Landesapothekerkammer
Dass viele Medikamente Mangelware sind, ist nicht neu. Doch die Liste wird seit Jahren länger. Die Apotheken in Brandenburg improvisieren, stellen teilweise selbst her. Ein neues Gesetz soll Lieferengpässe bekämpfen. Für Kritiker setzt es an falscher Stelle an.
Der Mangel an Arzneimitteln nimmt in Brandenburg zu. Das sagte der Präsident der Landesapothekerkammer, Jens Dobbert, am Donnerstag dem rbb. Es sei ein bundesweites Problem, mit dem alle Apotheken zu kämpfen hätten, so Dobbert. In seiner Apotheke in Forst (Spree-Neiße) seien zurzeit rund 400 Medikamente nicht lieferbar.
Die Zahl deckt sich in etwa mit der des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Es listet auf seiner Internetseite tagesaktuell auf [pharmnet-bund.de], welche Medizinprodukte nicht geliefert werden können. Aktuell sind es demnach 473 (Stand: 13.04.2023).
Neu ist das Engpassproblem nicht, aber es ist größer geworden. 2019 war die Rede von rund 280 Medikamenten, auf die Patienten verzichten mussten. Ende 2022 gab es einen Engpass bei 311 Medikamenten.
Das Problem und die Entwicklung bestätigt auch Andreas Baumgärtel, der Sprecher der Apotheken in Cottbus. "Vor der Pandemie waren wir bei etwa 100, 150 Medikamenten - jetzt sind wir bei fast 400 nicht lieferbaren Medikamenten." Das betreffe unterschiedliche Bereiche. So gebe es beispielsweise einen Mangel bei Blutdrucksenkern, Antibiotika für Kinder oder Medikamenten für die Krebstherapie.
Laut Baumgärtel sei jede Apotheke im Durchschnitt circa 20 Stunden pro Woche damit beschäftigt, die Lieferschwierigkeiten "irgendwie zu managen." Aus den verschiedenen Filialen würden die Antibiotikasäfte zusammengesammelt werden, dann schickten die Apotheker Listen mit den noch verfügbaren Säften an die Kinderärzte.
Jens Dobbert berichtet, dass Apotheker kreativ werden müssten, um Patienten dennoch zu versorgen. So würden mitunter Medikamente mit anderen Wirkstoffen ausgegeben, die aber eine ähnliche Wirkung hätten, wie die verschriebenen Arzneimittel.
Im Dezember wurde berichtet, dass einige Pharmazeuten außerdem Arzneimittel inzwischen selbst herstellen, um dem Mangel zu begegnen. In einer Filiale in Falkenberg (Elbe-Elster) hatten die Mitarbeiterinnen für den Notfall Grundstoffe für einige Medikamente zusammengetragen. Vereinzelt sei die Eigenproduktion sogar bereits Praxis, hieß es.
Grund für die Probleme ist nach Ansicht von Andreas Baumgärtel die Sparpolitik der Krankenkassen, "die Preisdrückerei, die die Medikamentenhersteller ins Ausland getrieben hat", sagt der Apotheker. "Wir ernten jetzt die Früchte dieser negativen Entwicklung." Baumgärtel glaube nicht, dass sich die Lage in den nächsten Jahren groß verändern werde.
Daran werde auch das vergangene Woche im Kabinett beschlossene "Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen" [bundesgesundheitsministerium.de] nichts ändern, so Baumgärtel. "Das ist wie: Per Dekret gibt's die [Engpässe] nicht mehr, so würde ich das mal persönlich interpretieren. Das ist alles völlig untauglich."
Mit dem Gesetz fallen unter anderem Festbeträge und Rabattverträge für bestimmte Kinderarzneimittel weg. Dadurch sollen die Hersteller mehr Geld erhalten. Der Berliner Apotheker-Verein hofft, dass Lieferungen nach Deutschland dadurch attraktiver werden. Die Vorsitzende Rüdinger sagte dem rbb, dass die Produktion von Antibiotika- und Fiebersäften für Kinder für die Industrie derzeit nicht kostendeckend sei.
Geplant ist außerdem, dass Antibiotika künftig verstärkt in Europa hergestellt werden. Dadurch soll die Abhängigkeit von Asien reduziert werden.
"Es wird immer mehr günstig in Fernost produziert, es gibt zum Teil nur noch sehr wenige Wirkstoffproduzenten und auch die Generikahersteller in Europa und der EU stellen bei einigen Medikamenten zunehmen ihre Produktion ein", fasste der Sprecher des Apothekerverbands Brandenburg, Mathias Braband-Trabandt, am Donnerstag gegenüber rbb24 Brandenburg Aktuell zusammen, wo seiner Ansicht nach die Ursachen für die Engpässe liegen.
Wegen der Lieferschwierigkeiten fordert der Verband, dass den Apotheken dauerhaft mehr Handlungsfreiheit gegeben wird. In der Corona-Pandemie hätten sie bei Engpässen auf andere Präparate mit ähnlichen Wirkstoffen ausweichen dürfen. Diese Regel sei aber am vergangenen Freitag ausgelaufen und solle vorübergehend bis Sommer verlängert werden, so Mathias Braband-Trabandt.
"Wir fordern, dass diese Regelungen schnellstmöglich per Gesetz verstetigt werden, damit Patienten unbürokratisch versorgt werden können", sagte der Verbandssprecher. Wer ein Medikament brauche, sollte es möglichst schnell bekommen können - und nicht ein weiteres Mal zum Arzt gehen müssen, um ein Ersatzrezept zu holen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 13.04.2023, 08:30 Uhr
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