Großprojekt in Cottbus
Für das neue Bahnwerk in Cottbus werden über 100 Kleingärten dem Erdboden gleich gemacht. Die Gärtner werden allerdings entschädigt und umgesiedelt. Nun warten frisch herausgeputzte Parzellen auf sie. Von A. Anders-Lepsch und Florian Ludwig
Um Henry Fischer wird es bald einsam. Der Cottbuser betreibt das Gartenlokal "An der Werkstatt". Die gleichnamige Kleingartensparte direkt nebenan wird vollständig plattgemacht. Die Gärten müssen dem neuen Bahnwerk in Cottbus weichen. Bis 2026 sollen insgesamt zwei große Werkhallen stehen, eine ist fast fertig.
Das Großprojekt braucht Platz, die Kleingartensparte muss weg. Der zu erwartende empörte Aufschrei unter den Kleingärtnern ist allerdings ausgeblieben - erstmals bei einem solchen Großprojekt in Berlin und Brandenburg sorgt die Bahn für Wiedergutmachung. Die Gärtner erhalten nicht nur Entschädigungen, sondern auch, sofern gewünscht, vollständig neu hergerichtete Parzellen - inklusive Laube.
Henry Fischer will bleiben, das Grundstück, auf dem seine Kneipe steht, gehört ihm. Verkaufen wollte er nicht, "weil ich der größte grüne Fleck dort hinten bin, den es dann noch gibt", wie er sagt. Ein bisschen hofft er aber auch darauf, dass seine Kneipe zum Stammlokal der Werkarbeiter wird.
Seine Kneipe und einige Garagen, insgesamt etwa 2.000 Quadratmeter, bleiben unangetastet. Die Kleingärten müssen hingegen weg.
Die Bahn setzte bei dem Projekt von Anfang an auf Transparenz, der Umgang mit den Gartenfreunden sei gut gewesen, heißt es vom Verein. Ende des vergangenen Jahres war ihnen das Angebot der Bahn vorgestellt worden.
An einer "einvernehmlichen Lösung" sei gearbeitet worden, hieß es damals von der Bahn. Neben einer Entschädigung für alle Pächter war auch die Bereitstellung einer Ersatzfläche vorgesehen. In den letzten Monaten ist die, einige hundert Meter von der ursprünglichen Anlage entfernt, vorbereitet worden.
Neue Parzellen wurden abgesteckt, neue Gartenlauben gebaut - ausgestattet mit Solaranlagen. Die Kleingärtner hatten vor der Umsiedlung allerdings auch Bedingungen, wie Meinert Klemm, Geschäftsführer des Vereins "Bahn-Landwirtschaft" damals sagte. Die neue Anlage sollte sich in der Nähe der alten befinden und auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein.
Die Bedingungen wurden erfüllt, der Umzug abgesegnet. Es sein ein Novum, dass die Bahn in einem solchen Fall eine Ersatzfläche bereitstelle, so Klemm. "Darüber freuen wir uns sehr", teilte er nach der Einigung mit.
Nicht alle Kleingärtner freuen sich uneingeschränkt, doch die Ausgleichsangebote der Bahn haben sie schließlich überzeugt. Für Jürgen Voigt ist es - nach 25 Jahren - der letzte Sommer in seinem Garten. "Man hat schöne Zeiten erlebt, es war angenehm", sagt der Rentner.
"Die Leute, die Geld investiert haben und noch nicht so lange in der Gartenanlage sind, die sind natürlich enttäuscht", sagt Wirt Henry Fischer wiederum. In seinem Lokal bekomme er das mit, wie er sagt. Die 3.000 Euro Entschädigung würden nicht alles wieder gut machen. Zudem, sagt Jürgen Voigt, würden nicht alle Kleingärtner umziehen. Die Kleingartenanlage sei alt, viele Pächter ebenso. Diese wollten sich den Umzug nicht mehr antun. Denn obwohl die neue Anlage hergerichtet wurde, wartet Arbeit. "Da ist ja nichts, kein Strauch, kein Baum, ein Neuanfang ist immer schwierig" so Voigt.
Er und seine Frau - beide fast 80 Jahre alt - freuen sich hingegen. "Man sieht ja die Notwendigkeit auch ein", so Voigt. "Wir kriegen ein neues Stück, mit einer neuen Laube, wir sind eigentlich sehr zufrieden", sagt er.
Sendung: Antenne Brandenburg, 20.07.2023, 16:10 Uhr
Beitrag von A. Anders-Lepsch und Florian Ludwig
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