Interview | Klimaschutz-Protest in Jänschwalde
Klima-Aktivisten blockieren im September Anlagen auf dem Kraftwerksgelände Jänschwalde, der Betreiber kritisiert das als "Angriff auf die Versorgungssicherheit". Protestierende nennen die Aktion im Interview eine "Notwendigkeit".
Am 19. September besetzen rund 20 Klimaaktivisten der Aktionsgruppe "Unfreiwillige Feuerwehr" Gleis- und Förderanlagen auf dem Gelände des Kraftwerks Jänschwalde (Spree-Neiße). Der Betreiber Leag nimmt aus Sicherheitsgründen vorübergehend zwei der vier aktiven Blöcke vom Netz.
Der Energiekonzern bezeichnet den Vorfall als "Angriff auf die Versorgungssicherheit". Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) verurteilt den "Sabotageakt in Jänschwalde". Am 17. November müssen sich nun zwei der Klimaaktivisten vor dem Amtsgericht Cottbus verantworten, die nach wie vor nicht ihre Namen nennen.
Der rbb hat mit zwei anderen Teilnehmern der Blockade gesprochen, die sich Malte und Riko nennen und anonym bleiben wollen.
rbb|24: Was ist die "Unfreiwillige Feuerwehr"?
Malte: Wir haben uns ganz bewusst "Unfreiwillige Feuerwehr" genannt, weil wir es nicht freiwillig tun, sondern die Notwendigkeit sehen, jetzt auf die Klima-Katastrophe zu reagieren. Der Bezug zur Feuerwehr wurde gewählt, weil wir hier in Brandenburg sind und in diesem Jahr über 500 Waldbrände hatten. Zum Löschen der Waldbrände gehört auch dazu, dafür zu sorgen, dass Grundwasser da ist, dass die Welt sich nicht weiter erhitzt.
Was sind die Ziele Eurer Aktionen?
Riko: Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die Regierungen in Anbetracht der Klimakrise versagen und in keiner Weise den Anschein erwecken, angemessen auf die Klimakrise zu reagieren. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, selbst dagegen vorzugehen und den Kohleausstieg selbst in die Hand zu nehmen. Eine Forderung ist der Kohleausstieg, aber auch der Ausstieg aus allen fossilen Energien, ein gutes Leben für alle und Klimagerechtigkeit.
Ihr werdet mit eurer Aktion wahrscheinlich nicht sofort Klimagerechtigkeit herstellen können. Ist das dann nur pure Symbolik oder was war konkret das Ziel am 19. September?
Malte: An dem Tag haben wir gezeigt, dass sich mit so einer konkreten Aktion etwas bewirken lässt, dass wir die Macht haben, ein Kohlekraftwerk für mehrere Stunden lahmzulegen [zwei der vier aktiven Kraftwerksblöcke, Anm.d.Red.] und damit ganz effektiv den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Bei dem CO2, das wir an dem Tag eingespart haben, könnten wir jetzt 14 Jahre lang am Stück warm duschen. Ich glaube, so eine Aktion ist mehr wert als jede individuelle Verhaltensänderung. Sich selbst einschränken ist nicht alles - es geht darum, dass endlich die ganz großen Entscheidungen getroffen werden. Braunkohleausstieg ist ein No-Brainer auf dem Weg zur Klimagerechtigkeit.
Die Aktion hatte zur Folge, dass Blöcke in einer Situation abgeschaltet werden mussten, in der Energiesicherheit ein großes Thema war. Habt Ihr auch in Kauf genommen, dass die Stromversorgung in der Region aussetzen könnte?
Riko: Kritische Infrastrukturen wie zum Beispiel Krankenhäuser sind immer über Stromzufuhren gesichert und darauf hat eine Aktion wie diese keinen Einfluss. Das heißt, wir gefährden damit keine Leben.
Malte: Uns ist durchaus bewusst, dass wir damit den Normalbetrieb stören können. Aber dieser Normalbetrieb sollte eben nicht normal sein. Uns ist es wichtig zu zeigen: Es geht nicht darum, unseren jetzigen Lebensstandard und Energieverbrauch so beibehalten zu können - es geht auch darum, zu überlegen, was es überhaupt braucht. Wenn hier BASF die ganze Zeit weiterläuft oder Tesla anfängt, in Brandenburg Elektroautos zu produzieren, dann geht es auch darum, auf wessen Kosten dieser Wohlstand überhaupt verursacht wird. Denn dieser Wohlstand verursacht weltweit Folgeschäden und mittlerweile auch hier, wie wir es beispielsweise im Ahrtal gesehen haben.
Ihr bekommt viel Gegenwind. Könnt Ihr nachvollziehen, dass so eine Aktion bei vielen Menschen auf Ablehnung stößt, die sagen: Die haben den Anspruch auf die Wahrheit und nehmen uns mit ihren Aktionen sozusagen in Sippenhaft?
Riko: Ich glaube, dass es eine Mehrheit in Deutschland gibt, die für mehr Klima-Maßnahmen ist, und die Regierung handelt trotzdem nicht. Es gibt natürlich Leute, die solche Aktion scheiße finden. Aber die werden wir auch nicht mit friedlicheren Aktionen überzeugen können.
Malte: Wir hatten auch am Rande der Blockade ganz gute Gespräche - auch mit Leuten, die aus der Region kommen und eigentlich gekommen sind, um ihre Meinung zu sagen. Wir haben uns eine lange Zeit unterhalten und am Ende haben sie verstanden, warum wir das tun. Wir sind nicht die einzigen, die so etwas tun. Weltweit gehen Menschen für so etwas hohe Risiken ein. Wir in Deutschland haben eine relativ privilegierte Position, während woanders indigene Bevölkerungen zum Beispiel vertrieben werden und sich dagegen wehren - aber damit rechnen müssen, auch getötet zu werden, wenn sie sich wehren. Dagegen ist das hier einfach ein Zeichen: Das ist unsere Solidarität und das Mindeste, was wir tun können.
Für Euch ist es nicht ganz ungefährlich, wenn Ihr Euch an Schienen kettet. Wieso geht ihr beiden diese Gefahren ein?
Riko: Wir treffen auf jeden Fall alle Sicherheitsmaßnahmen, die notwendig sind, um unser Leben nicht zu gefährden. Und das letzte Risiko, das bleibt, gehen wir bewusst ein, um ein Zeichen zu setzen gegen die Klimakrise.
Es gibt sehr viele Protest-Aktionen, die auch ein Zeichen setzen wollen: Leute, die Suppe an eine Glasscheibe werfen, die "Letzte Generation", die sich an Autobahnzubringer festklebt. Was haltet Ihr von diesen Aktionen und warum habt Ihr Euch für Eure Form entschieden?
Malte: Ich glaube, wir können erstmal sagen, dass wir mit der "Letzten Generation" solidarisch sind und gut finden, dass sie das tun - und, dass sie - im Gegensatz zu ganz vielen anderen Menschen - etwas tun. Sich an die Autobahnen zu kleben, finden wir eine sehr sinnvolle Sache, denn der Autoverkehr ist eben auch ein großes Problem, genauso wie Kohlekraftwerke. Wir haben uns hierfür entschieden, weil hier ein Großkonzern, die Leag, auf Kosten der Umwelt enorme Profite macht. [...] Deshalb haben wir uns entschieden, hier direkt an die Großkonzerne und den großen Stellschrauben zu drehen.
Was müsste passieren, damit Ihr aufhört, Euch des zivilen Ungehorsams schuldig zu machen?
Malte: Das ist eine gute Frage. Wir würden auf jeden Fall wollen, das sofort der Braunkohleausstieg in Planung genommen und im nächsten Jahr umgesetzt wird - und, dass endlich eine Klimapolitik erkennbar ist, die das 1,5-Grad-Ziel anvisiert. Gleichzeitig bestehen so viele andere Ungerechtigkeiten in dieser Welt, die nicht mit der Klimapolitik direkt zusammenhängen, aber trotzdem angegangen werden müssten. Ich glaube: Grundsätzlich werden wir immer weiter für eine bessere Welt kämpfen, weil diese Welt nie perfekt sein wird. Wir arbeiten an einer gerechten Welt für alle. Das braucht noch ganz, ganz viele Schritte.
Danke für das Gespräch.
Das Interview führte Nico van Capelle für rbb24 Brandenburg Aktuell. Es handelt sich um eine redigierte und gekürzte Fassung.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.11.2022, 16:40 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen