Interview | Cottbuserin bei Cheerleading-WM in Orlando
Wenn am Wochenende im US-amerikanischen Orlando die Cheerleading-WM beginnt, wird auch eine Cottbuserin dabei sein. Im Interview erzählt Aylin Hähnel, was sie in der Lausitz gelernt hat, wie sie ihre Chancen sieht und wie sie zur WM kam.
rbb24: Frau Hähnel, Sie befinden sich gerade in Orlando in Florida und werden mit Ihrem Verein bei der Cheerleading-Weltmeisterschaft antreten. Sind Sie gut angekommen?
Aylin Hähnel: Wir haben heute sehr gutes Wetter, wärmer als an den anderen Tagen. Sonst konnte man am Morgen gerade mal so draußen sitzen. Seit einigen Tagen scheint die Sonne, wir hatten nur zwei Regentage. Unter diesen Bedingungen zu trainieren, ist natürlich nicht einfach, aber wir passen uns an. Die Hallen sind klimatisiert. Es ist trotzdem eine Herausforderung für jeden einzelnen, über sein Können hinauszuwachsen und auch mit den Temperaturen klarzukommen.
Wie läuft so eine Cheerleading-Weltmeisterschaft genau ab?
Die WM findet jedes Jahr statt. Einerseits gibt es den ICU-Verband, da treten die Nationalteams an. Die Sportler und Athleten kommen aus verschiedenen Vereinen und treffen dann im Nationalteam zusammen. Wir selbst haben uns als Verein qualifiziert. Wir haben eine gewisse Punktzahl in einer Verbandsmeisterschaft in Bottrop im letzten Jahr erreicht. Die Weltmeisterschaft in Orlando ist für jeden Cheerleader der Traum. Insgesamt sind wir 15.600 Cheerleader, die sich hier treffen. Da kann man sich vorstellen, wie voll es hier ist, wie laut es ist. Der Spirit, die Vibes sind wirklich der Wahnsinn. Wir werden uns heute nach dem Training auch noch das Nationalteam ansehen und uns schonmal einen Vorgeschmack holen.
Wird so kurz vor dem Wettkampf noch trainiert? Worauf fokussieren Sie sich dabei?
Wir haben heute nochmal ein dreistündiges Training. Der Fokus liegt jetzt darauf, nicht mehr zu übertreiben. Normalerweise ruht man einen Tag vorher und regeneriert. Leider ist es hier mit der Hallensituation und so vielen Cheerleadern, die aus verschiedenen Nationen zusammenkommen, nicht so einfach. Wir müssen uns anpassen. Der Fokus liegt heute auf der Performance, vielleicht noch ein paar Sachen zu ändern. Es geht um saubere Übungen. Und es wird heute auf jeden Fall noch eine andere Energie geben, weil wir wissen, es ist das letzte Training. Für mich ist es sogar das letzte Training für immer. Ich werde dann aufhören - man soll ja immer dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Deshalb liegt mein Fokus darauf, das noch einmal zu genießen und morgen das Beste zu geben.
Sind Sie sehr aufgeregt vor dem Wettkampf?
Die Aufregung hält sich noch in Grenzen. Das ist, wenn man 18 Jahre Cheerleading macht, so drin. Stressig wird es meistens eine Stunde vor dem Wettkampf, da hat man das meiste Adrenalin. Man weiß, man hat nur 2:30 Minuten sein Programm und da gibt es nur diese eine Chance. Es ist nicht wie beim Fußball, wo man 90 Minuten spielt und sich denkt, "wenn es in dieser Minute nicht klappt, dann in einer anderen". Das ist ein Nervenkitzel für jeden einzelnen. Das gehört dazu.
Können Ihre Familie und Freunde in Cottbus das Event mitverfolgen?
Meine Freunde und Familie können das über einen Livestream verfolgen. Der kostet aber leider 30 Dollar. Das ist auch gleich ein Abo, das allerdings gleich wieder gekündigt werden kann. Es ist schon happig, aber es ist hier in Amerika auch nicht nur ein Sportevent, es ist auch ein Firmenevent, womit auch viel Geld verdient wird. Cheerleading ist hier in Amerika auf jeden Fall ein Reichen-Sport, nicht jeder kann sich das leisten. Die Hallengebühren sind hoch, die Kostüme werden jedes Jahr gewechselt. Das haben wir in Deutschland so nicht, dafür ist der Sport in Amerika aber auch ausgeprägter. Das Nationalteam bekommt dafür zum Beispiel auch eine Bezahlung, bei uns gibt es nur eine Förderung vom Deutschen Olympischen Sportbund.
Welche Ergebnisse erwarten Sie? 2018 waren Sie ja beispielsweise schon Vize-Europameister.
Es klingt blöd, aber wir erwarten nicht so viel. Es ist so, dass wir gegen 20 Elite-Teams in unserer Kategorie antreten. Da gibt es Teams, die nur auf Weltmeisterschaften hintrainieren. Unser Fokus liegt mehr auf der Deutschen Meisterschaft und darauf, den Titel seit drei Jahren zu verteidigen. Wir mussten in den letzten Wochen noch einmal alles umstellen, weil hier ein anderes Regelwerk gilt. Gewinnen ist hier fast unmöglich. Uns geht es darum, dabei zu sein. Wenn wir unter die Top Ten kommen, freuen wir uns auf jeden Fall.
Was haben Sie in Cottbus für die jetzige Weltmeisterschaft gelernt?
Cottbus ist der Ursprung gewesen. Ich bin damals durch meine Cousine zum Cheerleading gekommen. Ich habe mir ein Spiel der White Devils (Cottbuser Basketballteam, Anm. d. Red.) angesehen und sie war damals schon Cheerleader. Das fand ich cool und konnte auch jung schon mitmachen. So bin ich da reingerutscht und nicht mehr herausgekommen. Allerdings war Cottbus in einem anderen Verband organisiert, der ist nicht mehr so groß. Deswegen hat es für mich auch stagniert. Ich habe trotzdem viel mitgenommen. Ich habe natürlich das Team-Gefühl dort gelernt, ich habe viele Skills gelernt, konnte auch Base-Erfahrungen sammeln, dadurch dass ich unten stehe. Als wir dann mit den Gruppen angetreten sind, habe ich auch noch mal viele Erfahrungen sammeln können. Und was beim Cheerleading noch dazukommt: Man lernt extrem viele Leute kennen. Es ist wie eine riesengroße Familie, mittlerweile gönnt sich jeder jeden Erfolg. Cheerleading ist ein großer Kopfsport, es kann so viel dabei passieren. Deswegen ist es umso wichtiger, dass man zusammenhält, auch die Teams untereinander, auch wenn man Konkurrenz ist.
Sie sagen, Sie hören nach dem Turnier mit dem Sport auf. Wieso?
18 Jahre sind eine lange Zeit und natürlich gibt es auch Schattenseiten in dem Sport. Es ist körperlich sehr fordernd und es gibt kaum ein Training ohne Verletzungen. Das strapaziert manchmal die Nerven. Außerdem wird man älter, arbeitet irgendwann und hat noch andere Verpflichtungen. Ich arbeite in der Hotellerie, arbeite auch in Schichten. Das heißt, es ist immer viel Planung nötig, um im Training zu bleiben. Dafür kommt man selbst aber oft zu kurz. Seit einem halben Jahr habe ich einen neuen Arbeitgeber in Berlin. Das und die Weltmeisterschaft, die immer ein großer Traum von mir war, habe ich zum Anlass genommen aufzuhören. Das Team, in dem ich jetzt bin, ist wie eine Familie für mich, ich sehe es auch häufiger als meine Familie. Ich bin sehr dankbar für die Zeit, freue mich aber auf das, was jetzt kommt. Ich habe wieder mehr Zeit für meinen Freund, meine Freunde und meine Familie.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sendung: Antenne Brandenburg, 21.04.2023, 15:40 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen