Grabschmuck für junge Menschen
Bei Ausgrabungen an der Bahnstrecke Cottbus-Lübbenau ist ein kompletter Friedhof gefunden worden. Das Besondere: zahlreiche Kindergräber waren dabei, mit einigen augenscheinlich gut erhaltene Totenkronen: ein Grabschmuck für Kinder und Ledige. Von A. Anders-Lepsch und F. Ludwig
Der Fund wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Ein Erdklumpen wird von den Archäologen vorsichtig in Mullbinden verpackt, dann aus der Grabungsstelle gehoben, um ihn abzutransportieren. Viel spannender, als der Brocken von außen aussieht, ist das, was sich darin befindet. Es soll sich um eine verhältnismäßig gut erhaltene Totenkrone handeln - samt dazugehörigem Schädel.
Dass zumindest Fragmente solcher Totenkronen gefunden werden, ist bei den aktuellen Arbeiten keine Seltenheit. Auf dem Friedhof, der bei den Ausgrabungen entlang der Bahnstrecke Cottbus-Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz) im Juli entdeckt worden war, waren offenbar zahlreiche Kinder bestattet worden, sagt Franka Höppner, Grabungsleiterin.
Und Totenkronen wurden vor allem verstorbenen Kindern und jungen unverheirateten Erwachsenen aufgesetzt.
Mit bis zu 15 mehr oder weniger gut erhaltenen Kronen rechnen die Forscher. "Totenkronen gehören zur Totenhochzeit, das heißt ledigen Verstorbenen wird bei der Beerdigung noch eine Hochzeit ausgerichtet", erklärt Christina Kliem, Kuratorin im Wendischen Museum in Cottbus. Bei diesem alten christlichen Brauch wurden die Verstorbenen symbolisch mit Gott im Himmel verheiratet [deutschlandfunkkultur.de]. Dazu wurden ihnen auch die Totenkronen aufgesetzt - meist aber wieder abgenommen, um in der Kirche als Erinnerung ausgestellt zu werden. Dass sie in Lübbenau in den Gräbern verblieben, ist eine Besonderheit.
Die Beschaffenheit der Totenkronen führt aber dazu, dass sie meist nicht besonders gut erhalten sind. Die Kronen wurden meist aus Haaren und Draht geflochten und mit Bändern, Blüten oder Perlen verziert. Grünliche Verfärbungen an anderen Fundschädeln in Lübbenau weisen aber darauf hin, dass hier auch Metalle, beispielsweise Kupfer für die Kronen verwendet wurden. Das wäre eine weitere Besonderheit.
Der Brauch der Totenkrone wurde einst in ganz Deutschland zelebriert - im sorbischen/wendischen Siedlungsgebiet allerdings besonders. Denn zur Hochzeit gehörte hier auch die sorbische/wendische Hochzeitstracht, mit all ihren Verzierungen und dem Kopfschmuck, der typischen Haube. Daran angelehnt waren auch die Totenkronen, wie Kliem erklärt.
Auch wenn die Totenkrone im Lübbenauer Erdbrocken verhältnismäßig gut erhalten sein könnte, wird sie dennoch wohl nicht in einem Museum landen, wie Grabungsleiterin Franke Höppner sagt. Dafür sei der Erhaltungszustand zu desolat. Gleiches gelte für die weiteren 14 erwarteten Exemplare.
Der geborgene Kinderschädel wird deshalb ins Labor gebracht, geröntgt, dort vorsichtig von der Erde befreit und dann untersucht. Die Forscher erhoffen sich davon Erkenntnisse über die verwendeten Materialien und können ihren Fund dann mit anderen aus ganz Deutschland vergleichen.
353 Gräber haben die Forscher in Lübbenau schon identifiziert. Die erste Bestattung habe 1767 stattgefunden. Bis alle Funde aus den aktuellen Grabungen ausgewertet sind, wird es laut den Archäologen aber noch etwa ein Jahr dauern. Dann steht vielleicht auch fest, woraus die zuletzt geborgene Totenkrone genau bestand.
Sendung: Brandenburg aktuell, 04.08.2023, 19:42 Uhr
Beitrag von Aline Anders-Lepsch und Florian Ludwig
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