Flaute bei Mint-Studiengängen
Immer weniger Studienanfänger schreiben sich für ein Mint-Fach ein - also Mathe, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik. Dabei werden genau hier Fachkräfte gesucht. Aline Anders-Lepsch hat an der BTU in Cottbus nachgeforscht, wie der Trend gebrochen werden könnte.
Wer Informatik studiert hat, hat gute Aussichten, in Zukunft einen gutbezahlten Job zu finden. Auch Ingenieure sind gesucht oder Elektrotechniker. Doch nach aktuellen Zahlen entscheiden sich in Deutschland immer weniger junge Leute für ein Studium in den sogenannten Mint-Bereichen: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
Laut Bundesamt für Statistik [destatis.de] ist der Anteil der Studienanfänger, die sich für Mint-Fächer entschieden, seit 2015 kontinuierlich gesunken. 2021 schrieben sich demnach 37,7 Prozent der Studierenden in einem Mint-Fach ein. Im Jahr 2015 waren es noch 40,5 Prozent gewesen - der Höchststand in den vergangenen beiden Jahrzehnten.
An der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg haben sich Florian Rokohl, Cathy Sulaiman und Nicolas Borchard für ein Mint-Fach entschieden: Mathe, Informatik und Physik. Die drei sind inzwischen im Master-Studium, räumen aber ein, dass die ersten Semester tatsächlich hart gewesen seien - zum Beispiel die Vorlesungen in Analysis. Bei diesem Teilbereich der Mathematik fällt statistisch die Hälfe der Studierenden durch. "Ich denke, dass Physik und Mathe einen immer erschlägt", sagt Cathy Sulaiman. "Man muss es in Kauf nehmen. Aber man sollte einem die Angst nehmen und Mathe und Physik nicht als etwas darstellen, das unmöglich zu schaffen ist. Denn das stimmt nicht."
Wenn es nach Florian Rokohl geht, sollte dieses Angstnehmen schon weit vor dem Studium passieren. So könnten Arbeitsgemeinschaften in den Schulen das Interesse wecken und Hemmschwellen abbauen, meint Rokohl. "Es gibt sowas wie Lego-AGs, wo man Lego-Roboter baut. Ich glaube, dass so etwas viel mehr gefördert werden - nicht nur im gymnasialen Bereich, sondern auch an der Grundschule."
Alle drei sind sich einig, dass mehr und früher aufgeklärt werden müsse, was Mint eigentlich ist und wie die Zukunftschancen aussehen. Auch die Einstellung der Eltern spiele eine Rolle, sagt Nicolas Borchard. Wenn diese zu ihren Kindern sagten, dass sie selbst in Mathe nie gut gewesen seien und es ein sehr schweres Fach sei, dann pflanze sich diese Einstellung bei den Kinder fort. "Dann mögen die Kinder das auch nicht", ist Borchard überzeugt.
Aus ihrer eigenen Kindheit berichten zwei der Studierenden über eine positive Einstellung der Eltern zu Mathematik und Technik. "Meine Mutter hat nie daran gezweifelt, dass ich Mathe könnte", erzählt Cathy Sulaiman. "Sie hat nie gesagt: 'Mathe ist was Schweres, Physik ist was Schweres' oder so." Und Florian Rokohl sagt: "Mein Vater hat was mit Elektronik gemacht, ich saß das erste Mal mit zwei Jahren am PC. Dann hat sich das irgendwie entwickelt."
Wie nötig Mint-Studierende jedoch gebraucht werden, zeigt sich laut Florian Rokohl vor allem mit der Digitalisierung. "Wir brauchen einfach die Leute - die wir nicht haben. Ich glaube, dass man es allen klar machen muss, wie wichtig doch die Mint-Bereiche sind."
Auch in anderen Jobbereichen gebe es zahlreiche Berührungspunkte mit Mint-Fächern, sagt Bernhard Weyrauch, Dekan an der BTU Cottbus-Senftenberg. "Wenn wir an den Klimaschutz denken und uns vor Augen führen, welchen Einfluss das Baugewerbe am CO2-Ausstoß hat, kommt es in Zukunft ganz stark darauf an, dass wir die richtigen Baustoffe verwenden - und da braucht man bauchemisches Verständnis."
In Beratungsgesprächen versucht BTU-Mentorin Adina Werner zu vermitteln, warum bestimmte Fächer gebraucht würden und sich ein Studium lohnt - "gerade jetzt in der Lausitz mit diesem Umbruch von Energiewirtschaft und der Energietechnik." Es gebe viele Unternehmen, die in die Region kommen, sagt Werber. "Wir haben auch selber an der Uni viele Institute, die jetzt hierhergekommen sind. Die suchen. Also die Jobaussichten sind wirklich gut."
Immerhin: Schaut man auf andere EU-Länder, dann gibt es in Deutschland vergleichsweise viele Mint-Abschlüsse. Laut Statistischem Bundesamt und EU-Statistikbehörde Eurostat entfielen im Jahr 2020 auf den Mint-Bereich 36 Prozent aller Bachelor- und 35 Prozent aller Master- und gleichwertige Abschlüsse. Das seien jeweils die höchsten Anteile in der EU, heißt es.
Auch die BTU Cottbus-Senftenberg konnte im vergangenen Jahr bei der Zahl der Immatrikulationen in Mint-Fächern zugelegen [b-tu.de], wie Uni-Präsidentin Gesine Grande im rbb bestätigt. Die Universität sei hier aber auch sehr engagiert. "Wir sind in den Schulen in ganz Brandenburg und zum Teil darüber hinaus unterwegs, um das Interesse für Naturwissenschaften, Technik, Informatik zu wecken - mit AGs, Drohnenflügen und auch Lego-Kursen."
Auch in einer Kinder- und Schüleruniversität der BTU werde frühzeitig versucht, Neugier für Technik und Naturwissenschaften zu wecken. Auch das angebotene Schnupperstudium sei eine der Investition in die Zukunft, so Grande. "Und: Wenn die Studierenden erstmal den Weg zu uns gefunden haben, dann tun wir natürlich auch alles, um sie zu behalten."
Auch an anderer Stelle ist ein Aufwärtstrend zu beobachten. Laut Statistischem Bundesamt studieren zwar weiterhin mehr Männer als Frauen Mint-Fächer - der Frauenanteil ist allerdings zuletzt gestiegen. 2001 lag der Frauenanteil noch bei 30,8 Prozent, im Jahr 2021 bei 34,5 Prozent.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 31.01.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Aline Anders-Lepsch
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