Aus für ambulanten DRK-Pflegedienst in Finsterwalde
"Wie ein Pflegedienst systematisch zugrunde gerichtet wurde, finde ich eine riesen Sauerei"
Diese Nachricht hat in dieser Woche eingeschlagen: Das DRK schließt noch diesen Monat seinen ambulanten Pflegedienst in Finsterwalde, Doberlug-Kirchhain und Sonnewalde. Patienten und Mitarbeiter sind verzweifelt und verunsichert. Von I. Wussmann und S. Schiller.
"Wir haben alles getan, diesen Standort zu erhalten", sagte noch einmal die Vorstandsvorsitzende des DRK-Kreisverbandes, Bianka Sebischka-Klaus, am Freitag dem rbb. Dennoch schließt das Deutsche Rote Kreuz zum 23. August seinen ambulanten Pflegedienst in Finsterwalde und die Standorte Doberlug-Kirchhain und Sonnewalde (Elbe-Elster). Das war am Dienstag bekannt geworden.
Grund sei akuter Personalmangel, heißt es. Rund die Hälfte des Personals sei weg, unter anderem aufgrund der Belastungen durch die Corona-Pandemie. "Unser Ziel ist es, keinen unversorgt zu lassen", sagt Sebischka-Klaus mit Blick auf die Patienten, "und auch für die Mitarbeitenden Lösungsmöglichkeiten zu finden."
Es gebe wegen der Schließung keine Kündigungen, sagte die Verbandschefin am Mittwoch dem rbb, "und das wollen wir ja auch tunlichst vermeiden." Das DRK stehe mit den Mitarbeitern "regelmäßig im Austausch, um die Kollegen auch auf dem Weg mitzunehmen", so Sebischka-Klaus am Freitag.
Geringe Bezahlung, überlastete Mitarbeiter, ungesicherte Finanzierung: In der Pflegebranche knarzt es an allen Enden. Am Freitag haben in Berlin Pflegekräfte und Verbände ihrem Ärger Luft gemacht und grundlegende Reformen angemahnt.
Die Ankündigung der Schließung hat bei vielen Verzweiflung und Verunsicherung ausgelöst, unter anderem bei den betroffenen Pflegekräften. Einige versammelten sich am Freitag spontan für ein Interview mit dem rbb auf dem Markt in Finsterwalde. "Ich habe es über das Diensttelefon von den Kollegen erfahren und dachte, ich falle aus allen Wolken", sagt eine Frau, die wie alle anderen ihren Namen nicht nennen möchte. Die Schließung können sie nicht nachvollziehen. Teilweise sollen die Pflegekräfte auch von ihren Patienten erfahren haben, dass der Pflegedienst schließt, heißt es.
"Schande" und "Sauerei"
Es gibt viel Frust bei den Mitarbeitern. Seit Monaten gebe es einen Einstellungsstopp, berichten manche. Bewerber seien abgewiesen worden. "Ich glaube, das war für viele das größte Problem, so dass viele resigniert haben und gesagt haben: Das will ich nicht mehr." Auch eine Angehörige macht sich Luft: "Wie ein Pflegedienst eigentlich systematisch zugrunde gerichtet wurde, das finde ich einfach eine riesen Sauerei."
Von einer "Schande", dass der Pflegedienst geschlossen wird, spricht eine weitere Mitarbeiterin. "So etwas kann es eigentlich in dieser Gesellschaft und in Deutschland nicht geben, wir sind ein hochentwickeltes Land."
Das Personal reicht nicht mehr aus: Das Deutsche Rote Kreuz muss seinen ambulanten Pflegedienst in Finsterwalde schließen. Was mit den 250 Patienten und den Mitarbeitern passiert, ist noch unklar.
Die Mitarbeiter kamen am Freitag nicht allein auf den Marktplatz in Finsterwalde, sie hatten auch Angehörige - und Patienten mobilisiert. "Wie können die sowas machen? Uns jetzt kündigen, was sollen wir denn bloß machen?", fragt eine fast 90-Jährige. Eine andere Pflegerin berichtet, dass sie noch keine Idee für eine Pflegelösung hat. "Ich weiß nicht, wie es danach weitergeht. Ich bin alleinerziehende Mutter."
Laut dem DRK sind rund 250 bis 270 Patienten von der Schließung betroffen - je nach Zählart, denn manche würden mehrere Leistungen nutzen, so die Verbandchefin Sebischka-Klaus.
Eine Mitarbeiterin berichtet: Kollegen seien betroffen, dass die Patienten "mit einem Mal so stehen" gelassen werden würden und innerhalb von zwei Wochen neue Pflegedienste finden müssten. "Es gibt Bereiche wie Münchhausen, da gibt es gar keinen anderen Pflegedienst, da fährt kein anderer hin, da gibt es keine andere Versorgung. Das geht so nicht."
Auch Gesundheitsministerium will helfen
Das Brandenburger Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) spricht beim "zunehmenden Fachkräftemangel" von einem der "großen pflegepolitischen Herausforderungen unserer Zeit". Das Ministerium hat angeboten, den Patienten des ambulanten DRK-Pflegedienstes Finsterwalde zu helfen. Es sei nicht einfach, wenn sich große Unternehmen wie das DRK aus einer Region zurückziehen, teilte das Ministerium auf eine rbb-Anfrage mit. "Wichtig ist in solchen Fällen, dass niemand unversorgt zurückbleibt und eine Anschlussversorgung gewährleistet ist."
In und um Finsterwalde seien 31 weitere Pflegedienste aktiv, das DRK werde vermitteln und der Pflegestützpunkt Finsterwalde sei zudem für Betroffene eine wichtige, neutrale Unterstützungsstelle, heißt es vom Ministerium. "Sollten trotz aller Hilfen vor Ort keine Lösungen gefunden werden, können sich Betroffene jederzeit an ihre Pflegekasse und an das MSGIV wenden, um im Einzelfall Lösungen zu ermöglichen."