Kommentar | Vorfälle an Südbrandenburger Schule
An einer Schule in Spree-Neiße sollen rechtsextreme Vorfälle zum Alltag gehören. Lehrer haben anonym in einem Brief um Hilfe gerufen. Aber ist die Überraschung über die Zustände wirklich angebracht? Nicht wirklich, findet Sebastian Schiller.
Wenn man in Südbrandenburg aufwächst und ein bisschen darauf achtet, ist Rechtsextremismus kein Randphänomen. Das betrifft nicht nur den Süden des Landes Brandenburg, sondern auch andere Teile Deutschlands. Aber hier ist es selbst im Alltag deutlich spürbar.
Ein paar der bekanntesten Versandhändler für rechtsextremen Lifestyle haben hier ihren Sitz. Rechtsextreme betreiben neben Klamottenläden auch Restaurants oder Reinigungsunternehmen und hatten eine Zeit lang ihre Leute an so gut wie allen Cottbuser Club-Türen.
Ein rechtsextremer Verein hat hier über Jahre zu Demonstrationen aufgerufen, die so auch zum beliebten Treffpunkt der Szene geworden sind. Bei Konzerten einschlägig bekannter Bands oder Kampfsportevents mit Neonazis in der ganzen Republik sind unter den Hauptsponsoren oft Kleidungslabel aus der Region zu finden. Wer hinguckt, sieht das.
Deswegen müsste es genau genommen auch wenig überraschend sein, was da jetzt über eine Schule im Spree-Neiße-Kreis ans Tageslicht gekommen ist; dass Schüler offen den Hitlergruß zeigen oder Hakenkreuze in Schultische ritzen.
Bedenkenswert ist eher die Hilflosigkeit der Lehrer, die anscheinend so groß war, dass es jetzt zu diesem Aufschrei kam. Aber mal ganz ehrlich, wenn sich junge Männer, vielleicht gerade mitten in der Pubertät und vollgepumpt mit Selbstvertrauen, vor einer möglicherweise überforderten Lehrkraft aufbauen und einschüchtern ... wie würden Sie in so einer Situation reagieren? Schließlich sieht man sich doch trotzdem fast jeden Tag in der Schule. Und irgendwie muss das mit dem Unterricht ja auch weitergehen.
Auch an meiner Schule gab es früher Mitschüler, die im Hitlergruß kein Problem gesehen haben. 'Ist doch lustig, was die sich da trauen, oder?' Natürlich nicht! Aber wir haben das hingenommen und vielleicht maximal den Kopf geschüttelt. Das Bildungsministerium will jetzt eine Handreichung auf den Weg bringen, in der erklärt wird, was strafbar ist und was nicht.
Aber mal ganz ehrlich: Dass gerade in Schulen niemand weiß, ob das jetzt schon strafbar ist oder doch nur ein etwas entgleister Ausdruck freier Meinungsäußerung, das kann mir doch wirklich keiner erzählen. Es riecht nach Aktionismus, obwohl das Problem noch viel tiefer liegt.
Wenn Schüler rassistisch beleidigt werden, wenn Lehrer Angst haben müssen, Dinge anzusprechen oder wie im Fall der Schule im Spree-Neiße-Kreis abends allein vom Schulgebäude zu ihrem Auto zu gehen, dann helfen auch keine Aufklärungsbroschüren. Und allein können die Schule und das Lehrerkollegium das Problem sowieso nicht lösen.
Das schafft nur die Gesellschaft als Ganzes. Aber wenn man in Südbrandenburg aufwächst, beschleicht einen manchmal ganz leise die Frage, ob es überhaupt genug Menschen gibt, die bereit sind, sich aktiv dafür einzusetzen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.04.2023, 08:10 Uhr
Beitrag von Sebastian Schiller
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