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Quelle: dpa/O.Killig

Anerkennung als Indigene?

Was hinter der Klagedrohung des Sorbenparlaments gegen die Bundesregierung steckt

Das sorbische Parlament droht damit, die Bundesregierung zu verklagen. Es geht um eine Anerkennung der Volksgruppe als Indigene. Wer ist das sorbische Parlament? Und spricht es wirklich für "die Sorben"? Von Florian Ludwig

Der "serbski sejm", das sorbische Parlament, droht mit einer Klage gegen die Bundesregierung. Das erklärten Vertreter des Parlaments gemeinsam mit einer Londoner Anwaltskanzlei bei einer Pressekonferenz in Berlin am Montag.

Hintergrund ist eine Forderung des "serbski sejm", die Volksgruppe der Sorben als Indigene anzuerkennen. Es bezieht sich dabei auf die ILO-Konvention 169, eine internationale Vereinbarung, die indigenen und in Stämmen lebenden Völkern mehr Mitbestimmung sichern soll.

Die Bundesregierung hatte diese Konvention 2021 ratifiziert. Seitdem fordert der "serbski sejm", dass auch die Volksgruppe der Sorben als Indigene anerkannt wird. Das sorbische Parlament verspricht sich davon mehr Rechte, etwa mehr Kontrolle über eigene Institutionen oder mehr Autonomie bei der Gestaltung des Sorbischunterrichts.

Abgelaufenes Ultimatum

"Sorbisches Parlament" will Brandenburg, Sachsen und Bundesregierung verklagen

Das sorbische Parlament hatte der Bundesregierung zuletzt sogar ein Ultimatum gesetzt. Bis zum 23. Juni hätte die Regierung demnach Zeit gehabt, die Sorben als Indigene anzuerkennen. Ohne Reaktion der Regierung lief das Ultimatum ab.

Vor dem Europäischen Gerichtshof will sich der "serbski sejm" nun die Bestätigung dafür holen, dass die Bundesregierung die Sorben und Wenden zu Unrecht nicht als Indigene anerkennt. Helfen soll eine auf Völkerrechtsfragen spezialisierte Anwaltskanzlei aus London. Wie die Chancen bei einer Klage stünden werde nun ausgearbeitet.

Wer spricht für die Sorben?

Ob sich die ILO-Konvention wirklich auf die Volksgruppe der Sorben und Wenden übertragen lässt, ist wohl eine juristische Auslegungssache. Allerdings gibt es in dem Abkommen eine Formulierung zum Geltungsbereich. So heißt es darin, "Das Gefühl der Eingeborenen- oder Stammeszugehörigkeit ist als ein grundlegendes Kriterium für die Bestimmung der Gruppen anzusehen, auf die die Bestimmungen dieses Übereinkommens Anwendung finden". Das heißt, die Sorben müssten sich selbst als Eingeborene, als Indigene sehen, damit die Konvention überhaupt gilt. Und das ist fraglich.

Der "serbski sejm" versteht sich nach eigenen Angaben als Volksvertretung der Sorben und Wenden. Er war 2018 in "allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen" gewählt worden, heißt es vom sorbischen Parlament. 24 ehrenamtliche Abgeordnete sind Teil des sejm, der "regelmäßig an wechselnden Orten in der Lausitz" tagt.

Das Problem: der "serbski sejm" wird bislang nicht von offiziellen Institutionen als echte Interessenvertretung anerkannt. Als gemeinsame Stimme der Sorben und Wenden, wie er sich selbst sieht, gilt es deshalb längst nicht.

serbski parlament

Sorbisches/wendisches Parlament

Nach mehrjährigem Anlauf war es am Sonnabend, dem 17. November 2018, in Schleife so weit: das sorbische Volk hat sich ein eigenes Parlament gegeben, den Serbski Sejm.

Kompliziertes Wahlverfahren, geringe Beteiligung

Ob die Wahlen wirklich "allgemein" und "unmittelbar" waren, ist zumindest auch fraglich. Bekennende Sorben und Wenden mussten sich 2018 in ein Wählerverzeichnis eintragen lassen. Daraufhin bekamen sie Briefwahlunterlagen zugesendet. Etwa 1.300 Sorben und Wenden hatten sich in das Verzeichnis eintragen lassen, 828 Stimmen waren am Ende gültig. Je zwölf Vertreter der Ober- und der Niedersorben sitzen seitdem ehrenamtlich im "serbski sejm".

Nach offiziellen Zahlen gibt es allerdings bis zu 60.000 Sorben und Wenden, 20.000 in der brandenburgischen und 40.000 in der sächsischen Lausitz. Und auch für welchen Zeitraum das "serbski sejm" gewählt wurde, ist zuvor nicht festgelegt worden.

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Machtkampf innnerhalb der Sorben und Wenden?

Bereits nach der Wahl 2018 gab es Stellungnahmen der Brandenburger und der sächsischen Landesregierungen. Das brandenburgische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur erklärte etwa, dass die Landesregierung Engagement für das demokratische Gemeinwesen grundsätzlich begrüße, dass beim "serbski sejm" allerdings nicht erkennbar sei, wie "dieser in die bestehenden politischen Prozesse und juristischen Rahmenbedingungen des Landes Brandenburg integriert werden kann".

Das Landesparlament werde von allen Brandenburgern gewählt, auch von den sorbischen/wendischen, so das Ministerium. Es gebe keine landesrechtliche Grundlage für eine Zusammenarbeit mit dem "serbski sejm".

Ansprechpartner für die Landesregierung sei dagegen der Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden beim Landtag, der sogenannte Sorbenrat. Die Wahl des Rates ist gesetzlich geregelt, er hat zudem Mitwirkungskompetenzen in der Gesetzgebung. Ähnlich äußert sich die sächsische Landesregierung - auch hier gibt es einen Sorbenrat.

Für die Anerkennung des "serbski sejm" als "Volksvertretung der Sorben" müsste das Sorbengesetz geändert werden - und damit die Verfassung beider Bundesländer.

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Domowina stellt sich gegen Ultimatum und gegen Klage

Neben den Sorbenräten in den Landesparlamenten von Brandenburg und Sachsen gibt es einen weiteren Ansprechpartner, an den sich die Regierungen in Sorbenfragen wenden können: den Dachverband Domowina. Beide Landesregierungen erkennen den Verband als gemeinsame Interessenvertretung an. Rund 200 Gruppen und lokale Vereinigungen, regionale Verbände und überregionale Vereine mit insgesamt rund 7.500 Mitgliedern sind im Domowina-Verband organisiert. Er besteht bereits seit mehr als 100 Jahren.

Der Verband bemüht sich nach dem Vorstoß des "serbski sejm" darum, die Meldungen rund um "die Sorben" wieder einzufangen. Die letzte Mitteilung der Domowina war überschrieben mit "Die Sorben verklagen Deutschland nicht". Laut Verband beteiligt sich die Domowina nicht an der Klage des "serbski sejm" gegen die Bundesregierung.

Schon im März hatte der Verband eine Mitteilung veröffentlicht, in der es hieß, dass Ultimaten die Sorben und Wenden nicht weiterbringen würden. Eine Anerkennung als indigenes Volk würde "uns nicht mit Zauberhand politische Selbstbestimmung und Autonomie" bringen, heißt es darin.

Indirekt wirft die Domowina dem "serbski sejm" vor, mit der Klageandrohung lediglich mediale Aufmerksamkeit erzeugen zu wollen. "Neue und zusätzliche Strukturen wie die Etablierung eines Parlamentes halten wir aus vielen Beweggründen heraus für weder praktikabel noch zielführend. Insbesondere die rechtlichen und politischen Hürden werden in der öffentlichen Diskussion gern verschwiegen oder nicht berücksichtigt", heißt es von der Domowina.

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Unlegitimiertes "Parlament" gegen "Altstalinistische Terrororganisation"

Das "serbski sejm" hatte den Domowina-Verband zuvor mehrfach auch direkt angegriffen. Kritisiert wird etwa, dass die Domowina von Brandenburg und Sachsen auch finanziell unterstützt werde und deshalb nicht als unabhängige Stimme der Sorben und Wenden gelten könne.

Der Konflikt zwischen der legitimierten Domowina und dem selbsternannten Parlament der Sorben war 2021 schon einmal aggressiver geführt worden. Damals waren Mitschnitte aus einer Sitzung des "serbski sejm" öffentlich geworden. Darin wurde die Domowina unter anderem als "altstalinistische Terrororganisation" bezeichnet.

Die jetzige Klageandrohung ist demnach Ausdruck eines mehr oder weniger offen ausgetragenen Machtkampfes, initiiert vom "serbski sejm". Ob die Klage Erfolg hat ist fraglich. Dem "sejm" fehlt wahrscheinlich der Rückhalt aus der sorbischen/wendischen Gemeinschaft - dafür wurde er von zu wenigen Sorben und Wenden gewählt. Hinzu kommt die fehlende aber notwendige Legitimation aus der Politik. Die Klage gegen die Bundesregierung wird damit zum Sturm im Wasserglas.

Sendung: Antenne Brandenburg, 03.07.2023, 14:10 Uhr

Beitrag von Florian Ludwig

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