Lernmethode von indigenen Völkern
Die niedersorbische Sprache hat ein Problem: es gibt kaum neue Sprecher. Ohne das Engagement vieler Lausitzer droht sie auszusterben. Ein junger Chemiker hat sogar schon mehrere Jobs abgelehnt, um die Sprache unterrichten zu können.
Ein Donnerstagabend in Jänschwalde (Landkreis Spree-Neiße): Acht Erwachsene zwischen 25 und 50 Jahren sitzen nach ihrem Feierabend gemeinsam an einem Tisch und unterhalten sich auf Niedersorbisch. Ihr Lehrer, Maximilian Hassatzky, ist ein junger Mann aus Dissen bei Cottbus und eigentlich studierter Chemiker. Seinen gelernten Beruf hat er vorerst an den Nagel gehängt, denn er will die niedersorbische Sprache vermitteln.
"Ich habe das Gefühl, dass die Leute hungrig sind danach", sagt Hassatzky. "Das Interesse an der Sprache und das Prestige der Sprache war in den vergangenen Jahrzehnten nie so hoch wie jetzt", fährt er fort.
Die Niedersorbische Sprache gilt aktuell laut dem Atlas der gefährdeten Sprachen der Unesco als "ernsthaft gefährdet", die obersorbische Sprache noch als "gefährdet". Laut dem sorbischen Dachverband Domowina pflegt nur noch ein Bruchteil der Bevölkerung mit sorbischen Wurzeln auch die Sprache. Offiziell gibt es etwa 60.000 Sorben und Wenden, 40.000 in der Oberlausitz und 20.000 in der Niederlausitz. Diese Zahlen sind allerdings Schätzungen. Wie viele aktive Sprecher es genau gibt ist auch dem Dachverband nicht bekannt.
Die Kursteilnehmer haben ganz unterschiedliche Gründe an dem freiwilligen Unterricht teilzunehmen. Es mache ihr Spaß eine neue Sprache zu lernen, sagt eine Teilnehmerin. "Und warum nicht die Traditionen weitertragen, die hier im Dorf vorhanden sind?", fragt sie. In den Dörfern würden noch immer Traditionen wie der Zapust gelebt, erklärt eine andere Teilnehmerin. Das habe sie neugierig auf die Sprache gemacht.
Für 90 Minuten pro Woche kommt die Gruppe zusammen. Für Maximilian Hassatzky ist es eine Art Testballon. Er probiert eine Lehrmethode, die von indigenen Völkern in Nordamerika entwickelt worden ist. "Die stehen vor den gleichen Herausforderungen wie wir", so Hassatzky. Es gebe keine neuen Sprecher mehr. Und das Lernen der Sprache wird mit dem Alter nicht leichter. "Erwachsene brauchen deutlich mehr Kontaktzeit mit der Sprache, um sie so zu lernen, dass sie die wirklich fließend sprechen."
Zu der Methode gehört das Lernen mit Bildern, die aufeinander aufbauen. Aber auch das Gespräch mit Muttersprachlern und Exkursionen gehören zum Programm. Ab September sollen bis zu zehn Teilnehmer Niedersorbisch zudem in einem Intensivkurs lernen. Dieser Kurs unter dem Projekttitel "Zorja" dauert dann zehn Monate. 30 Wochenstunden müssen dafür absolviert werden.
Die Teilnehmer erhalten für den Kurs ein Stipendium. Bei abgeschlossener Berufsausbildung liegt das etwa auf Mindestlohnniveau - gefördert aus den Mitteln für den Strukturwandel nach dem Braunkohleausstieg. Bewerbungen für "Zorja" sind noch bis zum 30 März auf der Internetseite des Projektes möglich [www.zorja.org].
Für Maximilian Hassatky, der auch dann Niedersorbisch vermitteln wird, wird aus der Berufung ein Beruf. In Leipzig und London hatte er eigentlich Chemie studiert. "Als die Möglichkeit kam, das hauptamtlich zu machen, war das keine einfache Entscheidung", sagt er. "Aber das was ich als Chemiker mache, das können viele andere machen, während es einen unglaublichen Mangel an Sprechern der niedersorbischen Sprache gibt", so Hassatzky.
Sendung: Brandenburg Aktuell, 06.02.2023, 19:30 Uhr
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