Hat der Otto-Versand Kameras aus Cottbuser Zwangsarbeit verkauft?
Die SED-Opferbeauftragte des Bundestags erhebt in ihrem aktuellen Bericht Vorwürfe gegen den früheren Otto-Versand. Der soll DDR-Kameras aus Cottbuser Zwangsarbeit in Westdeutschland vertrieben haben. Der Konzern widerspricht.
Westdeutsche Unternehmen haben zu DDR-Zeiten in Zwangsarbeit hergestellte Produkte verkauft. Dafür sieht die SED-Opferbeauftragte des Bundestags, Evelyn Zupke neue Belege. Bei der Vorstellung ihres Jahresberichts am Donnerstag kritisierte Zupke etwa den früheren Otto-Versand. Dieser habe die teils von politischen Gefangenen in Cottbus produzierte Kamera "Praktica" in Westdeutschland vertrieben.
Zupke warf der Otto-Group, dem Rechtsnachfolger des Otto-Versands, dabei vor, nicht auf Gesprächsangebote ihrerseits reagiert zu haben. Die Otto-Group wies die Vorwürfe zurück.
In ihrem Jahresbericht erklärte die Opferbeauftragte, dass selbst das DDR-Innenministerium die Bedingungen in der Cottbuser Gefängnisproduktion kritisiert habe. Außerdem hätten die Bedingungen dem internationalen Übereinkommen zur Abschaffung von Zwangsarbeit widersprochen.
Laut einer Recherche von Zupkes Mitarbeitern waren in Cottbus 250 bis 300 politische Gefangene an der Produktion von "Praktica"-Gehäusen beteiligt. Sie sollen dabei unter mangelnden hygienischen Umständen gearbeitet haben und mit stark ätzenden Materialien in Kontakt gekommen sein. Eine westdeutsche Branchenzeitung habe 1976 über die Missstände berichtet. Mehrere Unternehmen hätten die Kamera daraufhin aus ihrem Sortiment genommen, nicht allerdings der Otto-Versand oder auch Quelle.
Zupke erklärte am Donnerstag, dass diese "exemplarische Recherche" zeige, dass westdeutsche Konzerne Waren verkauften, die von politischen Gefangenen in der DDR hergestellt wurden.
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Otto widerspricht Vorwürfen
Der Konzern hält die angeführten Belege der Zwangsarbeit hingegen nicht für ausreichend. Ein Sprecher erklärte, dass es eine große Wahrscheinlichkeit dafür gebe, dass die damals verkauften "Praktica"-Modelle keine Teile aus Häfltingsarbeit enthielten. "Wir sind sehr verwundert, trotz intensiven Dialogs mit allen Beteiligten im Zentrum einer ganz offensichtlichen Kampagne der Opferverbände zu stehen und weisen die Vorwürfe entschieden zurück", erklärte der Sprecher.