der Bevölkerung dann aber tatsächlich möglich sein wird. "Das Bezirksamt hat bereits einen Runden Tisch zugesagt. Wir haben aber bereits viele dieser Formate kennengelernt, bei denen es keine gute Verhandlungslogik und kein kluges Ergebnis gab", sagt der Vorsitzende des Karlshorst e.V..
Rennbahnbetreiber Vergos hofft hingegen, dass der Prozess möglichst schnell voranschreiten wird. "Mit den aus den Grundstücksverkäufen eingenommenen Geldern haben wir die nächsten fünf Jahre abgesichert. So lange kann die Trabrennbahn in jedem Fall finanziert werden. Diese Zeit wollen wir aber natürlich auch nutzen, um den Fortbestand auch länger zu bewältigen. Dafür muss es jetzt vorwärts gehen", sagt er.
Bundesweit hätten in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Trabrennbahnen die Tore für immer schließen müssen. Karlshorst solle nun nicht die nächste sein, wünscht sich Vergos.
Beitrag von Lukas Witte
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