Diskussion über Überschwemmungsgebiete
Anfang des Jahres hat das Land Brandenburg neue Überschwemmungsgebiete für die mittlere Spree festgelegt. In Lübben wird seitdem diskutiert - viele Häuser stehen auf den betroffenen Flächen. Neubauten sind praktisch unmöglich. Von Daniel Friedrich
Nancy lebt mitten im Überschwemmungsgebiet. Die Lübbenerin (Dahme-Spreewald), die ihren Nachnamen nicht verraten will, hat kein Haus in einer Aue außerhalb der Stadt, sie lebt mitten in Lübben. Und im Überschwemmungsgebiet steht ihr Haus nicht schon immer - sondern erst seit dem Jahresanfang.
Das Land Brandenburg hat zum Jahresanfang neue Überschwemmungsgebiete für die mittlere Spree, das betrifft auch den Spreewald, festgelegt. Vor der Festlegung der Gebiete gab es bereits Diskussionen und auch in Lübben einen Bürgerdialog. 89 Einwendungen zählte das Umweltministerium. Diese wurden schriftlich beantwortet und sollen in die Festlegung der Überflutungsflächen eingeflossen sein. Doch in Lübben wird dennoch weiter über die Festlegungen diskutiert. Auch in Lübbenau und Lehde (Oberspreewald-Lausitz) oder bei Spremberg (Spree-Neiße) sind Grundstücke betroffen. In Lübben sind es aber besonders viele.
In den festgelegten Gebieten muss dafür gesorgt werden, dass das Wasser, wenn es über die Spreeufer getreten ist, nicht daran gehindert wird, wenn es zurück ins Flussbett will. Außerdem darf das Wasser dabei keine Giftstoffe mit sich führen. Das Schadenspotential soll außerdem nicht vergrößert werden, weshalb Neubauten auf den Flächen grundsätzlich verboten sind.
"Es ging um Überlegungen sich dort zu erweitern oder zu wechseln", erzählt Nancy über ihr Grundstück in Lübben. "Je nachdem, wie das Überschwemmungsgebiet ausfällt, beeinflusst das die Entscheidung natürlich massiv", sagt sie.
Die Grundstücke und Häuser, die seit Jahresbeginn in den neu festgelegten Bereichen liegen, hätten massiv an Wert verloren, sagt Nancy. Neubauten auf den Flächen dürfen nur nach ausgiebiger Prüfung der Unteren Wasserbehörde genehmigt werden - sie sind praktisch tabu, weil Ausnahmen im Bundesrecht geregelt und sehr selten sind. Zudem sind die Beiträge für Versicherungen deutlich gestiegen.
"Wenn man sagt, du kannst ein Grundstück kaufen, kannst da bauen, das ist aber Überschwemmungsgebiet und dann komplett deine Verantwortung - das sollte ein Mensch für sich entscheiden", sagt Nancy. Sie hatte die Chance nicht, ihr Grundstück war zuvor nicht Teil der Überschwemmungsflächen. Nun fühlt sie sich bevormundet.
Auch für die Stadt selbst hat die Festlegung der neuen Flächen Folgen. So kann ein neues Besucherzentrum beispielsweise nicht dort entstehen, wo es geplant war. "Wir reden ja nicht nur vom Wohnungsbau, ein Sportplatz oder eine Kita, auch diese Flächen sind dann raus", sagt Bürgermeister Jens Richter (CDU). Für die Entwicklung der Stadt müsse man nun noch mehr prüfen, wo etwas Neues entstehen könne. Die Überschwemmungsgebiete schränken die Planungen deutlich ein, so Richter.
Die Stadt könne die Regelungen nicht einfach umgehen, so Richter, man sei daran gebunden. Auch wenn in Lübben Wohnungen gebraucht würden.
Es ist nicht davon auszugehen, dass die nun festgelegten Flächen jedes Jahr überflutet werden. Die Gebiete sind für sogenannte hunderjährliche Hochwasser ausgewiesen worden - ein Extremereignis. Auch schon zu DDR-Zeiten wurden für einen solchen Fall Überflutungsflächen festgelegt, nun sind es allerdings deutlich mehr.
Das liege an den Erfahrungen vergangener Hochwasser und an modernen Analysemethoden, erklärt Wolfgang Müller vom Ministerium. "Wir haben ein digitales Geländemodell, wir haben Rechnermodelle, in denen der Abfluss modelliert werden kann und dann kann eben bei einer neuen und modernen Berechnung herauskommen, dass das Gebiet dann größer ist, als vorher", so Müller. Auch er gibt zu, dass die Belastung in Lübben besonders groß sei, viele "urbane Bereiche" seien hier betroffen.
Müller sagt, dass Häuser, die jetzt in den neu bestimmten Flächen liegen, einen Bestandsschutz haben. Allerdings müssen die Bewohner, so wie Nancy, Auflagen erfüllen. Eine Ölheizung etwa müsse hochwassersicher gemacht werden - auf Kosten der Eigentümer.
Wann das nächste Jahrhundert-Hochwasser kommt und wo die Spree dann genau über die Ufer tritt kann niemand zu 100 Prozent vorhersagen. Das ist auch der Hauptgrund für Nancys Kritik, die Gebiete würden nur auf Annahmen beruhen. Aktuell stehen sich in Lübben nach wie vor zwei Seiten gegenüber: Hochwasserschutz gegen Werterhalt der bebauten Grundstücke.
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.10.2023, 14:10 Uhr
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