Kommentar | Image-Kampagne - Die Lausitz - gar nicht so grau, vielleicht sogar krass

Sa 14.01.23 | 16:11 Uhr
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Ein Imagefilm der Kampagne "Die Lausitz. Krasse Gegend" wird am 13.01.2023 bei deren Auftaktveranstaltung aufgeführt. (Quelle: dpa/Frank Hammerschmidt)
Audio: Antenne Brandenburg | 14.01.2023 | Dirk Schneider | Bild: dpa/Frank Hammerschmidt

Was die Lausitz in der nächsten Zeit braucht, ist der Zuzug von Menschen, die sich nicht vom Ruf der Region abhalten lassen. Der sei nämlich nicht immer gerechtfertigt, meint Sebastian Schiller. Er ist gespannt, was die neue Image-Kampagne dafür tun kann.

Es ist bislang von den geplanten Großprojekten im Zuge des Strukturwandels das erste wirklich sichtbare. Genau genommen kann man die riesigen Betonbögen der künftigen Halle gar nicht übersehen. Für eine Stadt wie Cottbus ist das eine Entwicklung, die man als krass bezeichnen kann. "Die Lausitz. Krasse Gegend." heißt die neue Kampagne, für die am Freitag im Cottbuser Bahnwerk offiziell der Startschuss gegeben worden ist.

Passender hätte der Ort kaum sein können. Wie auch die Lausitz über lange Zeit in der Bedeutungslosigkeit vor sich hindümpelte, stand ebenso das Werk mehrmals vor dem Aus, ist aber immer wieder zurückgekommen. Zuletzt mit der Ankündigung der Deutschen Bahn, hier das modernste ICE-Instandhaltungswerk zu errichten. Ab dem kommenden Jahr sollen Züge der vierten Generation hier gewartet werden, entsprechend weit sind die Bauarbeiten.

Lausitz - nicht so schlimm wie ihr Ruf

Zwar hat sich über die letzten Jahre der Beiname "Lausitzmetropole" eingebürgert – vielen Menschen ist die zweitgrößte Stadt Brandenburgs aber dann doch eher wegen anderer Merkmale und Schlagzeilen ein Begriff. Plattenbau-City, höre ich in Berlin von Freunden. Hochburg von Rechtsextremen und Populisten, ist in bundesweit erscheinenden Medien zu lesen.

Die Stadt, deren Infrastruktur aufgrund des unerwartet hohen Zustroms von Menschen vor dem Kollaps steht. Dicke Bretter die, da zu bohren sind. Wer möchte schon gern in so einer Stadt leben? Dass die Realität bei weitem nicht so grau ist, wie die Schlagzeilen vermuten lassen, sollte klar sein. Abschreckend wirken sie trotzdem.

Zugverbindungen nach Berlin sind noch immer schlecht

Was also sollte junge Menschen und ausgebildete Fachkräfte dazu bewegen, alles stehen und liegen zu lassen und in der Lausitzmetropole Cottbus oder gar im dünner besiedelten Land zwischen Elbe und Neiße neu anzufangen? Die gute Zugverbindung in die tatsächlichen Metropolen Berlin und Dresden kann es schonmal nicht sein. An manchen Tagen wäre man mit dem Lastenfahrrad schneller aus Berlin in der Lausitz als mit der Bahn. Und die Funklöcher sind im ländlichen Gebiet teilweise noch immer größer als die Tagebaurestlöcher.

Die Region will und muss vor allem mit ihren Möglichkeiten punkten. Nirgendwo sonst steht in Deutschland derzeit so viel Geld zur Verfügung, um Projekte umzusetzen. Die Jobs liegen bereits jetzt auf der Straße, wer willig ist muss nur zupacken. Und auch die ewige Geschichte, dass im strukturschwachen Osten nur Hungerlöhne gezahlt werden, ist schon lange auserzählt. Ganz im Gegenteil, die Unternehmen müssen sich schon heute etwas einfallen lassen, um aus dem schrumpfenden Pool der zur Verfügung stehen Fachkräfte Mitarbeiter zu fischen. Und wir stehen erst am Anfang des Strukturwandels.

Kampagne noch ohne Internet-Auftritt

Wie krass ist die Lausitz also? Ziemlich finden die Macher der neuen Kampagne. Herzstück wird eine Tour durch das Südbrandenburger Revier sein, bei der den Menschen nähergebracht werden soll, was alles schon jetzt passiert, lange bevor spätestens 2038 Schluss sein wird mit der Kohleverstromung.

Geplant sind auch Anzeigenkampagnen und Aktionen mit reichweitenstarken Influencern. Da macht es schon stutzig, dass die zur Kampagne dazugehörige Internetseite zwar bereits existiert – aber noch immer darauf verwiesen wird, dass "noch nichts da" sei. Aber bald. Lachender Smilie.

"Was geht ab, Mit-Kinder?"

Das wirkt dann doch eher "cringe", wie Tagesschau-Sprecherin Susanne Daubner sagen würde. Ich zweifle nicht daran, dass die Kampagne für Gesprächsstoff sorgen wird, genau das ist ja auch das Ziel einer Imagekampagne. Genauso "cringe" finde ich es aber, wenn Menschen, die offensichtlich wesentlich älter sind als ich, das Wort "krass" fast schon inflationär benutzen, um die Lausitz, ihre Entwicklung und die vorhandenen Möglichkeiten zu beschreiben.

Unweigerlich erscheint vor meinem geistigen Auge das Bild von Steve Buscemi aus der amerikanischen Serie "30 Rock". Der zu diesem Zeitpunkt bereits weit über 50-jährige Buscemi versucht dabei als Privatdetektiv eine Gruppe junger Menschen zu infiltrieren, mit umgedrehtem Basecap, Kapuzenhoodie und einem Skateboard auf dem Rücken. Darunter steht sinngemäß: "Was geht ab, Mit-Kinder?"

Zuzug von anderswo notwendig

Zehntausende Jobs werden nach jetzigem Stand in den nächsten Jahren in der Lausitz entstehen. Mehr, als durch die Abkehr von der Kohle im selben Zeitraum verloren gehen. Nur mit Einheimischen wird das nicht zu stemmen sein, schon jetzt klagt weit mehr als die Hälfte der Unternehmen laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer darüber, dass Stellen nicht mehr besetzt werden können.

Es braucht also den Zuzug von außen, auch aus dem Ausland. Dafür braucht die Region ein neues Image – aber auch das Zutun der Menschen, die bereits hier leben. Denn von der Hand zu weisen sind die oben angesprochenen Schlagzeilen natürlich nicht.

Kampagne längst überfällig

Dass mit Unterstützung der Landesregierung und einem finanziellen Volumen von fast zwei Millionen Euro nun endlich daran gearbeitet wird, ist ein überfälliger Schritt, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Strukturstärkungsgesetzes, der Grundlage für den Strukturwandel in der Region. Andere Kampagnen, "Boomtown" beispielsweise, mit der die Stadt Cottbus für sich Werbung macht, sind da schon wesentlich länger am Start.

Ich bin gespannt, wie krass die Lausitz wirklich sein kann und was im Rahmen dieser und weiterer Kampagnen noch auf uns zukommt. Und ob wir die Wirkung von Imagekampagnen wie dieser nicht grundsätzlich überschätzen. Denn das wäre wirklich krass.

Sendung: Antenne Brandenburg, 14.01.2023, 06:00 Uhr

12 Kommentare

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  1. 11.

    Und von wem wurden diese ganzen Vorurteile geschaffen, gerade vom öffentlichen Rundfunk den auch Lausitzer bezahlen.
    Vor allem schade finde ich dass der RBB, als angeblicher regionalsender, da keine Ausnahme macht und weiter fleißig alle Vorurteile bedient.

  2. 10.

    Sie haben ja merkwürdigen Umgang. Aber das ist ja Ihre persönliche Entscheidung. Die Cottbuser, die ich kenne, sind offen gegenüber anderen Menschen, sehr sympathisch und optimistisch. Wenn Sie damit nichts anfangen können, bleiben Sie bitte im Speckgürtel. Alle anderen sind hier sehr willkommen. Cottbus Glück auf!

  3. 9.

    Bei entsprechender Schulbildung weiß man das die Lausitz noch mehr zu bieten hat ,als das was Sie in ihrem Kommentar geschrieben haben. Ihr Kommentar ist eigentlich nur Hass und Hetze gegen gegenüber Menschen der Region und somit sind Sie kein Deut besser als die Menschen gegen die Sie hier schwadronieren. Nur mal zu letzter Woche die Verdächtigen in Castrop-Rauxel, der Täter in Kassel oder der Täter in Ibbenbürgen ,wer waren die Täter? Lassen Sie uns hier in der Lausitz machen und kümmern Sie sich um ihren Speckgürtel .

  4. 8.

    Hallo Sascha, das Carl-Thiem-Klinikum sucht 50 IT-ler auf seinem Weg zum Uniklinikum. Das stelle ich mir als eine richtig tolle Herausforderung vor. Und die Chancen, einen dieser Jobs zu bekommen, sind sicher gut.

  5. 7.

    Cottbus ist eine tolle Stadt, in der Menschen aus aller Welt hinziehen und friedlich miteinander leben. Ich habe jahrelang an der Uni studiert und gearbeitet, so viele Nähe gibt es an der Berliner Unis nicht. Und es gibt Freiraume für Ideen und eigene Entwicklungen, die es in Berlin kaum noch gibt. Sobald ich dort einen Job in der IT-Branche finde, ziehe ich wieder in die Lausitz.

  6. 6.

    Cottbus hat der große Glück (durch die jetzt fließenden Mittel) und auch in allen Bereichen extrem kluge und fähige Menschen, die über Jahrzehnte hinweg viel Beeindruckendes mit fast Nichts in Cottbus, als Bergarbeiterstadt, erschaffen haben. Die Stadt und die Region ist schön und lebenswert.

    Was jedoch nicht stimmen wird, dass durch den Wegfall der Arbeitsplätze in der Kohle mehr Arbeitsplätze geschaffen werden.

    Das glatte Gegenteil ist in der Gesamtschau der Fall. Cottbus selbst wird durch das hochmoderne Bahnreparaturwerk, die neuen Verwaltungsstrukturen und durch den weiteren Ausbau der Universitätsstudiengänge in einem gewissen Umfang mit neuen Arbeitsplätzen profitieren. Alle weiteren Städte der Region, die durch den Wegfall der Kohlearbeitsplätze auch betroffen sind, profitieren davon natürlich nicht. Auch ist langfristig nicht zu erwarten, dass die Zahlen der Berufspendler in Richtung Berlin sich verringern und nach Cottbus als Arbeitsplätze umgeleitet werden können.

  7. 5.

    Mal davon abgesehen, dass echte Fachkräfte auf der ganzen Welt mit Kusshand genommen werden. Warum also gerade in eine strukturschwache Region mit schlechten Löhnen ziehen?

  8. 4.

    "Zuletzt mit der Ankündigung der Deutschen Bahn, hier das modernste ICE-Instandhaltungswerk zu errichten. Ab dem kommenden Jahr sollen Züge der vierten Generation hier gewartet werden, entsprechend weit sind die Bauarbeiten."

    Wie lange besteht eigentlich schon die Ankündigung der Deutschen Bahn, dass 1946 nach dem 2.Weltkrieg als Reparationsleistung demontierte 2.Gleis zwischen Lübbenenau und Cottbus wieder aufzubauen?

    Die ICE`s werden auch noch nach der Fertigstellung des "modernsten Werks" über die eingleisige Strecke aus Richtung Berlin heranrumpeln und dieses Nadelöhr zusätzlich verstopfen.

  9. 3.

    Krasse Gründe für die Lausitz und was man alles mitbringen sollte: gut getarnter Alltagsrassismus, eine gewisse Abneigung gegen neue Menschen, konservative Grundeinstellung, Befürwortung von Kohleabbau, braun denken und blau wählen! DAS ist die Lausitz in Echt!
    Wie war jetzt die Frage? Warum da niemand mehr hin will???

  10. 2.

    Jede Region hat ihre Perlen. Man muss nur mal die Frustklappen, äh Scheuklappen, abnehmen und sich umsehen. Sicher gibt es auch Stellen, die man vll. nicht so gern sehen will. Der Eine sagt das ist "runtergeranzt", eine Andere sieht vll. Entwicklungspotential. Technologie als Nachrücker für Bergbau, sanfte touristische Erschließung - hier auch mit Anknüpfung an angrenzende Regionen, Ausbau der digitalen Infrastruktur, Modernisierung vorhandener Verkehrswege - warum eigentlich nicht?

  11. 1.

    Der Kommentar reiht sich passend in die Kampagne ein...
    Was man bzgl. dem "Ruf der Lausitz" auf Äußerungen von "Berlinern" geben kann lasse ich mal dahingestellt... (lach)
    Und was gibt es sich bei den Zugverbindungen (mit WLAN) zu beschweren?
    Zudem findet man in diesen - im Gegensatz zu Berliner S-Bahnen - wenigstens einen Sitzplatz.
    Und wenn man nicht gerade unterwegs das "neuste MMO gamen" will...
    Programmieren und CAD-Arbeiten, Text-Arbeiten etc. gehen auch so.
    ...oberflächlich

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