Erstmalig in Brandenburg
Viele kleine Gemeinden schlossen sich in den 1990ern zu einem Amt zusammen, um leistungsfähiger zu sein und Geld zu sparen. Nun will mit Golßen erstmals eine Brandenburger Gemeinde wieder raus aus dem Amt. Geht das? Von Daniel Friedrich
Auf dem Marktplatz von Golßen (Dahme-Spreewald) hängen die Wappen des Amtes Unterspreewald und der Stadt Golßen noch dicht nebeneinander. Doch die Mehrheit der Stadtverordneten will die Scheidung.
"Weil das Rathaus gefühlt leergezogen ist", sagt Ronny Schulz von der Unabhängigen Bürgerliste (UBL). Diese hatte die Beschlussvorlage eingebracht, unterstützt von der AfD. "Es gibt hier nur noch eins von vier Fachämtern", so Schulz. "Und mit so einer hohen Amtsumlage, die wir jetzt zahlen, kann man sicherlich die Pflichtaufgaben und die eigene Verwaltung bezahlen."
Am 27. Juli stimmten schließlich neun Stadtverordnete für den Austritt, sechs dagegen. Damit wurde auch der Amtsdirektor beauftragt, den Vertrag zwischen Golßen und dem Amt zu kündigen. Alles, was die beiden Parteien verbindet, soll getrennt werden, unter anderem Gebäude und Vermögenswerte. Laut dem Brandenburger Innenministerium wäre es landesweit der erste Fall einer Trennung aus einem Amt.
Seit zehn Jahren gehört Golßen zum Amt Unterspreewald. Die Stadt ist die finanzkräftigste Gemeinde und schultert einen Großteil der Amtsumlage. Deshalb sei der Zusammenschluss damals keine Liebesheirat gewesen, ist bis heute zu hören.
Das fast leere Rathaus ist nur eins der Argumente für eine Trennung, die die UBL dem rbb nennt. Die Golßener könnten bei einer Selbständigkeit außerdem ihren Bürgermeister direkt wählen, was für Bürgernähe und Transparenz sorgen würde, so die UBL. Sie kritisiert auch, dass Projekte, die die Amtsverwaltung in Golßen umsetzen will, verzögert werden würden oder Prioritäten in anderen Gemeinden gesetzt würden.
Trotz aller Argumente argumentiert Bürgermeisterin Daniela Maurer (SPD) gegen den Austritt von Golßen aus dem Amt. "Was uns jetzt nicht gefällt, ist, dass es mit einer Schnelligkeit vorangetrieben wird". Es sei wie ein Blick in die Glaskugel, bei dem man noch nicht wisse, ob es funktioniere, so Maurer.
Würde Golßen selbständig werden, müsste die Stadt eine eigene Verwaltung aufbauen und alle Aufgaben, aber auch die Kosten dafür selbst übernehmen.
Auch die Meinungen der Golßener Einwohner sind verschieden. "Ich befürworte es total", sagt Torsten Birkholz, der seit knapp zwei Jahren in der Stadt wohnt. "Es ist bürgernäher. Wenn jeder für sich ist, kann sich jeder um seinen Bereich kümmern", so Birkholz. "Wenn das Amt zu groß ist, muss man auf zu vielen Hochzeiten tanzen und da gehen meiner Meinung nach Sachen unter."
Ein wenig anders sieht das Romy Fischer. "Ich bin eigentlich momentan zufrieden, wie es ist." Das Argument, dass bei einer Selbstverwaltung mehr Bürgernähe entstehen und über Geld selbst bestimmt werden könnte, könne sie aber nachvollziehen. "Das klingt schon relativ positiv", so Fischer. "Das ist wahrscheinlich auch für die älteren ganz gut, die nicht so mobil sind."
Jens Kolan äußert sich dagegen klar dafür, dass Golßen im Amt Unterspreewald bleibt. "Ich denke, dass man den Kontakt zum Spreewald verliert, wenn man wieder eigenständig [wird]", so der ehemalige UBL-Stadtverordnete. Außerdem wäre Golßen durch seine Lage "dann so verloren in einem geografischen Loch". Die Stadt liegt im südlichen Teil des Kreises Dahme-Spreewald, grenzt an Teltow-Fläming und auch der "Elbe-Elster-Kreis ist unweit", so Kolan.
Den Austritt aus dem Amt Unterspreewald haben die Stadtverordneten zwar beschlossen, doch er ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass alle anderen Kommunen im Amt nichts dagegen haben, sagt Susanne Rieckhof von der Kommunalaufsicht des Landkreises Dahme-Spreewald. "Es müssten die neun anderen Kommunen auch jeweils eine entsprechende Zustimmung erteilen."
Und so hat Amtsdirektor Marco Kehling den Bbeschluss der Stadtverordneten erst einmal beanstandet und an sie zurückverwiesen. Mit den anderen Kommunen im Amt muss nun zunächst gesprochen werden. Doch dass sie der Scheidung von Golßen zustimmen, ist höchst unwahrscheinlich. Denn die anderen Gemeinden hätten wohl finanziell das Nachsehen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.08.2023, 14:10 Uhr
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