Kahnfährleute im Spreewald greifen zum Saisonstart zu ihrer Zulassung - darf mein Kahn noch aufs Wasser? Die TÜV-Prüfer haben volle Terminkalender - Erhard Wassermann ist einer von ihnen. Und Isabelle Schilka war bei einer Prüfung dabei.
Mit Zollstock, Klemmbrett und Checkliste ausgestattet blickt Erhard Wassermann kritisch auf den Kahn, der vor ihm am Hafen in Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz) festgemacht ist. Der TÜV-Prüfer wirkt routiniert. Jährlich nimmt er zwischen 50 und 70 Kähne unter die Lupe, diesmal ist der 17 Jahre alte Kahn von Fährmann Hans Jürgen Richter dran.
"Hier ist ist Personenverkehr, da muss eine gewisse Ordnung sein, das heißt auch TÜV", sagt Wassermann, der diesen Job inzwischen seit 15 Jahren macht. Die meisten Kähne sind in diesem Jahr schon durch, besonders viel los ist rund um den Saisonstart.
"Dann gib mir mal deine Papiere, den grünen TÜV und das Zulassungszeugnis." Mit fast allen Kahnfährleuten ist der 75-Jährige Wassermann per Du, auch mit Hans-Jürgen Richter. Der Prüfer kontrolliert zunächst die Dokumente und schaut sich dann den Kahn selbst genauer an. Er lässt sich die "Lenzeinrichtung" zeigen - also ein Gefäß, das bei Wassereinbruch gebraucht wird - testet das zweite Rudel, den Sanitätskasten und überprüft die Sitze, denn die dürfen nicht verrutschen.
Dann zückt er den Zollstock. Überprüft wird, ob genug Platz für die Gäste vorhanden ist und ob nicht vielleicht mehr Bänke auf dem Kahn sind als erlaubt. "Manch einer lässt sich etwas einfallen, der kommt mit sieben, acht Bänken zum TÜV und fährt morgen mit neun Bänken, die nicht eingetragen sind", so der Prüfer. "Das geht dann gegen den Baum, wenn die Polizei kommt."
Wasserpolizei im Spreewald unterwegs
Dass so etwas oft nach hinten los geht, weiß auch Kahnfährmann Hans-Jürgen Richter. Seit 50 Jahren ist er nun schon auf den Fließen unterwegs und begegnet der Wasserschutzpolizei regelmäßig. "Da kann's passieren, dass man manchmal zweimal hintereinander kontrolliert wird, oder der andere, der vor einem fährt."
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Der Fährmann hat in all den Jahren auch gesehen, wie sich die Kahnfahrt nach und nach professionalisierte. Anfang der 1980er Jahre kam der Rettungsring, dann sei es Schlag auf Schlag gegangen, so Richter. "Aufgrund bestimmter Vorfälle im Unterspreewald wurde dann auch die Fährmannsprüfung eingeführt." Außerdem seien Berliner Kapitäne von der "Weißen Flotte" gekommen. Sie haben über Gewässerordnung, Schifffahrtsordnung und die Kahnausrüstung informiert.
Heute ist für fast alle Kahnfahrleute selbstverständlich, dass ein Schwimmkissen, ein aktueller Sanitätskasten und ein Ersatzrudel an Bord sein müssen - auch, wenn es die Berliner Kapitäne am Anfang nicht ganz leicht mit den Spreewäldern hatten, die sich ungern von Hauptstädtern erklären lassen wollten, was sie jetzt anders machen sollen, berichtet Richter.
Happy End am Lübbenauer Hafen
Die TÜV-Prüfung dauert nicht lange, nach knapp einer halben Stunde ist Erhard Wassermann mit dem 17-jährigen Kahn fertig. Alles wurde vermessen, die Ausstattung überprüft und die Bänke wurden durchgezählt. Am Ende kommt der Kahn von Hans-Jürgen Richter durch den TÜV - wie jedes Mal in den vergangenen Jahren, sagt er. Damit darf er nun wieder Gäste durch den Spreewald staken, bis zur nächsten Prüfung in drei Jahren.