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Audio: Antenne Brandenburg | 14.01.2023 | Dirk Schneider | Quelle: dpa/Frank Hammerschmidt

Kommentar | Image-Kampagne

Die Lausitz - gar nicht so grau, vielleicht sogar krass

Was die Lausitz in der nächsten Zeit braucht, ist der Zuzug von Menschen, die sich nicht vom Ruf der Region abhalten lassen. Der sei nämlich nicht immer gerechtfertigt, meint Sebastian Schiller. Er ist gespannt, was die neue Image-Kampagne dafür tun kann.

Es ist bislang von den geplanten Großprojekten im Zuge des Strukturwandels das erste wirklich sichtbare. Genau genommen kann man die riesigen Betonbögen der künftigen Halle gar nicht übersehen. Für eine Stadt wie Cottbus ist das eine Entwicklung, die man als krass bezeichnen kann. "Die Lausitz. Krasse Gegend." heißt die neue Kampagne, für die am Freitag im Cottbuser Bahnwerk offiziell der Startschuss gegeben worden ist.

Passender hätte der Ort kaum sein können. Wie auch die Lausitz über lange Zeit in der Bedeutungslosigkeit vor sich hindümpelte, stand ebenso das Werk mehrmals vor dem Aus, ist aber immer wieder zurückgekommen. Zuletzt mit der Ankündigung der Deutschen Bahn, hier das modernste ICE-Instandhaltungswerk zu errichten. Ab dem kommenden Jahr sollen Züge der vierten Generation hier gewartet werden, entsprechend weit sind die Bauarbeiten.

Interview | Soziologe über Lausitz

"Ich erwarte keinen Strukturbruch, weil die Struktur bereits gebrochen wurde"

Inflation, Energiekrise, Ankunft vieler Flüchlinge - auch im neuen Jahr dürften diese Themen akut bleiben. Wie wirkt sich das in der Lausitz aus, wo auch noch der Kohleausstieg ansteht? Der Soziologe Raj Kollmorgen erwartet wenig Erschütterungen - im Gegenteil.

Lausitz - nicht so schlimm wie ihr Ruf

Zwar hat sich über die letzten Jahre der Beiname "Lausitzmetropole" eingebürgert – vielen Menschen ist die zweitgrößte Stadt Brandenburgs aber dann doch eher wegen anderer Merkmale und Schlagzeilen ein Begriff. Plattenbau-City, höre ich in Berlin von Freunden. Hochburg von Rechtsextremen und Populisten, ist in bundesweit erscheinenden Medien zu lesen.

Die Stadt, deren Infrastruktur aufgrund des unerwartet hohen Zustroms von Menschen vor dem Kollaps steht. Dicke Bretter die, da zu bohren sind. Wer möchte schon gern in so einer Stadt leben? Dass die Realität bei weitem nicht so grau ist, wie die Schlagzeilen vermuten lassen, sollte klar sein. Abschreckend wirken sie trotzdem.

Zugverbindungen nach Berlin sind noch immer schlecht

Was also sollte junge Menschen und ausgebildete Fachkräfte dazu bewegen, alles stehen und liegen zu lassen und in der Lausitzmetropole Cottbus oder gar im dünner besiedelten Land zwischen Elbe und Neiße neu anzufangen? Die gute Zugverbindung in die tatsächlichen Metropolen Berlin und Dresden kann es schonmal nicht sein. An manchen Tagen wäre man mit dem Lastenfahrrad schneller aus Berlin in der Lausitz als mit der Bahn. Und die Funklöcher sind im ländlichen Gebiet teilweise noch immer größer als die Tagebaurestlöcher.

Die Region will und muss vor allem mit ihren Möglichkeiten punkten. Nirgendwo sonst steht in Deutschland derzeit so viel Geld zur Verfügung, um Projekte umzusetzen. Die Jobs liegen bereits jetzt auf der Straße, wer willig ist muss nur zupacken. Und auch die ewige Geschichte, dass im strukturschwachen Osten nur Hungerlöhne gezahlt werden, ist schon lange auserzählt. Ganz im Gegenteil, die Unternehmen müssen sich schon heute etwas einfallen lassen, um aus dem schrumpfenden Pool der zur Verfügung stehen Fachkräfte Mitarbeiter zu fischen. Und wir stehen erst am Anfang des Strukturwandels.

Strukturwandel

Imagekampagne soll Fachkräfte in "krasse Gegend" Lausitz ziehen

Die Lausitz braucht im Strukturwandel dringend Fachkräfte. Eine neue Imagekampagne der Landesregierung soll die in den Süden Brandenburgs locken. Die Lausitz, heißt es dort, sei eine "krasse Gegend".

Kampagne noch ohne Internet-Auftritt

Wie krass ist die Lausitz also? Ziemlich finden die Macher der neuen Kampagne. Herzstück wird eine Tour durch das Südbrandenburger Revier sein, bei der den Menschen nähergebracht werden soll, was alles schon jetzt passiert, lange bevor spätestens 2038 Schluss sein wird mit der Kohleverstromung.

Geplant sind auch Anzeigenkampagnen und Aktionen mit reichweitenstarken Influencern. Da macht es schon stutzig, dass die zur Kampagne dazugehörige Internetseite zwar bereits existiert – aber noch immer darauf verwiesen wird, dass "noch nichts da" sei. Aber bald. Lachender Smilie.

"Was geht ab, Mit-Kinder?"

Das wirkt dann doch eher "cringe", wie Tagesschau-Sprecherin Susanne Daubner sagen würde. Ich zweifle nicht daran, dass die Kampagne für Gesprächsstoff sorgen wird, genau das ist ja auch das Ziel einer Imagekampagne. Genauso "cringe" finde ich es aber, wenn Menschen, die offensichtlich wesentlich älter sind als ich, das Wort "krass" fast schon inflationär benutzen, um die Lausitz, ihre Entwicklung und die vorhandenen Möglichkeiten zu beschreiben.

Unweigerlich erscheint vor meinem geistigen Auge das Bild von Steve Buscemi aus der amerikanischen Serie "30 Rock". Der zu diesem Zeitpunkt bereits weit über 50-jährige Buscemi versucht dabei als Privatdetektiv eine Gruppe junger Menschen zu infiltrieren, mit umgedrehtem Basecap, Kapuzenhoodie und einem Skateboard auf dem Rücken. Darunter steht sinngemäß: "Was geht ab, Mit-Kinder?"

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Zuzug von anderswo notwendig

Zehntausende Jobs werden nach jetzigem Stand in den nächsten Jahren in der Lausitz entstehen. Mehr, als durch die Abkehr von der Kohle im selben Zeitraum verloren gehen. Nur mit Einheimischen wird das nicht zu stemmen sein, schon jetzt klagt weit mehr als die Hälfte der Unternehmen laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer darüber, dass Stellen nicht mehr besetzt werden können.

Es braucht also den Zuzug von außen, auch aus dem Ausland. Dafür braucht die Region ein neues Image – aber auch das Zutun der Menschen, die bereits hier leben. Denn von der Hand zu weisen sind die oben angesprochenen Schlagzeilen natürlich nicht.

Kampagne längst überfällig

Dass mit Unterstützung der Landesregierung und einem finanziellen Volumen von fast zwei Millionen Euro nun endlich daran gearbeitet wird, ist ein überfälliger Schritt, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Strukturstärkungsgesetzes, der Grundlage für den Strukturwandel in der Region. Andere Kampagnen, "Boomtown" beispielsweise, mit der die Stadt Cottbus für sich Werbung macht, sind da schon wesentlich länger am Start.

Ich bin gespannt, wie krass die Lausitz wirklich sein kann und was im Rahmen dieser und weiterer Kampagnen noch auf uns zukommt. Und ob wir die Wirkung von Imagekampagnen wie dieser nicht grundsätzlich überschätzen. Denn das wäre wirklich krass.

Sendung: Antenne Brandenburg, 14.01.2023, 06:00 Uhr

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