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Video: rbb24 | 13.07.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Quelle: DPA/Patrick Pleul

Lehrer aus Burg bitten um Versetzung

"Das fühlt sich ganz, ganz schlimm an"

Zwei Lehrkräfte, die rechtsextreme Umtriebe an ihrer Schule im Spree-Neiße-Kreis öffentlich gemacht hatten, bitten um Versetzung. Der Grund: massive Anfeindungen von rechts. Ein Abgang mit gemischten Gefühlen, sagen sie. Von Christoph Hölscher Das rbb Fernsehen sendet am Freitag, 14.07., um 20:15 Uhr ein "rbb Spezial" zum Thema

Laura Nickel und Max Teske sitzt der Schreck noch in den Gliedern: "Morgens um halb acht steigt man aus dem Auto und sieht sein Konterfei auf den Laternenmasten. Das fühlt sich ganz, ganz schlimm an", berichtet Nickel.

Am Vortag waren in Burg (Landkreis Spree-Neiße) rund 60 Aufkleber aufgetaucht mit Fotos der beiden und der Aufforderung, sie sollten nach Berlin verschwinden. Außerdem wurde auf Instagram zur Jagd auf die jungen Lehrkräfte aufgerufen.

Ihr sei übel geworden, als sie die Aufkleber gesehen habe. Die Entscheidung, einen Antrag zur Versetzung an eine andere Schule zu stellen, hätten sie und Teske beiden dann eher aus "dem Bauch heraus" getroffen – vor allem aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Familien. Der Staatsschutz ermittelt nun unter anderem wegen Beleidigung und des Aufrufs zur Begehung von Straftaten.

Druck aus dem Schulamt oder von der Schulleitung sei auf sie dabei nicht ausgeübt worden. Die Reaktionen im Kollegium auf ihren Weggang seien gemischt: "Mein Gefühl ist, dass es sicher einige Kollegen gibt, die froh darüber sind", sagt Teske. Es gebe aber auch einige, die ihren Abschied bedauerten. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, betont Nickel. Man lasse viele Kollegen und Schülerinnen zurück, die man sehr liebgewonnen habe.

Kommentar | Anfeindungen gegen Lehrer

In Burg haben die Rechtsextremisten gewonnen

Nachdem sie Rechtsextremismus an ihrer Schule in Burg im Spreewald angeprangert hatten, bekamen zwei Lehrkräfte viel Unterstützung, wurden aber auch angefeindet. Nun verlassen sie die Schule. Ein verheerendes Signal, kommentiert Hanno Christ.

Bundesweite Debatte über Rechtsextremismus ausgelöst

Die beiden Lehrer hatten im April rechtsextreme Vorfälle an Ihrer Schule öffentlich gemacht und damit eine bundesweite Debatte ausgelöst. Daraufhin meldeten sich auch andere Schulen in Brandenburg wegen ähnlicher Fälle wie Hakenkreuz-Schmierereien oder dem Zeigen des Hitlergrußes. Doch die Reaktionen waren zwiespältig.

Bereits im Juni beklagten Nickel und Teske, dass sie aufgrund ihrer Aktivitäten angefeindet würden. So grüßten einige Kollegen sie nicht mehr. In einem anonymen Brief an die Schulleitung, dessen Verfasser sich als Eltern ausgegeben hatten, wurde ihre Entlassung gefordert. "Wir stören vielleicht, indem wir den Finger in gewisse Wunden legen", vermutet Laura Nickel rückblickend, "aber die Wunden waren ja vorher schon da."

Auch wenn die beiden es nach eigener Einschätzung geschafft haben, viele Schülerinnen und Schüler für Themen wie Rechtsextremismus, Rassismus oder Homophobie zu sensibilisieren, habe es auch weiterhin entsprechende Vorfälle an der Schule gegeben, berichten Nickel und Teske. Allerdings sollten sie nicht mehr mit der Presse darüber reden, sagte Teske. In einem Gespräch mit dem zuständigen Schulamt Cottbus sei ihm deutlich gemacht worden, dass er nicht der "Pressesprecher" der Schule sei. Jegliche Anfragen zu Vorfällen an der Schule habe er an die Schulleitung bzw. das Schulamt weiterzureichen. Für den Fall, dass er das nicht tue, sei ihm mit einer Abmahnung gedroht worden. Ein Maulkorb für den kritischen Lehrer?

Im Bildungsministerium wollte man diese Darstellung auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren. Er habe die Gespräche "nicht im Einzelnen" verfolgt, so Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) gegenüber rbb24 Brandenburg aktuell. Er sei sich aber sicher, es sei darin um die Weitergabe von "Schulinterna" gegangen sei - was allen Beschäftigten des Landes untersagt sei. Ob auch mögliche rechtsextreme Vorfälle in diesem Sinne als "Schulinterna" anzusehen sind, sagte er dabei nicht.

Trotzdem wollen sich Nickel und Teske nicht über mangelnde Unterstützung der Behörden beschweren. Schutz gegen die Bedrohung und Anfeindung von außen sei nicht möglich gewesen, so ihre Ansicht. Schulleitung und Schulamt hätten nichts dagegen tun können, sagt Laura Nickel auch.

Spree-Neiße

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Hitler-Gruß, rassistische und rechtsextreme Sprüche: Lehrer einer Schule im Spree-Neiße-Kreis haben sich mit einem offenen Brief an verschiedene Medien gewandt. Darin schreiben sie von täglichen rechten Vorfällen. Von Jo Goll

Unterstützung aus der Politik

Politiker der meisten Parteien äußern sich jetzt bestürzt über die Vorgänge in Burg. Ministerpräsident Woidke (SPD) bezeichnet die beiden Lehrkräfte gegenüber rbb|24 als "Menschen, die Mut bewiesen haben" und deshalb "unsere uneingeschränkte Unterstützung" verdienten.

Sebastian Walter, Landesvorsitzender der Linken, nennt den Rückzug der Lehrkräfte nach Anfeindungen von rechts "eine Vollkatastrophe" und "absolutes Staatsversagen". Das Bildungsministerium habe die beiden vor Ort nicht ausreichend unterstützt – mehr als "warme Worte" habe es für sie nicht gegeben.

Auch der CDU-Landesvorsitzende Jan Redmann räumt ein, dass die Unterstützung durch das Land "nicht gereicht" habe und man in Zukunft mehr tun müsse, damit Lehrern in so einer Situation nicht das Gefühl vermittelt werde, alleine zu stehen.

AfD sieht Schuld bei den Opfern

Lediglich die AfD sieht keinen Grund zur Kritik an den Vorfällen in Burg. Stattdessen verharmlost sie die Anfeindungen gegen die Lehrkräfte und schiebt ihnen sogar die Schuld an der Eskalation zu. Lena Kotré, rechtspolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion, äußert sich gegenüber rbb|24 "verwundert" darüber, dass die beiden Lehrer so "empfindlich" seien und nach "ein bisschen Gegenwind" die Segel streichen würden.

Mit ein "bisschen Gegenwind" meint sie das Verteilen der Aufkleber und den Instagram-Aufruf zur Jagd. Beides könne ihrer Meinung nach auch von Linksextremisten initiiert seien, um die "Leute aufzuhetzen". Belege für diese Vermutung oder auch nur Hinweise darauf gibt es nicht.

Mit ihrer Kritik an den – angeblich nicht bewiesenen – rechtsextremen Vorfällen hätten die beiden Lehrer laut Kotré das Ziel verfolgt, in Burg "alles nach ihren eigenen Vorstellungen umkrempeln" zu wollen und damit die Anfeindungen quasi selbst provoziert.

Anfeindungen aus rechter Szene

Staatsschutz ermittelt nach Bedrohung von Lehrern in Burg

Im April machten zwei Lehrer einer Schule im Spreewald rechtsextreme Vorfälle öffentlich. Seither sind beide Anfeindeungen aus der rechten Szene ausgesetzt. Nun ermittelt der Staatsschutz und das Schulamt prüft weitere Schritte.

Einsatz für Demokratie – trotz Anfeindungen

Nach Angaben der Polizeidirektion Süd stehen Nickel und Teske derzeit unter Polizeischutz. Sie selbst berichten davon, dass regelmäßig ein Streifenwagen an ihrem Haus vorbeifahre. Laura Nickel habe dadurch das "ungute Gefühl", in Gefahr zu sein – trotz ihrer Entscheidung, Burg zu verlassen.

Obwohl diese Entscheidung freiwillig gefällt worden sei, zeige sie letztlich, "wo die Gesellschaft steht", resümiert Max Teske enttäuscht: "Wenn Lehrkräfte gehen, die sich für demokratische Werte einsetzen, dann läuft hier irgendwas schief." Die beiden wollen sich auch weiterhin für demokratische Werte einsetzen - an einer Schule und in der Gesellschaft. Allerdings wohl nicht mehr in Burg im Spreewald.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.07.2023, 08:00 Uhr

 

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